Von der letzten Chance zur ersten Wahl: Daratumumab mausert sich zur Erstlinientherapie beim multiplen Myelom

Roxanne Nelson

Interessenkonflikte

22. Dezember 2017

Atlanta – Der neuartige monoklonale Antikörper Daratumumab (Darzalex,®, Janssen) wird bereits bei Patienten mit multiplem Myelom eingesetzt, deren Krankheit unter einer anderen Therapie progredient war. Doch nun ist er an die vorderste Therapiefront gerückt. Laut neuer Studienergebnisse bessert er auch den Krankheitsverlauf bei Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom, die nicht für eine Knochenmarktransplantation in Frage kommen. Er wird dann in Kombination mit einer Triple-Therapie eingesetzt.

In der Phase-3-Studie ALCYONE war unter Daratumumab, kombiniert mit Bortezomib (Velcade®, Millennium), Melphalan und Prednison (abgekürzt D-VMP), das Risiko für Krankheitsprogression oder Tod um 50% gesenkt im Vergleich zu einer Triple-Therapie ohne den Antikörper.

„In dieser ersten randomisierten Phase-3-Studie mit einem monoklonalen Antikörper bei neu diagnostiziertem multiplem Myelom hat D-VMP zu einem signifikant tiefgreifenderem Ansprechen geführt. Und auch der Anteil von MRD-negativen Patienten hat sich um mehr als das 3-fache erhöht“, sagte Studienautor Dr. Jesus F. San-Miguel von der Clínica Universidad de Navarra-CIMA, IDISNA, Pamplona, Spanien, bei der Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) 2017 in Atlanta [1].

„Es zeigten sich auch keine neuen Sicherheitssignale, mit Ausnahme einer höheren Anzahl an Infektionen, doch die lassen sich beherrschen“, sagte er. Die Ergebnisse wurden zeitgleich im New England Journal of Medicine publiziert [2].

Daratumumab mausert sich zur Erstlinientherapie

Daratumumab ist erstmals 2015 von der US-amerikanischen Food and Drug Administration für Patienten mit Multiplem Myelom zugelassen worden. Dies für Patienten, die mindestens 3 andere medikamentöse Therapien ausprobiert hatten. Es handelte sich um den ersten monoklonalen Antikörper zur Therapie dieser Erkrankung.

Ein Jahr später, im Jahr 2016, erweiterte die FDA die Indikation und genehmigte Daratumumab in Kombination mit Lenalidomid (Revlimid®, Celgene) und Dexamethason oder mit Bortezomib und Dexamethason für Patienten mit Myelom, die mindestens eine vorherige Therapie erhalten hatten.

 
… dies ist die erste Studie, die es als Mittel für die Primärtherapie bei neu diagnostizierten Patienten untersucht hat. Prof. Dr. Ajai Chari
 

„Daratumumab wurde zwar für den Einsatz bei Patienten mit rezidivierendem und refraktärem Multiplem Myelom untersucht und zugelassen, doch dies ist die erste Studie, die es als Mittel für die Primärtherapie bei neu diagnostizierten Patienten untersucht hat“, sagte Prof. Dr. Ajai Chari, Direktor der klinischen Forschung im Programm für multiple Myelome am Mount Sinai Health System, New York City.

Patienten ohne Aussicht auf Transplantation

Die ALCYONE-Studie ist eine multizentrische Studie. Sie findet an 25 Zentren weltweit mit 706 Patienten mit neu diagnostiziertem Myelom statt, die nicht für eine Transplantation infrage kommen, etwa weil sie weitere Erkrankungen haben oder über 65 Jahre alt sind.

Die Patienten wurden zu VMP oder D-VMP randomisiert. Alle Patienten erhielten 9 Zyklen VMP: Bortezomib 1,3 mg/m2 sc 2-mal wöchentlich für den 1. Zyklus und dann 1-mal wöchentlich für 8 Zyklen; 9 mg/m2 Melphalan oral an den Tagen 1 bis 4 und Prednison 60 mg/m2 an den Tagen 1 bis 4.

Die Patienten, die D-VMP zugeordnet worden waren, erhielten auch Daratumumab 16 mg/kg iv 1-mal für Zyklus 1, dann alle 3 Wochen für die Zyklen 2 bis 9 und alle 4 Wochen für die Zyklen 10 und darüber hinaus (Post-VMP-Behandlungsphase) bis zum Fortschreiten der Erkrankung.

Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Gesamtansprechrate (ORR), ein sehr gutes partielles Ansprechen (VGPR), die komplette Ansprechrate (CRR), die Rate MRD-negativer Patienten (mittels clonoSEQ Assay), das Gesamtüberleben und die Sicherheit.

Studie erreichte alle Endpunkte

Bei einer medianen Nachbeobachtung von 16,5 Monaten betrug die Hazard Ratio für das progressionsfreie Überleben PFS (D-VMP vs. VMP) 0,50 (p < 0,0001), was eine 50%ige Reduktion des Progressions- oder Todesrisikos für die D-VMP-Kohorte darstellt, wie San-Miguel erklärte.

Die mittlere PFS wurde in der D-VMP-Gruppe (mit bis zu 27 Monaten Nachbeobachtung) nicht erreicht, gegenüber 18,1 Monaten in der VMP-Gruppe. Diese Befunde waren konsistent in allen vordefinierten Untergruppen, auch für Patienten, die 75 Jahre alt oder älter waren und Patienten mit Hochrisiko-Zytogenetik.

Alle sekundären Endpunkte waren ebenfalls unter D-VMP signifikant besser: Die Gesamtansprechrate (ORR) betrug 90,9% versus 73,9%, die Rate der VGPR 71,1% versus 49,7%, die komplette Response-Rate CRR 42,6% versus 24,4% und die Rate MRD-negativer Patienten 22,3% versus 6,2% (alle p < 0,0001). Die Daten für das Gesamtüberleben liegen noch nicht komplett vor, aber bis heute sind 93 Patienten gestorben (45 in der D-VMP-Gruppe und 48 in der VMP-Gruppe).

Die häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen (Grad 3 und 4) bei D-VMP versus VMP waren Neutropenie (39,9% vs 38,7%), Thrombozytopenie (34,4% vs 37,6%), Anämie (15,9% vs 9,8%) und Lungenentzündungen (11,3% vs 4,0%; ein Patient in jeder Gruppe stellte die Behandlung wegen Lungenentzündung ein).

 
Diese Studie beantwortet nicht, ob die 4-fachtherapie die Transplantation ersetzen kann, denn die Teilnehmer dieser Studie waren nicht transplantierbar. Prof. Dr. Ajai Chari
 

San-Miguel wies darauf hin, dass Studien laufen, in denen Daratumumab in Kombination mit anderen Wirkstoffen getestet wird, darunter die Phase-3-Studien MAIA und CASSIOPEIA sowie die Phase-2-Studie GRIFFIN.

Obwohl manche Patienten eventuell die medikamentöse Therapie einer Knochenmark-Transplantation vorziehen, gehe es in der Studie nicht um diese Frage, betonte Chari. „Diese Studie beantwortet nicht, ob die 4-fachtherapie die Transplantation ersetzen kann, denn die Teilnehmer dieser Studie waren nicht transplantierbar“, erinnerte er und forderte: „Es fehlt eine solche Studie, die klärt, ob eine 4-fachtherapie eine Alternative zur Transplantation sein kann.“

Dieser Artikel wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.



REFERENZEN:

1. Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH), 9. bis 12. Dezember 2017, Atlanta/USA

2. Mateos MV, et al: NEJM (online) 12. Dezember 2017

Kommentar

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