Multiple Nahrungsmittel-Allergien: Asthmamittel Omalizumab erleichtert die Immunisierung und macht sie sicherer.

Veronica Hackethal

Interessenkonflikte

3. Januar 2018

Eine Kombination des Asthma-Medikaments Omalizumab mit einer oralen Immuntherapie vermag Geschwindigkeit, Wirksamkeit und Sicherheit von Desensibilisierungen bei Kindern mit multiplen Nahrungsmittelallergien zu steigern. Dies zeigt eine neue Studie.

Die Pilotstudie ist die erste doppelblinde randomisierte kontrollierte Phase-2-Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit von Omalizumab als Ergänzung zu einer oralen Immuntherapie bei Kindern mit zahlreichen Nahrungsmittelallergien. Die Ergebnisse sind in The Lancet Gastroenterology & Hepatology publiziert worden [1].

„Die Studie zeigte signifikante Verbesserungen der Wirksamkeit und Sicherheit bei Patienten, die mit Omalizumab und einer oralen Immuntherapie behandelt worden waren“, teilt Dr. Kari Nadeau, Direktor des Parker Center und Professor für Pädiatrie an der Stanford University in Palo Alto, USA, in einer Presseerklärung mit. „Multiallergiker haben ein viel höheres Risiko für eine anaphylaktische Reaktion, da sie auf mehrere Nahrungsmittel reagieren und Omalizumab lässt den Therapieverlauf sicherer und rascher vonstatten gehen.“

Etwa 30% der Personen mit einer Allergie reagieren auf verschiedenen Nahrungsmittel, wodurch sie einem erhöhten Risiko für lebensgefährliche oder gar tödliche Reaktionen ausgesetzt sind. Die orale Immuntherapie bedeutet die tägliche Einnahme kleiner Proteinmengen des auslösenden Nahrungsmittels bei zunehmender Dosiserhöhung mit dem Ziel einer Toleranzentwicklung. Die orale Immuntherapie zur Allergiebehandlung bei einzelnen Nährstoffen wurde in vielen Studien evaluiert. Da dieses Vorgehen jedoch allergische Reaktionen auslösen kann, ist es bei mehrfachen Allergien riskanter. Deshalb wurden in dieser Population bislang nur wenige Studien durchgeführt.

Durch Omalizumab (Xolair®, Novartis/Genentech) kann sich diese Situation jetzt verbessern. Der humane monoklonale Antikörper senkt die Menge der zirkulierenden IgE und dämpft zudem ihre Aktivität bei einer stimulierten allergischen Reaktion.

 
Die Studie zeigte signifikante Verbesserungen der Wirksamkeit und Sicherheit bei Patienten, die mit Omalizumab und einer oralen Immuntherapie behandelt worden waren. Dr. Kari Nadeau
 

Allerdings betonten die Autoren, dass weitere Untersuchungen erforderlich seien, bevor diese Kombination in der klinischen Praxis Anwendung finden könne. „Diese vielversprechenden Ergebnisse können nur der Anfang sein. Eines Tages könnte durch diese Therapiekombination eine sichere Desensibilisierung der Trigger-Nährstoffe bei Kindern mit multiplen Nahrungsmittelallergien möglich sein“, so die Leiterin der Studie Dr. Sharon Chinthrajah, die ebenfalls an der Stanford University arbeitet, in einer Pressemitteilung.

48 Kinder mit multiplen Nahrungsmittelallergien

Die Studie umfasste 48 Kinder zwischen 4 und 15 Jahren mit multiplen Nahrungsmittelallergien, was in entsprechenden oralen Provokationstests, dem Goldstandard zur Diagnose von Nahrungsmittelallergien, bestätigt wurde.

Die Untersucher wiesen die Teilnehmer zufällig 2 Gruppen zu, die entweder über 16 Wochen Omalizumab (36 Kinder) oder ein Placebo (12 Kinder) erhielten. 8 Wochen nach Beginn der Injektionen begannen die Kinder mit einer oralen Immuntherapie mit 2 bis5 ihrer persönlichen Trigger-Nährstoffe. Dazu gehörten Cashew-Kerne, Walnüsse, Haselnüsse, Mandeln, Sesam, Kuhmilch, Hühnereier, Erdnüsse, Soja und Weizen. Die Dosierungen wurden im Laufe der Zeit bis zu einer gleichbleibenden Höchstmenge von 2 g pro Nährstoff oder der Menge, die gewöhnlich bei einer durchschnittlichen Portion aufgenommen wird, weiter erhöht.

Nach dem Absetzen von Omalizumab oder Placebo erhielten die Kinder weiterhin eine orale Immuntherapie für 20 weitere Wochen, nach denen sie sich einem Provokationstest unterzogen.

Therapie bei 83 Prozent der Kinder erfolgreich

In der 36. Woche tolerierten 83% der mit Omalizumab zusätzlich behandelten Kinder eine Nahrungsmittel-Provokation von 2 g des Proteins ihrer mindestens 2 Trigger-Nahrungsmittel im Vergleich zu 33% der mit einem Placebo behandelten Kinder. Die Chancen einer Toleranzentwicklung waren unter Omalizumab 10-mal größer als unter Placebo (Odds Ratio: 10,0; 95%-Konfidenzintervall: 1,8–58,3; p = 0,0044).

Dieselben Kinder, die 2 g ihrer Trigger-Nährstoffe vertragen hatten, tolerierten auch 4 g oder einen durchschnittliche Portion (z.B. etwa 1 Esslöffel Erdnussbutter). Dieses Ergebnis sei bemerkenswert, so die Autoren, weil der problemlose Verzehr einer durchschnittlichen Menge wichtig für die Ernährung und die Lebensqualität sei.

 
Eines Tages könnte durch diese Therapiekombination eine sichere Desensibilisierung der Trigger-Nährstoffe bei Kindern mit multiplen Nahrungsmittelallergien möglich sein. Dr. Sharon Chinthrajah
 

Omalizumab scheint die Desensibilisierung zudem zu beschleunigen. Die Kinder der Omalizumab-Gruppe erreichten ihre Erhaltungsdosis nach 12 Wochen, die Kinder der Placebogruppe nach 20 Wochen.

Zudem schien die Einnahme von Omalizumab die Sicherheit der oralen Immuntherapie zu verbessern. In der 8. bis16. Woche der Nährstoffprovokation plus Omalizumab oder Placebo waren die meisten Nebenwirkungen gastrointestinale Störungen, die bei Placebogabe signifikant häufiger (54%) auftraten als in der Omalizumab-Gruppe (22%; p = 0,044). Auch Nebenwirkungen an den Atemwegen waren unter Omalizumab signifikant seltener (0%) als unter Placebo (1%; p = 0,023). Keines der teilnehmenden Kinder erlitt einen anaphylaktischen Schock oder andere schwerere Nebenwirkungen.

Wie lang hält die Toleranz an?

„Die Patienten und ihre Familien zeigen sich sehr dankbar“, sagt Chinthrajah, „Sie können ihren Speiseplan erweitern und leichter an sozialen Aktivitäten teilhaben, ohne sich Sorgen um allergische Reaktionen machen zu müssen. Die Kinder sagen dann Dinge wie: ‚Ich muss endlich nicht mehr am Allergenfrei-Tisch sitzen‘ oder ‚Jetzt kann ich wieder mit meinen Freunden zusammensitzen‘. Diese scheinbar kleinen Dinge, die für andere selbstverständlich sind, können für die Betroffenen eine soziale Eintrittskarte sein.“

In einem Kommentar zeigte Dr. Lars Poulsen vom Kopenhagen University Hospital Gentofte im dänischen Hellerop allerdings die Grenzen der Studie auf. Am wichtigsten erscheint ihm, dass die Studie nicht evaluieren konnte, ob die Toleranzentwicklung über einen längeren Zeitraum fortbestand. Allerdings erwähnten die Autoren, dass sie planten, weitere Studien durchzuführen, um dieses Manko auszugleichen.

Poulsen hält die Studie dennoch für beachtenswert. „Durch den Einschluss von Teilnehmern mit einem hohen Sensibilisierungslevel … widmet sich die Studie den am stärksten betroffenen Personen und somit der am schwersten zu behandelnden Subpopulation der Nahrungsmittelallergiker“, betonte er.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www. medscape.com  übersetzt und adaptiert.

 

REFERENZEN:

1. Andorf S, et al: The Lancet Gastroenterology & Hepatology (online) 11. Dezember 2017

 

Kommentar

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