Das Darmmikrobiom – die Mikroorganismen, die den Darm bevölkern – entwickelt sich zu einem potenziellen ‚Biomarker‘, der das Ansprechen auf eine Immuntherapie prognostizieren kann. Und die Erkenntnis, dass Bakterien im Darm die Reaktion auf eine Immuntherapie beeinflussen, eröffnet faszinierende Möglichkeiten, das Mikrobiom zu manipulieren, um das Ansprechen zu verbessern.
Früher veröffentlichte Berichte hatten darauf hingedeutet, dass Patienten, die auf eine Immuntherapie ansprechen, ein Darmmikrobiom haben, das mit bestimmten Mikroorganismen angereichert ist. Auch neue Studien mit ähnlichen Befunden, die jetzt in Science erschienen sind, legen das nahe.
Diese Studien „zeigen, dass Patienten auf Grundlage der Zusammensetzung ihres Darmmikrobioms in Responder und Non-Responder einer Immuntherapie eingeteilt werden können. Und das deutet darauf hin, dass die Mikrobiota bei der Beurteilung der therapeutischen Intervention berücksichtigt werden sollte“, kommentiert Dr. Christian Jobin von der Abteilung für Infektionskrankheiten und Immunologie an der Universität von Florida, Gainesville, in einem Begleitartikel zu den Studien [1].
„Eine wichtige und klinisch relevante Frage ist, ob die Manipulation des Darmmikrobioms Patienten, die nicht auf eine Checkpoint-Blockade ansprechen, in Responder verwandeln könnte“, fügte er hinzu. Das ist in der Tat ein faszinierendes Thema.
Die Hauptautorin einer der Studien, Dr. Jennifer Wargo vom MD Anderson Cancer Center in Houston, Texas, betont: „Sie können Ihr Mikrobiom verändern, es ist wirklich nicht so schwierig, deshalb sind wir der Meinung, dass diese Erkenntnisse enorme neue Chancen eröffnen.“ [2]
Das Mikrobiom einer Person ist ein modifizierbarer Risikofaktor, der durch Diät, die Verwendung von Antibiotika oder Probiotika oder durch eine Stuhltransplantation gezielt beeinflusst werden kann, kommentiert auch Co-Studienleiter Dr. Vancheswaran Gopalakrishnan vom MD Anderson Cancer Center in einer Presseerklärung. Tatsächlich entwerfen die Forscher bereits eine klinische Studie, die eine Checkpoint-Blockade mit einer Modulation des Mikrobioms kombiniert.
Stuhlproben von Patienten mit Immuntherapie werden bereits gesammelt
Eine weitere Gruppe unter der Leitung von Dr. Thomas F. Gajewski von der Universität von Chicago, Illinois, hat bereits Stuhlproben von Krebspatienten, die mit einer Immuntherapie behandelt werden, gesammelt. Das Team isoliert darüber die Organismen, die eine bessere Response versprechen.
„Darüber hinaus starten wir einen Versuch, in welchem wir Bifido-Bakterien in Kapselform zusammen mit PD-1-Hemmern geben, um festzustellen, ob die Besiedlung der Darmmikroflora mit nützlichen Bakterien das Ansprechen auf die Therapie verbessert“, sagte Gajewski gegenüber Medscape.
Die Studie der Universität von Chicago zeigte, dass diejenigen Patienten mit metastasierendem Melanom, die auf die Immuntherapie gut ansprachen, ein Darmmikrobiom aufwiesen, das mit 8 Bakterienarten reichhaltig besiedelt war [3].
An dieser Studie nahmen 42 Patienten teil, die wegen eines metastasierenden Melanoms mit PD-1-Hemmern (n = 38) oder mit CTLA-4-Hemmern (n = 4) behandelt worden waren. Das klinische Ansprechen wurde verblindet aus der Biomarker-Analyse ermittelt. 16 Patienten sprachen auf die Therapie an und 26 nicht. Die Ansprechrate von 38% stimmte mit den veröffentlichten klinischen Daten zur Therapie mit PD-1-Inhibitoren beim metastasierenden Melanom überein.
Die Mikrobiomanalyse der vor Behandlungsbeginn entnommenen Stuhlproben wurde mittels Sequenzierung von 16S-ribosomaler RNA durchgeführt. Das Team identifizierte „Operational Taxonomic Units“ (operationale taxonomische Einheiten, OTUs) und verglich sie mit den 16S- Sequenzen der National Center for Biotechnology Information Database. Darüber hinaus führten die Forscher eine metagenomische Shotgun-Sequenzierung unter Einsatz der Spezies-spezifischen PCR für die Arten durch, die bestätigte Primer hatten.
Dabei zeigten die Responder eine Mikroflora, die reich war an Enterococcus faecium, Collinsella aerofaciens, Bifidobacterium adolescentis, Klebsiella pneumoniae, Veillonella parvula, Parabacteroides merdae, Lactobacillus species und B. longum. Non-Responder wiesen eine Mikroflora auf, in der Ruminococcus obeum und Roseburia intestinalis dominierten.
Die Forscher vergaben Punkte (günstig/ungünstig) für die Mikroflora eines jeden Patienten und stellten fest, dass ein Verhältnis (vorteilhaft/nicht vorteilhaft) von größer als 1,5 mit einem Ansprechen korrelierte.
Ein kausaler Zusammenhang wurde in einer Studie mit Mäusen festgestellt. Das Fäkalmaterial von Respondern und Non-Respondern wurde auf keimfreie Mäuse übertragen. Das beeinflusste das Tumorwachstum bei Mäusen mit Melanom: Schneller wachsende Tumoren wurden bei den Mäusen beobachtet, die fäkales Material von Non-Respondern erhalten hatten, und langsamer wachsende Tumoren wurden bei Mäusen festgestellt, denen fäkales Material von Respondern transplantiert worden war.
Darüber hinaus wirkten die PD-L1-Hemmer nur bei den Mäusen, die fäkales Material von Respondern erhalten hatten, nicht hingegen bei den Mäusen, denen Fäkalmaterial von Non-Respondern transplantiert worden war.
Studienleiter Gajewski sagte gegenüber Medscape, dass die Reaktionen auf die Immuntherapie zwar sehr spannend waren, gleichwohl aber Realität ist, dass die meisten Patienten nicht auf diese Medikamente ansprechen. „Obwohl das Ansprechen durch verschiedene Krebs-Signalwege oder vererbte Gene, die die Immunantwort regulieren, bestimmt wird, stellt die Darmflora – aus umweltbedingter Perspektive betrachtet – einen wichtigen Aspekt dar, der die Immunantwort von Individuen steuert“, bemerkte er.
„Als Biomarker für das Ansprechen auf eine Therapie scheint die Darmmikrobiota attraktiv zu sein“, sagte Gajewski. Er räumte ein, dass diese Beobachtungen in unabhängigen Datensätzen bestätigt werden müssen. „Wir sammeln prospektiv Stuhlproben von den meisten Krebspatienten, die mit PD-1-Hemmern in unserer Einrichtung behandelt werden“, fügte er hinzu.
Eine weitere Studie deutet auf andere Bakterien hin
In einer Studie des MD Anderson Cancer Centers, von der erstmals im vergangenen Jahr während einer Konferenz berichtet wurde, wurde eine andere Gruppe von Bakterien im Darmmikrobiom von Respondern gefunden [2]. In dieser Analyse waren Faecalibacterium-Spezies im Darm von Respondern angereichert; bei den Non-Respondern fanden sich hingegen vermehrt Bacteroides thetaiotaomicron und Escherichia coli.
Das Forscherteam hatte prospektiv Wangenabstriche und Stuhlproben von 112 Patienten mit metastasierendem Melanom gesammelt, die eine Therapie mit PD-1-Hemmern begonnen hatten. Mittels 16S-rRNA-Sequenzierung nahmen sie auch ein taxonomisches Profil von allen oralen und fäkalen Proben vor.
Daten von 89 Patienten deuten darauf hin, dass 54 Probanden ansprachen und 35 Patienten nicht ansprachen. Die Forscher konnten zeigen, dass die Mundflora nicht signifikant mit der Reaktion auf die PD-1-Inhibitoren assoziiert war, die Darmmikrobiota hingegen schon.
Von 30 Patienten, die auf die Therapie ansprachen, und 13, die nicht darauf ansprachen, war das progressionsfreie Überleben (PFS) bei den Patienten mit einer höheren Bakterienvielfalt am höchsten, verglichen mit Patienten, die eine intermediäre und niedrige Diversität aufwiesen. Das mediane PFS wurde in der Gruppe mit der höheren Diversität nicht erreicht; das PFS für die intermediäre und niedrige Diversität lag bei 232 Tagen bzw. 188 Tagen.
Antibiotika reduzieren den klinischen Nutzen
In einer weiteren Studie zeigten französische Forscher unter der Leitung von Dr. Bertrand Routy vom Gustave Roussy Cancer Campus in Villejuif, Frankreich, dass Patienten, die Antibiotika zur Behandlung von Infektionen während der Krebstherapie eingenommen hatten, schlechter auf PD-1-Hemmer angesprochen hatten [4]. Frühere Ergebnisse dieser Studie wurden auf einer Konferenz vorgestellt und damals von Medscape berichtet.
An dieser Studie nahmen Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (n = 140), Nierenzellkarzinom (n = 67) und Urothelkarzinom (n = 42) teil, die Checkpoint-Inhibitoren gegen PD-1 oder gegen PD-L1 erhalten hatten. Antibiotika waren ihnen aufgrund von Zahn-, Harnwegs- und Lungeninfektionen innerhalb von 2 Monaten vor oder 1 Monat nach Beginn der Krebsimmuntherapie verabreicht worden.
Im Vergleich mit Patienten aus der Gesamtkohorte und im Vergleich mit der Patientenkohorte für einzelne Tumorarten waren das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben bei Patienten, die Antibiotika eingenommen hatten, kürzer. In der gesamten Patientenkohorte lag das mediane Gesamtüberleben bei 20,6 Monaten für Patienten ohne Antibiotika, im Vergleich zu 11,5 Monaten für Patienten, die Antibiotika erhielten (p < 0,001). Bei Patienten mit Lungenkrebs lag das mediane Gesamtüberleben bei 15,3 Monaten versus 8,3 Monaten (p = 0,001).
Mittels metagenomischer Shotgun-Sequenzierung wurde die Darmmikrobiota – mehr als 20 Millionen kurze DNA-Abschnitte je Stuhlprobe – analysiert und mit einem 9,9-Millionen-Gen-Referenzkatalog verglichen. Die so erfassten Arten, die mit einem Ansprechen korrelierten, wurden als ‚Barcodes‘ für jeden Patienten angezeigt. Akkermansia muciniphila tauchte als die Spezies auf, die bei Patienten mit einem günstigen klinischen Ergebnis reichlich vorhanden war.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Mikrobiom die Reaktion des Immunsystems bei Krebs reguliert, und dass dies neue Wege für die Manipulation des Ökosystems Darm bietet, um die primäre Resistenz gegen Immun-Checkpoint-Inhibitoren zu umgehen“, schließen die Autoren.
Implikationen für die Therapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren
In seinem Begleitartikel fragt sich Jobin, ob diese Erkenntnisse über die Beziehung zwischen Darmmikrobiom und Krebsimmuntherapie letztlich „in neue Therapeutika übersetzt“ werden können.
Er stellt den Erfolg von Stuhltransplantationen in einem anderen Bereich heraus: Auf die Transplantation von fäkaler Mikrobiota von gesunden Spendern sprechen 90% der Patienten mit rezidivierenden Clostridium-difficile-Infektionen an – eine der Hauptursachen für Antibiotika-bedingte Diarrhoe.
„Es könnten synthetische Mikrobengemeinschaften zusammengestellt werden, um das Ansprechen von Patienten auf eine Immuntherapie zu optimieren“, schlägt Jobin vor.
Allerdings stellt er auch fest, dass keine universelle Bakterienart dem Ansprechen auf die Therapie zugrunde liegt. Denn jede dieser 3 Studien hatte eine andere Gruppe von Bakterien identifiziert. Doch die unterschiedlichen Beobachtungen könnten mit der Krebsart oder der Patientenpopulation zusammenhängen, betonte er.
Gajewski merkte außerdem an, dass sich die Methode der Einteilung von Patienten in Responder und Non-Responder sowohl in den Studien als auch in den Analysemethoden unterschied. „Deshalb sollte der direkte Vergleich der Spezies, die in den Studien identifiziert wurden, mit Vorbehalt betrachtet werden“, sagte er.
„Um dieses Phänomen vollständig zu verstehen, werden detaillierte Kausalstudien dazu notwendig sein, wie Bakterien das Tumormikromilieu erneuern können“, schloss Jobin.
Dieser Artikel wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
REFERENZEN:
1. Jobein C: Science 2018;359:32-34
2. Gopalakrishnan V, et al: Science 2018;359:97-103
3. Matson V, et al: Science 2018;359:104-108
4. Routy B, et al: Science 2018;359:91-97
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Diesen Artikel so zitieren: Darmbakterien als Biomarker: Lässt sich über das Mikrobiom das Ansprechen auf eine Immuntherapie bei Krebs beeinflussen? - Medscape - 22. Jan 2018.
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