Langfristig gesundheitliche Vorteile für die Mutter, Nachteile jedoch sowohl für das Kind als auch für künftige Schwangerschaften – auf diese kurze Formel lässt sich das Ergebnis einer großen Metaanalyse zum Kaiserschnitt bringen, für die 80 Studien mit 30 Millionen Teilnehmerinnen ausgewertet worden sind [1].
Weltweit werden immer mehr Kinder per Sectio entbunden: 2016 waren es in Westeuropa fast ein Viertel, in Nordamerika fast ein Drittel und in Südamerika sogar rund 40%. Prof. Dr. Oonagh Keag vom Royal Infirmary of Edinburgh und ihre Mitarbeiterinnen sehen einen der Gründe für den Anstieg darin, dass sich Schwangere zunehmend selbst dann für einen Kaiserschnitt entscheiden, wenn er medizinisch gar nicht erforderlich wäre.
In Ländern mit hohem Einkommen werde die elektive Indikation dadurch begünstigt, dass die kurzfristigen Risiken für die Mutter – Infektionen, Blutungen, Verletzungen innerer Organe und venöse Thromboembolien – stark zurückgegangen sind. Infolgedessen hat der Eingriff eine ähnliche Sicherheit erreicht wie die vaginale Geburt.
Auf einem anderen Blatt jedoch steht die Frage, womit die Frauen langfristig rechnen müssen, wenn sie dem gegenwärtigen Trend folgen. In einer kompetenten Beratung müssten auch solche Aspekte berücksichtigt werden, doch verlässliche Angaben würden fehlen, erläutern die schottischen Wissenschaftlerinnen die Motivation für ihre Arbeit.
Die Suche zog sich über 3 Jahre hin
Um diese Wissenslücke zu füllen, haben sie große medizinische Datenbanken wie Medline und Cochrane systematisch nach Studien durchforscht. Kriterien bei der 3-jährigen Suche waren:
Die Entbindung sollte fristgerecht stattgefunden,
die Nachbeobachtung länger als 1 Jahr gedauert und
die Zahl der Teilnehmerinnen jeweils wenigstens 1.000 betragen haben.
Als geeignet erwiesen sich schließlich eine randomisierte und 79 große prospektive Kohortenstudien, worin die beiden Formen der Entbindung verglichen worden waren. Alle Publikationen stammten aus Ländern mit hohem Einkommen und umfassten insgesamt fast 30 Millionen Frauen.
Für die Mütter erwies sich ein Kaiserschnitt auf lange Sicht als durchaus positiv: Verglichen mit vaginaler Entbindung war das Risiko für Harninkontinenz um fast 80% verringert (Odds Ratio: 0,56). Zum Prolaps von Beckenorganen wie Uterus und Vagina kam es sogar noch erheblicher seltener (OR: 0,29).
Anders sah es für die Kinder aus: Sie hatten im Vergleich zu vaginal geborenen Babys ein um rund 20% erhöhtes Risiko, bis zum Alter von 12 Jahren an Asthma zu erkranken (OR: 1,21), und ein um fast 60% erhöhtes Risiko, mit 5 Jahren übergewichtig zu sein (OR: 1,59).
Probleme mit der Plazenta treten gehäuft auf
Ebenso waren die Aussichten für weitere Schwangerschaften ungünstiger: Fehlgeburten ereigneten sich nach einer Sectio um fast 20% häufiger als nach vaginaler Entbindung (OR: 1,17) und Totgeburten um fast 30% (OR: 1,27). Die Gefahr einer Fehllage der Plazenta nahe oder vor dem Geburtsausgang (Placenta praevia) war um fast 75% erhöht (OR: 1,74), einer vorzeitigen Plazentalösung (Abruptio placentae) um rund 40% (OR: 1,38) und einer gestörten Plazentahaftung durch Einwachsen der Zotten in die Gebärmuttermuskulatur (Placenta accreta) sogar verdreifacht (OR: 2,95). Außerdem war die Wahrscheinlichkeit, dass ein weiterer Kinderwunsch unerfüllt blieb (Subfertilität), nach einem vorangehenden Kaiserschnitt um 60% gesteigert (OR: 1,60).
Die Arbeit liefere zwar einen umfassenden Überblick, basiere allerdings hauptsächlich auf Beobachtungsstudien, schränken Keag und ihre Kolleginnen die Aussagekraft ihrer Untersuchung ein. Außerdem seien die Daten in einigen der berücksichtigten Metaanalysen recht heterogen. Zum Beispiel variieren die Kaiserschnittraten je nach Zeitraum beträchtlich: So betrugen sie für eine Kohorte des Jahres 1966 lediglich 5%.
Die Autorinnen warnen vor Rückschlüssen auf Kausalität
Deshalb sollte die Analyse mit Vorbehalt interpretiert und keine kausalen Beziehungen daraus abgeleitet werden. Zudem betonen die Autorinnen, dass die Ergebnisse für Länder mit hohem Einkommen gelten und sich nicht auf andere Gesundheitssysteme übertragen ließen.
In ihrem Fazit schreiben sie, dass die offensichtlichen Vorteile einer Sectio in einem Beratungsgespräch gegen die Komplikationen abgewogen werden müssten. Mit den Informationen könnten die Schwangeren persönlich relevante Entscheidungen treffen, weil die einzelnen Parameter individuell sehr unterschiedlich gewichtet werden.
„Die Vorlieben der Mütter haben einen wichtigen Einfluss auf die Art der Entbindung“, so Keag und ihre Kolleginnen. Beispielsweise könnte es für die einen von hoher Priorität sein, ihr Kind vor Atemwegserkrankungen zu schützen, wogegen andere Frauen eventuell Wert darauf legen, das Risiko einer Totgeburt bei einer künftigen Schwangerschaft zu minimieren.
Die Forscherinnen wollen keinesfalls in Abrede stellen, dass ein Kaiserschnitt – zumindest in Regionen mit hohem Einkommen – die perinatale Mortalität und Morbidität von Mutter und Kind wirksam vermindert, wenn bei der Entbindung Komplikationen zu befürchten sind. Anders in einkommensschwachen Ländern: Hier sind unmittelbare widrige Zwischenfälle häufiger, selbst wenn die Sectio nicht aus geburtshilflicher Notwendigkeit erfolgt.
REFERENZEN:
1. Keag E O, et al: PLoS Med (online) 23. Januar 2018
Medscape Nachrichten © 2018 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Schaden-Nutzen-Bilanz der Sectio: Die Mutter profitiert langfristig, fürs Kind und weitere Schwangerschaften eher abträglich - Medscape - 30. Jan 2018.
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