In den laufenden Koalitionsverhandlungen fordert die SPD das „Ende der Zwei-Klassen-Medizin“– und trifft mit ihren Plänen auf Widerstand bei Gesundheitsökonomen ebenso wie bei privaten und gesetzlichen Krankenkassen. Der Grund: Das Projekt würde ziemlich teuer.
An Stelle der privaten und der gesetzlichen Krankenversicherung (PKV und GKV) solle eine Art „Bürgerversicherung“ mit einer einheitlichen Gebührenordnung (EGO) aus EBM und GOÄ für Ärzte treten – so will es die SPD.
Wie berichtet, hat der SPD-Gesundheitsexperte Prof. Dr. Karl Lauterbach seinen Fraktionskollegen in einem Papier dargelegt, wie er die Bürgerversicherung einführen will, ohne dass die Niedergelassenen bluten müssen. „Dem System wird kein Geld entzogen. Es wird keine Honorarkürzungen durch die Hintertür geben“, versichert Lauterbach seiner Fraktion.
Die derzeitigen Unterschiede von EBM und GOÄ sollen auf einem Honorarniveau angeglichen werden, das höher liegt als derzeit in der GKV, heißt es.
Einheitliche Gebührenordnung könnte für Versicherte teuer werden
Allerdings rechnen Experten damit, dass durch die Verschmelzung von EBM und GOÄ die Beiträge zur gesetzlichen Krankenkasse steigen würden. In einem Memorandum zur Diskussion einer Einheitlichen Gebührenordnung für Ärzte (EGO) argumentieren 5 Fachleute, unter ihnen der Rechtsanwalt und frühere Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Dr. Reiner Hess, und der Bonner Gesundheitsökonom Prof. Dr. Gregor Thüsing gegen die SPD-Pläne [1].
Sie erstellten das Memorandum im Auftrag der Bundesärztekammer (BÄK) und des Verbandes der privaten Krankenversicherungen (PKV-Verband). Darin legen sie dar, „warum die mit einer einheitlichen Gebührenordnung verknüpften politischen Ziele kaum zu erreichen sind und eine einheitliche Gebührenordnung für die Versicherten bzw. für die Patienten mehr Nach- als Vorteile mit sich bringt“, wie es in dem Memorandum heißt.
Wäre die GOÄ mit ihren Einzelleistungsvergütungen Vorbild für die EGO, so drohe eine erhebliche Mengenausweitung bei den medizinischen Leistungen und damit zusätzliche Ausgaben für die Versicherten, meinen die Experten.
Wäre umgekehrt der EBM mit seinen Pauschalen, Mengenbegrenzungen und Abstaffelungen die Blaupause für die neue Ordnung, so stehe die Frage im Raum, wie die Niedergelassenen die nun verlorenen höheren GOÄ-Honorare wettmachen könnten. Falls hier Honorarkürzungen politisch nicht mehrheitsfähig wären, käme es „zu einer Mehrbelastung der Beitragszahler“, so das Memorandum. „Der Beitragssatz zur GKV würde sich um etwa 0,46 Prozentpunkte auf rund 16 Prozent erhöhen“, hieß es.
Daniel Schaffer vom PKV-Verband geht in einer Studie vom vergangenen Jahr davon aus, dass der Mehrbedarf für die Kompensation jährlich 12,633 Milliarden Euro betragen und den Beitragssatz sogar auf 16,7% treiben würde [2]. Der monatliche GKV-Höchstbeitrag würde damit um 6,2% von 682,95 Euro auf 725,15 Euro steigen.
90% und damit den Löwenanteil dieser Nachfinanzierung müssten die heutigen GKV-Versicherten tragen, meint Schaffer. Das wären 11,34 Milliarden Euro. Vor allem der Mittelstand müsste für seine Krankenversicherung tiefer in die Tasche greifen. Die 10% heutigen (noch) PKV-Versicherten müssten in diesem Szenario nur 1,26 Milliarden Euro beisteuern.
Gleichzeitig bestehe die Gefahr, dass sich ein neuer Markt entwickle, auf dem sich solvente „Premiumpatienten“ für teures Geld medizinische Zusatzleistungen einkauften, meinen die Verfasser des Memorandums. Will sagen: Gerechter wäre eine EGO auch nicht, im Gegenteil.
Und schließlich feuern die Experten noch mit ganz großem Geschütz: Eine EGO wäre „aus rechtlicher Sicht ein verfassungswidriges (…) Unterfangen“, heißt es in dem Memorandum. Denn im Falle einer einheitlichen Vergütung hätten weder Ärzte noch Versicherte noch Krankenkassen Vertragsfreiheit und die Ärzte wären zudem um ihre Berufsfreiheit gebracht.
Die Kassen sind nicht bereit, mehr zu zahlen
Der GKV-Spitzenverband hat klar gemacht, dass er im Falle einer Bürgerversicherung kein zusätzliches Geld aus den Kassen der Versicherer überweisen will. „Wenn einheitliche Honorierung bedeutet, dass die gesetzlichen Krankenkassen mehr bezahlen und die privaten Krankenversicherungen weniger, dann lehnen wir das ab“, sagte Johannes-Magnus von Stackelberg, Vize-Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, in einem Statement [2].
„Wir versorgen 90 Prozent der Bevölkerung und haben 2016 im Durchschnitt rund 380.000 Euro an jede Arztpraxis gezahlt, obwohl die zusätzlich auch noch Privatversicherte behandeln.“ Es gebe „keinen sachlichen Grund“ für die GKV, über die jährlichen Honorarsteigerungen hinaus noch mehr Geld an die Niedergelassenen zu zahlen.“
Lauterbach indessen will sich nach Auskunft seines Berliner Büros vor dem Hintergrund der laufenden Koalitionsverhandlungen nicht zum Thema und den berechneten Steigerungsraten bei den Kassenbeiträgen äußern.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) dagegen hat sich bereits vor den Verhandlungen gegen die Bürgerversicherung ausgesprochen. Die Deutsche Presseagentur zitiert ihn mit den Worten: „Milliardenschwere Mehrlasten für gesetzlich Versicherte durch eine Zwangsvereinigung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung oder einheitliche Arzthonorare lehne ich ab.“
REFERENZEN:
1. Memorandum zur Diskussion einer Einheitlichen Gebührenordnung für Ärzte (EGO)
2. GKV-Spitzenverband: Pressemitteilung, 22. Januar 2018
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Diesen Artikel so zitieren: Teurer Abschied von der 2-Klassen-Medizin – was eine Einheitliche Gebührenordnung für Ärzte kosten würde - Medscape - 5. Feb 2018.
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