Ob Alkohol schädliche Folgen auf Herz und Kreislauf hat, ist auch eine Frage der sozialen Schicht

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

25. Januar 2018

Wer häufig Alkohol trinkt, hat ein erhöhtes Risiko, an einer kardiovaskulären Erkrankung zu sterben. Das gilt laut einer Studie aus Norwegen aber nur für Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status [1].

Dr. Anne Koopmann

Für Dr. Anne Koopmann, Oberärztin an der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, ist dieser Aspekt entscheidend, denn: „Es gibt viele Studien zum Zusammenhang zwischen Trinkverhalten und kardiovaskulärem Risiko, aber keine große Kohortenstudie, die zusätzlich den sozioökonomischen Status einbezogen hat.“

Eirik Degerud vom Norwegian Institute of Public Health in Oslo und seine Kollegen untersuchten die Dreiecksbeziehung zwischen Alkoholkonsum, kardiovaskulärem Risiko und sozioökonomischem Status in einer großen Kohorte von 207.394 erwachsenen Norwegern, die vor dem 15. Oktober 1960 geboren worden waren.

 
Geht man davon aus, dass Alkohol in höheren gesellschaftlichen Schichten häufiger zu den Mahlzeiten als alleine getrunken wird, kann er …. weniger kardiovaskulären Schaden anrichten. Dr. Anne Koopmann
 

In Maßen protektiv

Ihre Analyse bestätigt, was viele andere Untersuchungen ebenfalls zeigen: Alkohol in Maßen kann gesundheitliche Vorteile haben. Studienteilnehmer, die moderat häufig Alkohol tranken – 2- bis 3-mal in der Woche – hatten ein geringeres Risiko, an kardiovaskulären Erkrankungen zu sterben, als Studienteilnehmer, die seltener Alkohol tranken. Bei Studienteilnehmern mit hohem sozioökonomischem Status war diese Assoziation allerdings besonders stark ausgeprägt.

Ein sehr häufiger Konsum von Alkohol – 4- bis 7-mal in der Woche – war dagegen mit einem erhöhten Risiko für Tod aufgrund von kardiovaskulären Ursachen verbunden. Allerdings nur bei Studienteilnehmern mit niedrigem sozioökonomischem Status.

Mehr Schaden bei niedrigerem Status

„Die Teilnehmer mit hohem sozioökonomischen Status tranken laut der Erhebung mehr Alkohol als diejenigen mit niedrigem sozioökonomischen Status, dennoch war der Schaden durch den Alkohol bei ihnen signifikant geringer“, resümiert Koopmann.

Eine Erklärung für dieses Ergebnis könnte im sonstigen Gesundheitsverhalten der Teilnehmer zu finden sein, sagt die Suchtmedizinerin im Gespräch mit Medscape. „Es ist zum Beispiel bekannt, dass sich Menschen mit höherem sozioökonomischem Status durchschnittlich gesünder ernähren, mehr Sport treiben und weniger häufig rauchen.“

 
Ein so hoher Alkoholkonsum ist gesundheitsschädlich und kann durch gesundheitsprotektive Verhaltensweisen auch nicht wett gemacht werden. Dr. Anne Koopmann
 

Degerud und seine Kollegen führen außerdem an: „Wird Alkohol zusammen mit Essen konsumiert, wird er bereits im Magen stärker verstoffwechselt. Dies reduziert die Bioverfügbarkeit des aufgenommenen Alkohols … wodurch die toxischen Effekte des Alkohols auf die Organe abgemildert werden könnten.“

„Geht man davon aus, dass Alkohol in höheren gesellschaftlichen Schichten häufiger zu den Mahlzeiten als alleine getrunken wird, kann er bei Menschen mit höherem sozioökonomischem Status weniger kardiovaskulären Schaden anrichten“, ergänzt Koopmann.

Binge-Drinking für alle ungesund

Die gesundheitsprotektiven Faktoren, die bei Menschen mit höherem sozioökonomischem Status möglicherweise zum Tragen kommen, haben allerdings auch ihre Grenzen, wie die Studie der norwegischen Wissenschaftler zeigt. Studienteilnehmer, die bei den Erhebungen Binge-Drinking – mehr als 5 alkoholische Getränke an einem Tag – angaben, hatten ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Mortalität. Und der sozioökonomische Status änderte daran nichts.

„Ein so hoher Alkoholkonsum ist gesundheitsschädlich und kann durch gesundheitsprotektive Verhaltensweisen auch nicht wett gemacht werden“, so Koopmann.

Degerud und sein Team schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass diese Heterogenität in der Bevölkerung berücksichtigt werden sollte, wenn populationsweite Empfehlungen zum Alkoholkonsum herausgegeben werden.

 
In einem Umfeld, in dem viele Menschen einen niedrigen sozioökonomischen Status haben, sollte man mehr in die Prävention gehen. Dr. Anne Koopmann
 

Prävention anpassen

Diesen Vorschlag findet Koopmann allerdings wenig realistisch. „Statistisch gesehen weisen Menschen mit höherem sozioökonomischem Status ein besseres Gesundheitsverhalten auf, man kann aber nicht davon ausgehen, dass dies für jede einzelne Person in dieser Bevölkerungsgruppe zutrifft. Deshalb fände ich es verwegen, Empfehlungen vom sozioökonomischen Status abhängig zu machen.“

Für die Mannheimer Suchtmedizinerin haben die Studienergebnisse von Degerud und seinen Kollegen aber Bedeutung für einen anderen Bereich: „Es wäre sicherlich sinnvoll, Präventionsmaßnahmen anzupassen. In einem Umfeld, in dem viele Menschen einen niedrigen sozioökonomischen Status haben, sollte man mehr in die Prävention gehen, mehr über Alkohol und den Zusammenhang zu anderen gesundheitsschädlichen oder gesundheitsförderlichen Verhaltensweisen aufklären.“

 

REFERENZEN:

1. Degerud E, et al: PLOS Medicine (online) 2. Januar 2018

 

Kommentar

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