Die neuen (direkten) oralen Antikoagulanzien (NOAK) oder herkömmliche Vitamin-K-Antagonisten wie Warfarin – welche Medikamente sind zur Prävention von Schlaganfällen bei Patienten mit Vorhofflimmern besser geeignet? Diese Frage hat Dr. José A. López von der University of Bristol versucht, auf Basis einer Literaturübersicht und einer Netzwerk-Metaanalyse zu beantworten [1]. Seine Antwort: Die NOAK sind in vielen Aspekten mindestens so gut oder sogar besser als Warfarin: Unter ihnen sind das Blutungsrisiko und die Sterblichkeit niedriger.
Aus einer Kosten-Effektivitäts-Analyse folgert López-López, dass trotz ihres höheren Preises NOAK in vielen Fällen gegenüber Warfarin zu bevorzugen seien. Den größtmöglichen Mehrwert hat laut seiner Analyse Apixaban (5 mg, zweimal täglich eingesetzt), gefolgt von Rivaroxaban (20 mg, einmal täglich), Edoxaban (60 mg, einmal täglich) und Dabigatran (150 mg, zweimal täglich).
Die erste Analyse mit Prioritäten-Liste
„Bislang gab es keine andere Studie, bei der randomisierte kontrollierte Studien analysiert, direkte und indirekte Vergleiche gezogen, Aspekte der Kosteneffektivität untersucht und zuletzt eine Liste mit Prioritäten erstellt wurde“, kommentiert Dr. Jocasta Ball vom Baker Heart and Diabetes Institute im australischen Melbourne [2]. Sie weist auf eine weitere Besonderheit hin: Vertreter von 2 Patientenorganisationen seien in alle Schritte der Arbeit mit eingebunden worden. Dies sei vor allem hinsichtlich patientenrelevanter Outcomes wichtig.
Gleichzeitig warnt Ball, die neue Arbeit als alleinige Entscheidungsgrundlage für Therapien heranzuziehen: „Vielmehr sollten Ärzte die Präferenzen von Patienten, aber auch Faktoren wie das Alter oder individuelle Risikofaktoren berücksichtigen.“ Dazu gehören Kontraindikationen wie Nierenerkrankungen.
„In manchen Fällen bleibt Warfarin das effektivste Arzneimittel“, gibt sie zu bedenken. „Ein Antikoagulans allein wird nie alle Bedürfnisse erfüllen.“ Sie ergänzt: „Jetzt brauchen Ärzte und Patienten klare Richtlinien, welche NOAK als Erst-, Zweit- oder Drittlinien-Therapie eingesetzt werden sollten und wann andere Pharmaka inklusive Warfarin besser geeignet sind.“
Eine Wirkstoffklasse – unterschiedliche Eigenschaften
Anhaltspunkte für eine solche Prioritätenliste liefert die Arbeit von López-López. Er hat zusammen mit seinen Kollegen in der Literatur nach Veröffentlichungen zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern gesucht. Das Team identifizierte 23 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 94.656 Patienten. Bei 13 Arbeiten verglichen Wissenschaftler ein NOAK mit Warfarin, um INR-Zielwerte zwischen 2,0 und 3,0 einzustellen. Die Ergebnisse im Überblick:
Das Risiko eines Schlaganfalls oder einer systemischen Embolie war im Vergleich zu Warfarin signifikant niedriger unter Apixaban 5 mg zweimal täglich (Odds Ratio 0,79), Dabigatran 150 mg zweimal täglich (OR 0,65), Edoxaban 60 mg einmal täglich (OR 0,86) und Rivaroxaban 20 mg einmal täglich (OR 0,88).
Das Risiko eines Schlaganfalls oder einer systemischen Embolie war im Vergleich zu Dabigatran höher unter Edoxaban (OR 1,33) und Rivaroxaban (OR 1,35).
Die Gesamtmortalität war bei allen NOAK niedriger als bei Warfarin.
Das Risiko schwerer Blutungen war im Vergleich zu Warfarin unter Apixaban 5 mg zweimal täglich (OR 0,71), Dabigatran 110 mg zweimal täglich (OR 0,80), Edoxaban 30 mg einmal täglich (OR 0,46) und Edoxaban 60 mg einmal täglich (OR 0,78) reduziert.
Das Risiko schwerer Blutungen war zudem unter Dabigatran 150 mg zweimal täglich höher als unter Apixaban 5 mg zweimal täglich (OR 1,33), unter Rivaroxaban 20 mg einmal täglich höher als unter Apixaban 5 mg zweimal täglich (OR 1,45) und unter Rivaroxaban 20 mg einmal täglich höher als unter Edoxaban 60 mg einmal täglich (OR 1,31).
Intrakranielle Blutungen traten unter NOAK generell seltener auf, während gastrointestinale Blutungen häufiger waren.
López-López hat im nächsten Schritt eine Kosten-Effektivitäts-Analyse durchgeführt. Auf Basis der vorliegenden Studien stellte er Surrogat-Parameter (wie INR-Zielwerte) patientenrelevanten Outcomes (wie Lebensqualität, Morbidität, Mortalität und Arzneimittelpreise) gegenüber. Zu den Hauptkosten bei Warfarin gehört die regelmäßige Überwachung von Patienten.
Sein Fazit hier ist das eingangs genannte Ranking: Auch wenn sie teurer seien, seien NOAK in vielen Fällen dem Warfarin vorzuziehen, wobei Apixaban (5 mg, zweimal täglich) den größten Mehrwert biete, gefolgt von Rivaroxaban (20 mg, einmal täglich), Edoxaban (60 mg, einmal täglich) und Dabigatran (150 mg, zweimal täglich). López-López ergänzt: „Die Kosten der Antikoagulation mit NOAK können stark reduziert werden, sobald generische Wirkstoffe verfügbar sind.“
Stärken und Schwächen der Analyse
López-López schreibt, zu den Stärken seiner Arbeit gehörten die „umfassende Erfassung aktueller Forschungsergebnisse“, die „sorgfältige Beurteilung der Studienqualität“, der „Fokus auf klinisch relevante Endpunkte“ sowie „statistische Analysen, die Vergleiche zwischen NOAK und Warfarin erlauben“.
Mögliche Schwachpunkte seien vor allem in den Primärdaten zu finden. Mit den vorliegenden randomisierten kontrollierten Studien war es Forschern nicht gelungen, alle NOAK einander gegenüberzustellen. Das lag an unterschiedlichen Endpunkten, aber auch unterschiedlichen Patientencharakteristika. „Eine direkte Studie, bei der verschiedene NOAK verglichen werden, könnte bessere Informationen zur der relativen Wirksamkeit und Sicherheit liefern“, heißt es im Artikel.
Auch die Kosten-Effektivitäts-Analyse habe möglicherweise Verzerrungen: „Ältere Patienten und solche mit mehreren Komorbiditäten, die möglicherweise ein höheres Blutungsrisiko haben als jüngere Patienten mit weniger Komorbiditäten, wurden aus vielen Studien ausgeschlossen“, berichtet López-López.
Er will nicht ausschließen, dass Patienten im klinischen Alltag andere Vorerkrankungen haben als in den untersuchten randomisierten kontrollierten Studien. Und nicht zuletzt ließen sich Aussagen zur Langzeitsicherheit von NOAK erst treffen, wenn die Wirkstoffe bei großen Patientenpopulationen häufiger eingesetzt würden.
REFERENZEN:
1. López-López JA, et al: BMJ (online) 28. November 2017
2. Ball J: BMJ (online) 28. November 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Schlaganfall-Prävention bei Vorhofflimmern: Große Analyse erstellt Ranking zu NOAK und Warfarin – „and the winner is…“ - Medscape - 5. Dez 2017.
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