Anaheim – Sexuelle Aktivität ist einer neuen Studie zufolge nur sehr selten der Auslöser für einen plötzlichen Herzstillstand. Bei über 4.500 Fällen eines plötzlichen Herzstillstandes bei Erwachsenen in Portland, US-Bundesstaat Oregon, in der zurückliegenden Dekade waren lediglich 34 Fälle mit sexueller Aktivität in der Stunde vor dem Ereignis assoziiert, 32 der Betroffenen waren Männer. Das entspricht einer Quote von 1 auf 100 Fälle eines plötzlichen Herzstillstandes bei Männern und 1 auf 1.000 bei Frauen.
Die Studie wurde von Dr. Aapo Aro und seinem Team vom Cedars-Sinai Heart Institute in Los Angeles beim Kongress der American Heart Association (AHA) 2017 in Anaheim vorgestellt und zugleich als Research Letter im Journal of the American College of Cardiology (JACC) publiziert [1;2].
Entwarnung für Herzpatienten
„Dies sind beruhigende Daten“ für Ärzte und sie helfen bei der Aufklärung der Patienten, ließ Studienleiter Dr. Sumeet S. Chugh gegenüber Medscape in einer E-Mail verlauten. Die Mediziner könnten jetzt „auf der Grundlage dieser neuen Daten Patienten des gesamten kardiologischen Spektrums ihre Sorgen nehmen“.
Ein weiterer interessanter Aspekt: Selbst wenn andere Personen zum Zeitpunkt des Herzstillstandes anwesend waren, wurden nur in einem Drittel der Fälle Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet, was erklären mag, weshalb nur rund ein Fünftel der Patienten bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus überlebte. Die Autoren sehen damit auch weiterhin Bedarf, „die Öffentlichkeit über die Bedeutung der kardiopulmonalen Reanimation beim plötzlichen Herzstillstand aufzuklären“.
„Wir Ärzte wissen schon eine ganze Weile, dass die Gefahr des plötzlichen Herztodes während sexueller Aktivitäten gering ist, doch sind Patienten auch weiterhin besorgt und wagen es auch nicht immer, das Thema mit ihrem Hausarzt oder Kardiologen zu besprechen“, sagte AHA-Sprecherin Dr. Nieca Goldberg von der NYU School of Medicine in New York gegenüber Medscape.
„Die Belastung beim Sex entspricht etwa dem Treppensteigen über 2 Etagen“, erinnerte sie. Nach einer Herzoperation oder einem Herzinfarkt schilderten viele ihrer Patienten ihre Sorgen hinsichtlich der Wiederaufnahme sexueller Aktivitäten. Dies beruhe nicht zuletzt auch auf Darstellungen, etwa in Kinofilmen wie „Was das Herz begehrt“ mit Jack Nicholson, der darin beim Sex einen Herzinfarkt erleidet.
Sie sagt, dass es sowohl für Ärzte als auch für Patienten wichtig sei, das Thema der Wiederaufnahme sexueller Aktivitäten als festen Bestandteil des Entlassungsgespräches oder „spätestens des ersten Kontrollbesuches beim Hausarzt“ nach einer Herz-OP oder einem Herzinfarkt zu betrachten. Und: „Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir den Menschen vermitteln, wie einfach kardiopulmonale Reanimation ist.“
Sexuelle Aktivität sei nunmal ein wichtiger Aspekt der Lebensqualität und verbessert Gesundheits- und Sterblichkeitsparameter. Es gäbe auch keine Hinweise, dass Sex ein bedeutsamer potenzieller Trigger eines plötzlichen Herztodes in der Allgemeinbevölkerung sein könnte, schreibt die Gruppe um Aro.
Größtes Risiko für jüngere, männliche Afroamerikaner
Die Forscher analysierten die Daten von Personen aus der Gegend um Portland, Oregon, die zwischen 2002 und 2012 einen plötzlichen Herzstillstand erlitten hatten und Teil der Oregon Sudden Unexpected Death Study waren. Alle Fälle wurden aufgenommen. Den Untersuchern lagen auch Informationen über die Umstände rund um das Ereignis des Herzstillstandes, die vollständigen medizinischen Aufzeichnungen der Gestorbenen sowie deren Autopsie-Daten vor.
Im Schnitt waren die 34 Personen, die einen Stillstand während sexueller Aktivitäten erlitten hatten, im Vergleich zu den 4.523 anderen Gestorbenen jünger (im Durchschnitt 60 Jahre vs 65 Jahre; Altersspektrum 34–83 Jahre), häufiger männlich (94% vs. 68%) und häufiger Afroamerikaner(19% vs. 8%).
Die Herzerkrankungen waren in beiden Gruppen ähnlich verteilt. Etwa 29% der Patienten hatten eine KHK, 26% eine symptomatische Herzinsuffizienz und die meisten standen unter einer kardiovaskulären Medikation. Im Vergleich zu Patienten mit anderen Formen des Herzstillstandes waren bei denen, die es während sexueller Aktivität traf, Kammerflimmern oder Kammertachykardien häufiger (76% vs. 45%; p < 0,001).
Die Überlebensrate war bei einem Herzstillstand im Zusammenhang mit Sex höher, doch waren diese Daten nicht signifikant (19% vs. 13%, p: 0,29) und wohl unterschiedlich häufigen defibrillierbaren Rhythmen geschuldet.
Die Studie zeige, wie groß der Bedarf sei, „die Aufklärung für das Thema Wiederbelebung auch in solchen misslichen Situationen voranzutreiben“, sagte Chugh.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
REFERENZEN:
1. American Heart Association (AHA) Scientific Sessions 2017, 11. bis 15. November 2017, Anaheim/USA
2. Aro AL, et al: JACC (online) 17. November 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Unbegründete Angst: Plötzlicher Herztod beim Sex ist auch bei Herzkranken selten, Reanimation durch Partner aber auch - Medscape - 4. Dez 2017.
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