Gesunder Kaffee-Genuß – umfassende Übersicht über die publizierte Evidenz attestiert dem Heißgetränk vielfältigen Nutzen

Julia Rommelfanger

Interessenkonflikte

4. Dezember 2017

Britische Forscher liefern einen weiteren Nachweis dafür, dass Kaffeetrinken gesund ist. Wer 3 bis 4 Tassen am Tag zu sich nimmt, kann eine ganze Reihe von Krankheitsrisiken positiv beeinflussen und hat zudem ein geringeres Sterberisiko als Kaffee-Abstinenzler, so die Erkenntnis aus einer großen Übersichtsarbeit, in der mehr als 200 Meta-Analysen zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Kaffeekonsums zusammengefasst worden sind.

Kaffeetrinken „fördert die Gesundheit mehr als dass es ihr schadet“, schlussfolgert das Autorenkollektiv um Dr. Robin Poole, University of Southampton und Southampton General Hospital, UK und Kollegen im British Medical Journal [1]. Insbesondere stehe der Kaffeekonsum mit einem geringeren allgemeinen und kardiovaskulären Mortalitätsrisiko sowie mit geringeren Risiken für Herz, Krebs- und Lebererkrankungen sowie Demenz in Zusammenhang.

Prof. Dr. Johannes Georg Wechsler

Die Erkenntnisse der britischen Forscher seien in keiner Weise überraschend, sondern decken sich mit den jahrzehntelangen Erkenntnissen zum Kaffeekonsum, sagt Prof. Dr. Johannes Georg Wechsler, Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie in München und Präsident des Bundesverbands der Ernährungsmediziner (BDEM), gegenüber Medscape. „Trotzdem braucht es derartige Übersichtsarbeiten, um Ergebnisse von Kaffeestudien, die fast immer ‚offen‘ sind und auf subjektiven Angaben basieren, zusammenzuführen und nachzubetrachten. Ich würde aber kein einzelnes Outcome auf die Goldwaage legen“, ergänzt er.

Obwohl die britischen Forscher eine „umfassende Übersicht über die bislang publizierte Evidenz zu Kaffee und menschliche Erkrankungen“ liefern, sei sie nicht dazu geeignet, Schlüsse über die gesamtgesundheitlichen Auswirkungen des Heißgetränks zu ziehen, kommentiert Dr. Krasimira Aleksandrova, Leiterin des Start-up-Labs Ernährung, Immunität und Metabolismus (EIM) am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke, gegenüber Medscape. „Die Erkrankungen fallen unterschiedlich stark ins Gewicht, das heißt, dass manche häufiger und bei mehr Studienteilnehmern untersucht worden sind als andere“, erklärt sie.

Viele Krankheitsrisiken deutlich gesenkt

Am deutlichsten zeigte sich der Zusammenhang zwischen Kaffeegenuss und Gesundheit bei einer Trinkmenge von 3 bis 4 Tassen am Tag, mit einem um 17% reduzierten allgemeinen und um 19% reduzierten kardiovaskulären Mortalitätsrisiko, im Vergleich zu Kaffee-Abstinenzlern, so eine der wichtigsten Erkenntnisse aus insgesamt 201 Meta-Analysen, die Daten aus Beobachtungsstudien zu 67 unterschiedlichen Gesundheitsaspekten enthielten, sowie 17 Meta-Analysen zu klinischen Interventionen zu Blutdruck, Blutfetten und Schwangerschaft.

Ein weiteres Ergebnis dieses so genannten „Umbrella-Reviews“: Der Konsum von 3 bis 5 Tassen am Tag ging einher mit den niedrigsten Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, koronare Herzerkrankung (KHK) und Schlaganfällen. Diejenigen, die koffeinhaltigen Kaffee tranken, erkrankten außerdem weniger häufig an unterschiedlichen Krebsarten, darunter Prostata-, Haut und Leberkrebs. Hoher versus niedriger Kaffeekonsum reduzierte das Risiko einer Krebserkrankung insgesamt um 18%.

Besonders günstig scheint sich der Verzehr des Heißgetränks auf Lebererkrankungen auszuwirken. Kaffeetrinker konnten ihr Risiko einer nicht-alkoholischen Fettleber um 29%, das einer Leberfibrose um 27% und das eine -zirrhose um 39% senken. Kaffee mit und ohne Koffein wirkte sich außerdem positiv auf Parkinson, Alzheimer und Depression aus.

 
Ich würde aber kein einzelnes Outcome auf die Goldwaage legen. Prof. Dr. Johannes Georg Wechsler
 

In den Beobachtungsstudien hatten Vieltrinker ein um 30% niedrigeres Typ-2-Diabetes-Risiko. Das eines metabolischen Syndroms war um 9% geringer. Allerdings zeichneten die randomisierten Studien ein anderes Bild, mit Anstiegen von Gesamtcholesterin und Triglyceriden in den Kaffee-Studiengruppen. „Es überrascht, dass Kaffeetrinken trotz des protektiven Effekts in Beobachtungsstudien in den randomisierten Studien mit einem schlechteren metabolischen Profil einherging, insbesondere mit erhöhten Lipidwerten“, sagt Aleksandrova. Das werfe Fragen auf über die Qualität beider Studienarten.  

Mehr Schwangerschaftsrisiken und Brüche

Negative Effekte zeigten sich fast ausschließlich bei Schwangeren. Hoher Kaffeekonsum in der Schwangerschaft ging mit Fehl- oder Frühgeburten sowie niedrigem Geburtsgewicht einher. Es sei bekannt, dass sich die Halbwertzeit des Koffeins in der Schwangerschaft verdopple. Daher sei die Koffeindosis pro Tasse höher als außerhalb der Schwangerschaft, erklären die Autoren hierzu.

Koffein könne zudem leicht in die Plazenta gelangen und die Aktivität des Enzyms CYP1A2 zur Metabolisierung des Koffeins sei beim Fetus noch sehr niedrig, was zu einer verlängerten Koffein-Exposition führe.

Bei weiblichen Kaffeetrinkern, nicht jedoch bei männlichen, zeigte sich ein um 14% erhöhtes Frakturrisiko. Koffein wirke sich möglicherweise auf die Kalziumabsorption und die Mineraldichte der Knochen aus, so Poole und Kollegen. Eventuell seien in den Beobachtungsstudien zum Frakturrisiko wichtige Einflussfaktoren wie Body-Mass-Index, Kalziumzufuhr oder Rauchen nicht berücksichtigt worden, geben sie zu bedenken. Der festgestellte Zusammenhang bliebe so „ungeklärt“ und müsse in weiteren Studien, etwa einer Mendelschen Randomisierung, untersucht werden.

Schließe man Schwangere und Frauen mit hohem Frakturrisiko aus, „scheint Kaffeegenuss innerhalb der gewöhnlichen Trinkmengen sicher zu sein“ – daher könne auch über eine randomisierte „Coffee-Treatment-Studie“ nachgedacht werden, schlagen Poole und Kollegen vor. Denn bislang stammen Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und unterschiedlichen Krankheits- und Mortalitätsrisiken fast ausschließlich aus Beobachtungsstudien und seien daher im Vergleich zur Evidenz aus randomisierten qualitativ minderwertig, argumentieren die Autoren. Etwa sei nicht in allen Studien eine Anpassung an Einflussfaktoren wie Rauchen erfolgt.

Ernährungsmediziner Wechsler führt zudem die „relativ schwachen Risikoreduktionen“ aus den Beobachtungsstudien an. „Die meisten Outcomes erreichen keine hohe Signifikanz, häufig ist nur ein positives Trend erkennbar“, kritisiert er. Zudem spiele der Lebensstil der Kaffeetrinker, der sich etwa von dem von Biertrinkern unterscheide, eine Rolle, die wahrscheinlich nicht ausreichend berücksichtigt wurde. „Bei fast allen Studien zeigt Kaffee in moderaten Mengen eher positive als negative Auswirkungen – jedoch wurden diese wahrscheinlich durch eine Lifestyle-Selektion getriggert“, vermutet er.

Ärzte sollten trotzdem nicht zu Kaffee raten

Obwohl davon auszugehen sei, dass Kaffeetrinker keinen gesundheitlichen Schaden nehmen, sollten Ärzte Patienten nicht zum Kaffeetrinken raten, um Krankheiten zu verhindern, warnt Prof. Dr. Eliseo Guallar, Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health, Baltimore, USA, in einem Editorial [2]. Man wisse einfach immer noch nicht, ob sich Kaffee wirklich positiv auf Mortalität und Krankheitsrisiken auswirke. „Viele andere positive wie negative Einflussfaktoren könnten bei den relativ schwachen Zusammenhängen eine Rolle spielen“, gibt er zu bedenken.

 
Es überrascht, dass Kaffeetrinken trotz des protektiven Effekts in Beobachtungsstudien in den randomisierten Studien mit einem schlechteren metabolischen Profil einherging, insbesondere mit erhöhten Lipidwerten. Dr. Krasimira Aleksandrova
 

Auch Wechsler würde Teetrinkern nicht zum Kaffee raten – oder umgekehrt. „Wer gerne Kaffee trinkt, darf das in Maßen gerne weiter tun“, sagt er. Jedoch sei eine Umstellung der Gewohnheiten, um etwa vom Abstinenzler zum Kaffeetrinker zu werden, nicht ratsam. Genauso wenig sei die Aufnahme des Wachmachers in die Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) vorgesehen, da es sich nicht um ein Grundnahrungs-, sondern ein Genussmittel handle.

Hinsichtlich der genauen Wirkungsweise von Kaffee bzw. seiner mehr als 1.000 bioaktiven Komponenten, darunter Koffein, das Antioxidans Chlorogensäure und die Diterpene Cafestol und Kahweol, herrsche auch nach dem Auswerten der mehr als 200 Meta-Analysen keine Klarheit, bemerken die britischen Wissenschaftler.

Potenziell therapeutisch wirkende antioxidative, anti-inflammatorische oder antifibrotische Auswirkungen dieser Komponenten machen die gesundheitlichen Zusammenhänge aus epidemiologischen Studien biologisch plausibel, erklären sie. Jedoch können ihrer Ansicht nach nur randomisierte Studien das Potenzial von Kaffee zur Prävention bestimmter Erkrankungen genau herausarbeiten.

Braucht es eine „Coffee-treatment-Studie“?

Eine solche randomisierte kontrollierte Untersuchung sei notwendig, „um herauszufinden, ob die wichtigsten beobachteten Zusammenhänge kausaler Natur sind“, schreiben die Autoren. Insbesondere die Auswirkungen von Kaffeekonsum auf Lebererkrankungen sollte interventionell getestet werden, fordern sie, da Kaffeetrinker in der aktuellen Analyse ein besonders niedriges Risiko für diese Erkrankungen aufwiesen.

Wechsler bezweifelt sowohl die objektive Aussagekraft als auch die Durchführbarkeit einer Kaffeestudie. Da eine groß angelegte Untersuchung nur durch einen Sponsor – naheliegender Weise aus der Kaffeeindustrie – finanzierbar sei, könne man von vornherein nicht von unabhängigen Ergebnissen ausgehen. „Natürlich wäre es hilfreich die Wirkung des Kaffeekonsums anhand von Interventionen weiter zu analysieren“, sagt er. Jedoch seien diese aufgrund einer für ein objektives Ergebnis notwendigen Compliance-Kontrolle sowie der Adjustierung hinsichtlich aller möglichen anderen Einflussfaktoren unrealistisch und zu kostspielig.

 
Bei fast allen Studien zeigt Kaffee in moderaten Mengen eher positive als negative Auswirkungen – jedoch wurden diese wahrscheinlich durch eine Lifestyle-Selektion getriggert. Prof. Dr. Johannes Georg Wechsler
 

Auch Editorialist Guallar zeigt sich von der Durchführbarkeit einer Kaffee-Intervention wenig überzeugt. Schwierig gestalte sich eine Studie zu Kaffeekonsum und Gesundheits-Endpunkten aufgrund der „Komplexität einer Langzeitstudie zur Verhaltensänderung, der erforderlichen hohen Teilnehmerzahl und der hohen Kosten“, schreibt er. Trotzdem müsse man weitere Aspekte rund um den Kaffeekonsum untersuchen, um die bisherigen Erkenntnisse besser deuten zu können, etwa die Kaffeeart, Zubereitungsweise oder die Umstände, die das Kaffeetrinken begleiten. Derweil sei durch viele Beobachtungsstudien erwiesen, dass Kaffeetrinken in moderaten Mengen „bemerkenswert sicher ist und für einen Großteil der Bevölkerung in eine gesunde Ernährungsweise mit einbezogen werden kann“.  

Vor allgemeinen Empfehlungen zum Kaffeekonsum seien Fragen zu beantworten zur Dosis, Zubereitungsart und zum Wirkungsmechanismus, sagt Aleksadrova vom DIfE. „Nicht zuletzt sollte die Erkenntnisse hinsichtlich der schädigenden Auswirkungen auf die Schwangerschaft allgemeine Empfehlungen zur Gesundheit einschränken“, bemerkt sie. Schlüsse könne man ausschließlich zur Protektion von Erkrankungen, für die genügend Evidenz, auch zur Plausibilität, vorliege, ziehen, etwa Lebererkrankungen. Ihre Studiengruppe am DIfE fand anhand von Daten der EPIC-Kohortenstudie heraus, dass der umgekehrte Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und Leberkrebsrisiko „teilweise auf die positiven Auswirkungen von Kaffee auf Biomarker für Inflammation und Leberzellschädigungen zurückzuführen ist“.   

Vorstellen kann sie sich eine Untersuchung der Hypothese, dass Kaffee Inflammationen im Körper mindert. „Um das zu testen, könnten wir eine Interventionsstudie entwerfen, die evaluiert, wie sich Kaffee auf Entzündungsmarker auswirkt.“ Biomarker könnten also als Surrogat-Endpunkte für die Entwicklung einer Erkrankung fungieren. „Vorstellbar wären unterschiedliche Studienarme, um Kaffeetypen, Zubereitungsarten und Dosis-Effekte untersuchen zu können“, erklärt die Expertin.



REFERENZEN:

1. Poole R, et al: BMJ 2017;359:j5024

2. Guallar E: BMJ 2017;359:j5356

 

Kommentar

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