Frauen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom können möglicherweise von einer hyperthermen intraperitonealen Chemotherapie (HIPEC) profitieren. Durch zytoreduktive Operation plus HIPEC kann im Vergleich zu alleiniger Operation das rezidivfreie Überleben von Patientinnen mit Ovarialkarzinom signifikant um 3,5 Monate und das Gesamtüberleben um fast 1 Jahr verlängert werden. Dies zeigte eine von Dr. Willemien van Driel, Niederländisches Krebsinstitut, Amsterdam, im New England Journal of Medicine publizierte Phase-3-Studie [1].
„Die Ergebnisse dieser Studie repräsentieren die derzeit überzeugendste Information, dass eine einzelne HIPEC am Ende der chirurgischen Resektion eines Ovarialkarzinoms einen wichtigen Vorteil für eine definierte Gruppe von Patienten mit Krebs bedeuten kann“, so der Kommentar von Dr. David R. Spriggs und Dr. Oliver Zivanovic vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, im begleitenden Editorial [2].
„Diese randomisierte Studie ist ein sehr wichtiger erster Schritt, aber sie dürfte derzeit noch keine Änderung der Praxis bedeuten“, so die beiden Editorialisten. Denn noch sind nach ihrer Aussage sehr viele Fragen offen, z.B. welcher Teil der HIPEC für den erreichten Effekt verantwortlich ist. Ist die Cisplatin-Dosis eine Ursache? Welche Rolle spielt die Applikationsform, also die intraperitoneale Cisplatin-Gabe? Ist die Hyperthermie für den zusätzlichen Effekt erforderlich? Hat die frühe intraoperative intraperitoneale Therapie Vorteile im Vergleich zu einer postoperativen Chemotherapie? „Die Antworten auf diese Fragen sind nicht bekannt“, so Spriggs und Zivanovic.
Außerdem seien die zusätzlichen Kosten durch die längere Operationszeit, die längere Verweildauer im Krankenhaus und die aufwändigere Therapie zu bedenken. Die Studie ist zudem an Kliniken mit großer HIPEC-Erfahrung durchgeführt worden. Bei dieser Prozedur ist die klinische Erfahrung nach Ansicht der Editorialisten eine wichtige Grundlage des Erfolgs.
Die Ergebnisse dieser Studien seien auch nicht auf andere Patienten übertragbar, sie gelten nur für vorbehandelte und im Chemotherapie-Intervall operierte Frauen. In weiteren Studien müsse geklärt werden, für welche Frauen eine HIPEC in Frage käme. Darüber hinaus müsse der Nutzen einer HIPEC in Studien mit den Effekten vielversprechender neuer Substanzen oder Immuntherapien verglichen werden.
Was bringt die Hyperthermie?
Das Ovarialkarzinom hat meist eine sehr schlechte Prognose, weil es häufig erst in fortgeschrittenen Stadien erkannt wird, in denen die Erkrankung schon auf das Peritoneum übergegangen ist.
Die maximal mögliche Verkleinerung des Tumors gilt als derzeit wirksamste Behandlung der fortgeschrittenen Erkrankung. Hierzu erhalten die Frauen nach einer Operation 6 Zyklen Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel. Alternativ kann die zytoreduktive Operation auch im Intervall nach 3 Zyklen Chemotherapie durchgeführt werden. Eine intraperitoneale Applikation der Zytostatika erhöht deren Verfügbarkeit an der Oberfläche des Peritoneums und könnte damit auch mikroskopische Residuen erreichen.
Der Nutzen einer unter hyperthermen Bedingungen während der Operation verabreichten intraperitonealen Chemotherapie (HIPEC) wird derzeit unterschiedlich beurteilt. Die Hyperthermie verstärkt die Penetration der Chemotherapeutika ins peritoneale Gewebe und erhöht die Empfindlichkeit des Krebsgewebes gegenüber Chemotherapie.
Sie kann zudem eine Apoptose induzieren, Hitzeschockproteine aktivieren, die als Rezeptoren für Natürliche-Killer-Zellen dienen, die Angiogenese hemmen und durch Proteindenaturierung direkt zytotoxisch wirken. Bislang fehlen zum Nutzen der Behandlung jedoch Daten aus randomisierten Studien.
Offene Phase-3-Studie in Holland und Belgien
Die holländische Arbeitsgruppe um van Driel untersuchte daher in einer multizentrischen offenen Phase-3-Studie die Wirksamkeit einer HIPEC. Aufgenommen wurden 245 Frauen mit zumindest stabiler Erkrankung nach 3 Zyklen Carboplatin/Paclitaxel. Bei einer zytoreduktiven Operation im Intervall erhielten sie eine HIPEC mit Cisplatin oder keine weitere Behandlung. Die Randomisierung erfolgte zu Beginn der Operation mit den Frauen, bei denen wahrscheinlich eine komplette oder optimale Zytoreduktion erreicht werden konnte.
Die HIPEC wurde am Ende der Operation bei offenem Abdomen mit Hilfe einer Doppelrollerpumpe und einem Wärmeaustauschgerät durchgeführt. Im Abdomen wurde mit der Cisplatin-haltigen Perfusionsflüssigkeit über 2 Stunden eine Temperatur von 40°C aufrechterhalten. Nach der Operation wurden alle Frauen mit weiteren 3 Zyklen Carboplatin/Paclitaxel behandelt.
Primärer Endpunkt war das rezidivfreie Überleben, zu den sekundären Endpunkten gehörten das Gesamtüberleben, unerwünschte Wirkungen sowie die Lebensqualität.
Das rezidivfreie Überleben war in der HIPEC-Gruppe mit median 14,2 Monaten signifikant länger als in der Gruppe ohne HIPEC mit 10,7 Monaten (Hazard-Ratio 0,66, p=0,003). Die Wahrscheinlichkeit für ein rezidivfreies Überleben nach 3 Jahren betrug 8% in der Nicht-HIPEC- und 17% in der HIPEC-Gruppe.
Zum Zeitpunkt der Analyse lebten insgesamt noch 44% der in die Studie aufgenommenen Frauen. Das mediane Gesamtüberleben war in der HIPEC-Gruppe mit 45,7 Monaten im Median fast ein Jahr länger als in der Gruppe ohne HIPEC mit 33,9 Monaten (HR 0,67, p=0,02). Die Wahrscheinlichkeit, nach 3 Jahren noch zu leben, betrug in der HIPEC-Gruppe 62% und in der Nicht-HIPEC-Gruppe 48%.
Längere OP-Dauer, längerer Klinikaufenthalt
Die Operation dauerte ohne HIPEC im Median 192 Minuten, mit HIPEC 338 Minuten. Die Rate an Nebenwirkungen war in beiden Gruppen ähnlich: 25% ohne HIPEC und 27% mit HIPEC litten an Grad-3/4-Nebenwirkungen. Am häufigsten waren Bauchschmerzen, Infektionen und Ileus. Bei den Parametern zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität konnten zwischen den beiden Gruppen keine Unterschiede festgestellt werden.
Die Patientinnen der HIPEC-Gruppe verbrachten im Median 10 Tage im Krankenhaus, davon einen Tag auf der Intensivstation; die Frauen der Nicht-HIPEC-Gruppe waren median 8 Tage in der Klinik. Der 2. Teil der Carboplatin/Paclitaxel-Behandlung begann im Median nach 30 Tagen in der Nicht-HIPEC und nach 33 Tagen in der HIPEC-Gruppe.
REFERENZEN:
1.Van Driel WJ, et al: NEJM 2018;378:230-240
2. Spriggs DR, et al: NEJM 2018;378:293-294
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Diesen Artikel so zitieren: Lebensverlängerung beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom durch hypertherme intraperitoneale Chemotherapie perioperativ - Medscape - 22. Jan 2018.
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