Schwere Komplikationen durch Typ-2-Diabetes: Kohortenstudie quantifiziert die ökonomischen Folgen

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

1. Februar 2018

Komplikationen von Patienten mit Typ-2-Diabetes führen nicht nur im Quartal des Ereignisses zu Ausgaben für die Krankenkasse. Je nach Art des Ereignisses treten unterschiedlich hohe Folgekosten auf. Sie reichen oft über das Quartal des Ereignisses weit hinaus.

Das berichtet Katharina Kähm auf Basis einer Kohorte mit gesetzlich Versicherten [1]. Sie forscht am Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen des Helmholtz Zentrums München (HMGU). Das HMGU ist Mitglied des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).

„Die Stärken unserer Arbeit sehe ich vor allem in der Größe der Population und der Differenziertheit der Analysen, vergleichbare deutsche Studien gibt es nicht“, sagt Kähm zu Medscape. „Damit konnten wir auch Aussagen zu den Kosten seltener Ereignisse wie Amputationen treffen.“

 
Die Stärken unserer Arbeit sehe ich vor allem in der Größe der Population und der Differenziertheit der Analysen, vergleichbare deutsche Studien gibt es nicht. Katharina Kähm
 

Als weitere Besonderheit erwähnt sie, ein zentrales Anliegen sei gewesen, Typ-2-Diabetes von anderen Formen der Stoffwechselerkrankung zu unterscheiden. „Dazu haben wir in der Kohorte Patienten aus Disease-Management-Programmen beziehungsweise mit Verordnung oraler Antidiabetika identifiziert“, berichtet die Erstautorin. Sie ergänzt: „Man muss sich natürlich immer den generellen Schwächen von Routinedaten bewusst sein. Wir sehen nur Diagnosen. Uns fehlen jedoch klinische Risikofaktoren wie der HbA1c-Wert, Blutdruck, etc.“

Unterschiedliche Ausgaben im zeitlichen Verlauf

Für ihre Studie hat Kähm zusammen mit ihren Kollegen Daten von 316.220 TK-Versicherten (37% Frauen, 63% Männer) mit Typ-2-Diabetes ausgewertet. Dazu zählten u.a. Diagnose- und Leistungsdaten sowie Kostendaten für den ambulanten und stationären Bereich, Arzneimittelverordnungen, Heil- und Hilfsmittel und Rehabilitationsmaßnahmen.

Die Gesamtkosten wurden für verschiedene mikrovaskuläre (u.a. Augenleiden, diabetischer Fuß, Nierenleiden) und makrovaskuläre Folgeerkrankungen (u.a. Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, Schlaganfall) untersucht. „Unsere Kohorte entspricht mit 65,9 Jahren dem mittleren Alter in vergleichbaren Beobachtungsstudien“, so Kähm. Deshalb sei die Übertragbarkeit auf die deutsche Allgemeinbevölkerung hoch.

Zu den zentralen Ergebnissen sagt die Erstautorin: „Uns fiel auf, dass die Kosten vieler Komplikationen nicht nur im Quartal des Ereignisses selbst auftreten, sondern noch Monate oder Jahre später.“ Für eine weibliche Patientin mit Typ-2-Diabetes im Alter von 70 bis 79 Jahren ergeben sich beispielhaft folgende zusätzliche Kosten pro Quartal:

  • Beim diabetischen Fuß waren es zusätzlich ca. 640 Euro im 1. Quartal der Neudiagnose und ca. 360 Euro pro Quartal im 1. und 2. Jahr nach der Diagnose.

  • Nicht tödliche Myokardinfarkte kosteten zusätzlich ca. 7.400 Euro (1. Quartal), 820 Euro (pro Quartal im 1. Jahr) und 220 Euro (pro Quartal im 2. Jahr).

 
Uns fiel auf, dass die Kosten vieler Komplikationen nicht nur im Quartal des Ereignisses selbst auftreten, sondern noch Monate oder Jahre später. Katharina Kähm
 

„Für Wissenschaftler sind solche genauen Kostenschätzungen wichtig, um die ökonomischen Konsequenzen neuer Präventions- und Managementstrategien für Typ-2-Diabetes präzise abschätzen zu können“, erklärt Kähm.

Relativer Kostenfaktor präzisiert die Zeitabhängigkeit

Um den zeitlichen Verlauf besser zu visualisieren und mit internationalen Studien vergleichbar zu machen, verwenden Kähm und ihre Kollegen zur Beschreibung der Gesamtkosten einen sogenannten relativen Kostenfaktor. Dieser Parameter ergibt sich aus den Gesamtkosten eines Typ-2-Diabetikers im Quartal mit Komplikationen dividiert durch die Kosten in einem Quartal ohne Komplikationen (ca. 700 Euro).

 
Für Wissenschaftler sind solche genauen Kostenschätzungen wichtig, um die ökonomischen Konsequenzen neuer Präventions- und Managementstrategien für Typ-2-Diabetes präzise abschätzen zu können. Katharina Kähm
 

Beim diabetischen Fuß fanden Wissenschaftler im 1. Quartal der Neudiagnose einen Kostenfaktor von ca. 4, der sich in den nächsten Quartalen auf 3 einpendelte. Dagegen führten Amputationen im 1. Quartal zum Faktor 25, gefolgt von einem raschen Abfall auf 5.

Unterschiede zwischen Männern und Frauen

„Unterschiede zwischen Frauen und Männern muss man vorsichtig interpretieren, weil sich die Stichprobengröße in den Subgruppen verringert und die Unterschiede daher nicht signifikant sein können“, erklärt Kähm. „Aber in der Tendenz konnten wir sehen, dass gerade bei Männern Amputationen, Nierenversagen, tödliche Herzinfarkte oder tödliche Schlaganfälle mit höheren Kosten verbunden sind.“

Beispielhaft errechneten die Autoren die Gesamtkosten eines tödlichen Herzinfarktes bei Patienten zwischen 60 und 69 Jahren auf etwa 10.800 Euro (Männer) beziehungsweise 6.200 Euro (Frauen). Mögliche Gründe dieser Unterschiede zwischen Frauen und Männern wurden in dieser Studie zwar nicht erfasst, aber anhand weiterer Literaturquellen diskutiert. Dazu zählen u.a. Unterschiede im Schweregrad oder im Krankheitsmanagement, in der Effektivität von Interventionen, aber auch die komplexe Rolle psychologischer Faktoren.

Ressourcen möglichst sinnvoll verteilen

Kähm sieht in ihrer Arbeit aus gesundheitsökonomischem Blickwinkel vor allem die Chance, die Planung von Versorgungsprogrammen im Management von Typ-2-Diabetes zu unterstützen. „Ziel ist es, Folgeerkrankungen zu vermeiden beziehungsweise besonders gefährdete Patientengruppen stärker zu betreuen, bevor es zu schwerwiegenderen Komplikationen kommt“, sagt die Wissenschaftlerin.

 

REFERENZEN:

1. Kähm K, et al: Diab Care (online) 18. Januar 2018

 

Kommentar

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