Anaheim – Eine neue Studie zeigt, dass Patienten nach einer koronaren Bypass-Operation von einer Kombinationstherapie aus Acetylsalicylsäure (ASS) und Ticagrelor (Brilinta®, AstraZeneca) profitieren: Nach einem Jahr waren die Bypassgefäße – Grafts der Vena saphena (GVS) – bei Patienten mit dualer Plättchenhemmung signifikant häufiger noch offen als bei Patienten, die nur ASS erhalten haben.

Dr. Qiang Zhao
„Die Kombinationstherapie aus ASS und Ticagrelor verbesserte die Offenheit der Bypassgefäße ein Jahr nach dem Koronarbypass im Vergleich zur ASS-Monotherapie, und das Blutungsrisiko war minimal“, berichtete der federführende Autor der Studie, Dr. Qiang Zhao vom Ruijin Hospital der Jiaolong University School of Medicine in Shanghai, China.
Die Ergebnisse der Efficacy of Different Antiplatelet Therapy Strategy after Coronary Artery Bypass Grafting (DACAB)-Studie wurden bei den Scientific Sessions 2017 der American Heart Association (AHA) in Anaheim vorgestellt [1].
Hohe Versagensraten
Grafts der Vena saphena seien immer noch die am häufigsten für einen Koronarbypass benutzten Gefäße, berichten die Autoren. Doch die Versagensraten für diese Bypassgefäße lägen bei schätzungsweise 10 bis 25% nach einem Jahr und 50% nach 10 Jahren.
Es sei gezeigt worden, dass eine duale plättchenhemmende Therapie schwere kardiovaskuläre Ereignisse (major adverse cardiovascular events, MACE) bei ACS-Patienten, die sich einer koronaren Bypass-Operation unterziehen, reduzieren, ergänzen die Autoren. Allerdings gebe es nur wenige Daten zum Effekt der Therapie auf die Offenheit der Bypassgefäße. Eine kleine Pilotstudie, die die Kombination aus ASS und Ticagrelor im Hinblick auf die Offenheit der Bypassgefäße untersucht habe, sei aufgrund geringer Rekrutierung vorzeitig abgebrochen worden.
Wirksamkeit und Sicherheit dualer Plättchenhemmung
In der DACAB-Studie untersuchten die Wissenschaftler um Zhao die Wirksamkeit und Sicherheit in puncto Gefäßoffenheit einer dualen Plättchenhemmung mit ASS und Ticagrelor im Vergleich zu ASS alleine und Ticagrelor alleine, jeweils 1 Jahr nach einem elektiven Koronararterien-Bypass.
Die Open-Label-Studie umfasste 500 Patienten, die an 6 chinesischen Krankenhäusern rekrutiert und randomisiert einem von 3 Armen zugeteilt worden waren:
Ticagrelor 90 mg 2-mal täglich plus ASS 100 mg 1-mal täglich (n = 168),
Ticagrelor 90 mg 2-mal täglich (n = 166) oder
ASS 100 mg 1-mal täglich (n = 166).
Die Patienten waren zwischen 18 und 88 Jahren alt und hatten eine Indikation für einen Koronararterien-Bypass. Ausschlusskriterien waren hämodynamische Instabilität, eine vorherige Therapie mit dualer Plättchenhemmung/Vitamin-K-Antagonisten, ein hohes Risiko für schwere Blutungen, etwa aufgrund von intrazerebralen Blutungen in der Anamnese, und jegliche Kontraindikationen für die Studienmedikation.
Primärer Endpunkt: Offenheit nach einem Jahr
Der primäre Endpunkt war die Offenheit der Bypassgefäße, beurteilt per Computertomografie (CT) und Koronarangiographie 1 Jahr nach dem Eingriff in einer Intention-to-treat-Analyse. Die Aufnahmen seien durch ein unabhängiges Komitee ausgewertet worden, welches gegenüber der Therapiezuordnung verblindet gewesen sei, sagte Zhao.
Sekundäre Endpunkte waren die Offenheit des Grafts nach 7 Tagen, MACE oder Rezidiv einer Angina pectoris innerhalb von einem Jahr, Vorhofflimmern in den 7 Tagen nach der Operation und Blutungen (nach TIMI-Kriterien) innerhalb von einem Jahr.
Nach einem Jahr standen in der Gruppe mit Kombinationstherapie 94,1% der Patienten für eine CT-Untersuchung zur Verfügung, in der Ticagrelor-Gruppe waren es 94,0% und in der ASS-Gruppe 92,2%.
Der häufigste Grund für die Nichtteilnahme an der Nachuntersuchung war, dass sich die Patienten dagegen entschieden hatten; kein Patient ging in der Nachbeobachtung verloren. In der Kombinationsgruppe erhielten 2 Patienten und in der ASS-Gruppe 3 Patienten keine CT-Untersuchung, da sie zuvor gestorben waren.
Zu Studienbeginn waren die Patienten etwa 64 Jahre alt, viele von ihnen hatten Bluthochdruck und erhöhte Blutfettwerte, mehr als 40% waren an Diabetes erkrankt. „Die meisten Patienten hatten einen moderaten bis hohen SYNTAX-Score und einen niedrigen bis moderaten EuroScore, was der Indikation für einen Koronarbypass entsprach“, sagte Zhao.
Identische Anzahl von Bypassgefäßen
In allen 3 Gruppen war die durchschnittliche Anzahl von Bypassgefäßen pro Patient gleich – nämlich 2,9. Im Hinblick auf den primären Endpunkt zeigte sich, dass „eine Kombinationstherapie aus Ticagrelor und ASS zu einem besseren Outcome führte als eine ASS-Monotherapie“, sagte Zhao bei einer Pressekonferenz. Insgesamt betrug die Offenheitsrate bei dualer Plättchenhemmung nach einem Jahr 88,7% und bei ASS-Monotherapie 76,5%. Die Differenz von 12,2% war statistisch signifikant (p = 0,0006) (Tab. 1).
Der Vergleich zwischen Ticagrelor-Monotherapie und ASS-Monotherapie zeigte zwar einen Trend hin zu einer Reduktion mit Ticagrelor (6,3%), diese erreichte aber keine statistische Signifikanz (p = 0,0962).
Tab. 1: DACAB: Graft-Outcomes nach einem Jahr (Intention-to-Treat-Analyse)
Endpunkt |
Ticagrelor + ASS (%) |
Ticagrelor (%) |
ASS (%) |
---|---|---|---|
Offenheit (Fitzgibbon A) |
88,7 |
82,8 |
76,5 |
Nicht-Verschlossenheit |
89,9 |
86,1 |
80,6 |
Die Per-Protocol-Analyse kam zu ähnlichen Ergebnissen, mit einem signifikanten Unterschied zwischen dualer Therapie und ASS (10,4%, p = 0,0004) und einem nicht-signifikanten Unterschied zwischen Ticagrelor- und ASS-Monotherapie (4,3%; p = 0,1719) (Tab. 2).
Tab. 2: DACAB: Graft-Outcomes nach einem Jahr (Per-Protocol-Analyse)
Endpunkt |
Ticagrelor + ASS (%) |
Ticagrelor (%) |
ASS (%) |
---|---|---|---|
Offenheit (Fitzgibbon A) |
93,7 |
87,6 |
83,3 |
Nicht-Verschlossenheit |
95,0 |
91,0 |
87,6 |
Die MACE-Rate war insgesamt niedrig, am höchsten aber in der ASS-Monotherapie-Gruppe und am niedrigsten in der Gruppe mit Kombinationstherapie (Tab. 3).
Tab. 3: DACAB: Schwere kardiovaskuläre Ereignisse (MACE)
Endpunkt |
Ticagrelor + ASS, n (%) |
Ticagrelor, n (%) |
ASS, n (%) |
---|---|---|---|
Alle |
3 (1,8) |
4 (2,4) |
9 (5,4) |
Kardiovaskuläre Mortalität |
1 (0,6) |
0 (0) |
2 (1,2) |
Herzinfarkt |
2 (1,2) |
2 (1,2) |
3 (1,8) |
Schlaganfall |
0 (0) |
2 (1,2) |
4 (2,4) |
Die Blutungsraten waren im Allgemeinen ebenfalls niedrig, dies galt auch für schwere Blutungen. Doch nicht mit dem Koronarbypass assoziierte Blutungen sowie minimale Blutungsereignisse waren unter der dualen Therapie häufiger (Tab. 4).
Tab. 4: DACAB: Blutungen
Blutungsereignis |
Ticagrelor + ASS, |
Ticagrelor, |
ASS, |
---|---|---|---|
Mit dem Koronarbypass |
1 (0,6) |
1 (0,6) |
0 |
Nicht mit dem Koronarbypass |
51 (30,4) |
20 (12,1) |
15 (9,0) |
Schwere Blutung |
2 (1,2) |
1 (0,6) |
0 |
Leichte Blutung |
2 (1,2) |
0 |
2 (1,2) |
Minimale Blutung |
48 (28,6) |
19 (11,4) |
13 (7,8) |
Mit dem Koronarbypass assoziierte |
3 (1,8) |
2 (1,2) |
0 |
„Fesselnd“, aber unzureichend für Veränderungen in der Praxis
Einer der zur Diskussion der DACAB-Studie eingeladenen Experten, Prof. Dr. John H. Alexander vom Duke Clinical Research Institute, Duke Health, Durham, zeigte sich nicht vollständig überzeugt von den Ergebnissen.
„Die Schlussfolgerung, die ich daraus ziehen würde, ist, dass die DACAB-Studie einen Effekt von Ticagrelor auf die Offenheit des Grafts nachweist. Ein fesselndes Ergebnis, das aber nicht ausreichen wird, um Veränderungen in der Praxis zu bewirken“, sagte Alexander. „Und das liegt daran, dass die Effekte auf schwere kardiovaskuläre Ereignisse und das Blutungsrisiko im Verhältnis zur Graft-Offenheit in dieser Studie nicht adäquat ausgewertet wurden.“
Klinische Endpunkte nicht eindeutig
Es seien klinische Studien zur dualen plättchenhemmenden Therapie mit klinischen Endpunkten notwendig, ergänzte Alexander, „denn die Beziehung zwischen der Offenheit der Bypassgefäße und den späteren klinischen Outcomes ist nicht zur Gänze eindeutig“.
Er verwies auf ein Paper, das seine Arbeitsgruppe im Jahr 2012 veröffentlicht hat. Es zeigt an Daten der PREVENT-4-Studie, dass die Offenheit bei Grafts der Vena saphena nach einem Jahr „nicht wirklich mit Todesfällen und Herzinfarkten nach 4 Jahren korreliert“.
„Intuitiv erscheint es wünschenswert, bei Patienten, die sich einer koronaren Bypass-Operation unterziehen, offene Grafts zu haben“, führte Alexander weiter aus. „Doch viele dieser Grafts versagen innerhalb eines Jahres, ohne dass dies klinische Konsequenzen hat. Wenn wir also nur Grafts offenhalten, die nicht wichtig sind, hat das keinen Nutzen für den Patienten.“
„Letzten Endes ist es der Effekt auf klinische Endpunkte, wie schwere kardiovaskuläre Ereignisse und Blutungen, der wichtig ist. Ich finde die Ergebnisse der DACAB-Studie faszinierend, und auch wenn die Zahl an Ereignissen gering ist, sie gehen in die richtige Richtung, was schwere klinische Ereignisse angeht, und – erwartungsgemäß – in die falsche Richtung, was Blutungen angeht“, sagte Alexander. „Glücklicherweise kommen solche Studien [mit klinischen Endpunkten]“, sagte er.
2 mittelgroße Studien, eine in den Niederlanden mit 700 Patienten und eine in den USA und Kanada mit 300 Patienten, untersuchen Ticagrelor mit Graft-Versagen als einem Endpunkt. Eine weitere, größere Studie mit fast 4.000 Patienten läuft gerade in Deutschland. Sie untersucht Ticagrelor in einer Population, die der der DACAB-Studie gleicht, aber mit MACE als Endpunkt. Weitere Studien zu anderen Substanzen sind geplant, unter anderen eine Studie mit Prasugrel und einem Ziel von 4000 Teilnehmern.
Noch nicht genug Evidenz
Herzchirurg Prof. Dr. Timothy Gardner stimmte Alexanders Einschätzung hinsichtlich der potenziellen Konsequenzen der Ergebnisse zu. Gardner vom Christiana Care Center for Heart & Vascular Health, Christiana Care Value Institute, Newark, ist ein ehemaliger Präsident der American Heart Association und selbst nicht an der DACAB-Studie beteiligt.
„Wir haben uns Sorgen über frühes Graft-Versagen und Thrombose gemacht, und diese Studie zeigt, dass eine duale plättchenhemmende Therapie zu einer besseren Offenheit nach einem Jahr führt“, kommentiert Gardner gegenüber Medscape. „Ich denke, wir alle haben uns gefragt, ob Patienten mit einer dualen Plättchenhemmung besser abschneiden – aber die Sorge wegen der Blutungen bleibt.“
Alexander habe eine wohlüberlegtes Fazit gezogen: „Wir haben noch nicht genug Evidenz für einen eindeutigen klinischen Nutzen einer dualen plättchenhemmenden Therapie, insbesondere da das Blutungsrisiko erhöht ist. Und das wird viele Chirurgen davon abhalten, dieses Regime zu übernehmen, sie werden stattdessen weiter ASS geben.“
Dieser Artikel wurde von Nadine Eckert aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
REFERENZEN:
1. American Heart Association (AHA) Scientific Sessions 2017, 11. bis 15. November 2017, Anaheim/USA
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Doppelt hält besser (offen): Mit Ticagrelor plus ASS bleiben nach Bypass-OP Venen-Grafts eher offen als mit ASS allein - Medscape - 21. Nov 2017.
Kommentar