Patienten mit septischem Schock profitieren von der Anwendung von Hydrokortison: Die Dauer des septischen Schocks und auch die Zeit, die die Patienten unter Einsatz lebenserhaltender Maßnahmen auf der Intensivstation liegen, verringert sich. Einen Effekt auf das Überleben hat die Behandlung allerdings nicht, wie eine im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie zeigt [1].
Es ist die größte Studie, die jemals zum septischen Schock durchgeführt wurde, und sie sollte zeigen, ob Glukokortikoide das Überleben der Patienten verbessern. Der primäre Endpunkt der Studie war die 90-Tages-Mortalität.
Frage endgültig geklärt?
Obwohl das Ergebnis der Studie im Hinblick auf den primären Endpunkt neutral ausgefallen ist, betont Erstautor Prof. Dr. Bala Venkatesh vom The George Institute for Global Health, Brisbane, Australien, in einer Pressemitteilung: „Wir haben nun endlich gezeigt, welche Rolle Glukokortikoide in der Behandlung von Patienten mit septischem Schock spielen. Wenn wir die auf der Intensivstation verbrachte Zeit reduzieren können, macht dies nicht nur Platz für andere Patienten frei, es bedeutet für Gesundheitssysteme auf der ganzen Welt auch eine riesige Kostenersparnis.“

Prof. Dr. Gernot Marx
Dass die Rolle der Glukokortikoid-Behandlung bei septischem Schock nun endgültig geklärt ist, bestätigt Prof. Dr. Gernot Marx auf Nachfrage von Medscape aber nicht. Marx ist Sprecher der Sektion Systemische Inflammation und Sepsis der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin. „Diese Studie hilft mir in meiner klinischen Praxis kaum weiter“, sagt der Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum Aachen.
Septischer Schock mit vielen Ausprägungen
„Die Studie ist zwar groß und wissenschaftlich korrekt durchgeführt, aber bei septischen Patienten gibt es eine große Anzahl von Entitäten, Erregern und Ausprägungen. Deshalb macht es keinen Sinn, sie einmal mehr – wie in vielen Studien zuvor – alle zusammenzufassen“, erklärt Marx.
An der in Australien, Neuseeland, Großbritannien, Dänemark und Saudi-Arabien durchgeführten Studie mit dem Akronym ADRENAL (Adjunctive Corticosteroid Treatment in Critically Ill Patients with Septic Shock) nahmen insgesamt 3.800 Patienten mit septischem Schock teil. Sie befanden sich auf der Intensivstation, wurden maschinell beatmet und erhielten 1 Woche lang randomisiert entweder 200 mg Hydrokortison am Tag oder ein Placebo.
Von den 3.800 randomisierten Patienten konnten 3.658 letztlich hinsichtlich des primären Endpunktes – der 90-Tages-Mortalität – analysiert werden. In der mit Hydrokortison behandelten Gruppe starben innerhalb von 90 Tagen 27,9% der Patienten, in der Placebogruppe 28,8%. Der kleine Unterschied war statistisch nicht signifikant.
Keine Unterschiede in Subgruppen
In einer Subgruppenanalyse untersuchten die Wissenschaftler um Venkatesh, ob es möglicherweise einen Unterschied machte, welches Geschlecht die Patienten hatten, ob sie aus chirurgischen oder medizinischen Gründen im Krankenhaus waren, welche Katecholamin-Dosis sie erhalten hatten, welchen Ursprung die Sepsis hatte, wie hoch ihr APACHE-II-Score war und wie lange sie sich vor der Randomisierung im Schockzustand befunden hatten.
Aber keiner dieser Faktoren änderte etwas am – nicht vorhandenen – Effekt der Hydrokortison-Behandlung auf die Mortalität.
Signifikanter Effekt auf sekundäre Endpunkte
Bei den sekundären Endpunkten sah es dagegen deutlich besser aus für die Glukokortikoid-Behandlung: Patienten, die Hydrokortison erhalten hatten, erholten sich im Schnitt schneller vom septischen Schock, innerhalb von 3 statt von 4 Tagen.
Sie mussten außerdem weniger lange beatmet werden. Median waren die Patienten in der Hydrokortison-Gruppe 6 Tage auf eine maschinelle Beatmung angewiesen, die Patienten in der Placebogruppe 7 Tage.
Die Patienten mit Hydrokortison-Behandlung benötigten außerdem seltener eine Bluttransfusion: 37% verglichen mit 41,7% in der Placebogruppe.
Insgesamt konnten die Patienten mit Hydrokortison-Behandlung schneller von der Intensivstation entlassen werden: median nach 10 statt erst nach 12 Tagen.
Mortalität wichtig für Sicherheit
Für Marx sind diese sekundären Outcome-Parameter weitaus interessanter als der primäre Endpunkt. „Die Mortalität ist ein wichtiger Outcome-Parameter, aber für die Sicherheit, nicht für die Wirksamkeit einer Behandlung. Hier ist die Untersuchung im Hinblick auf Organ-Dysfunktionen wesentlich zielführender“, sagt er.
Künftige Untersuchungen sollten – das zeige auch ein Review zur Durchführung von Studien im Bereich Intensivmedizin – Patienten nach Schweregraden kategorisieren und sie dann bestimmten Therapien zuführen, in der Hoffnung, dass sie dann besonders davon profitieren.
REFERENZEN:
1. Venkatesh B, et al: NEJM (online) 19. Januar 2018
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Septischer Schock: Was bringt Kortison? Schnellere Erholung, doch die Überlebensrate bleibt unbeeinflusst - Medscape - 5. Feb 2018.
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