EMA: Erstes Mittel gegen primär progrediente MS und viele weitere Zulassungsempfehlungen

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

10. November 2017

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur empfiehlt die Zulassung von 10 neuen Arzneimitteln in der EU, darunter erstmalig auch ein Medikament zur Behandlung der primär progredienten Form der Multiplen Sklerose (MS) sowie einen neuen Antikörper zur Behandlung von schwerem eosinophilem Asthma.

Ocrevus® (Ocrelizumab, Roche Registration Limited) ist ein neuartiger MS-Antikörper. Für Patienten mit schubförmig-remittierender MS (RRMS) wird er eine weitere Therapieoption darstellen, aber für Patienten mit primär progredienter MS (PPMS) ist es ein Therapiedurchbruch. Es ist das erste in der EU zugelassene Arzneimittel für diese Form der Multiplen Sklerose, für die es bislang keine krankheitsmodifizierende Therapie gab.

Geringere Schubrate und Reduktion der Behinderungsprogression

Die Empfehlung des CHMP basiert auf den Daten von 3 Phase-3-Studien mit insgesamt 1.423 Patienten – an 2 Studien nahmen RRMS-Patienten teil, an einer Studie PPMS-Patienten. Die Behandlung mit Ocrelizumab reduzierte bei Patienten mit RRMS die annualisierte Schubrate um 46,4%, verglichen mit Interferon-β-1a (96 Wochen Studiendauer). Bei Patienten mit PPMS reduzierte Ocrelizumab das Risiko für ein Fortschreiten der Behinderung um 24%, verglichen mit Placebo (12 Wochen Studiendauer).

Die häufigsten Nebenwirkungen von Ocrelizumab waren durch die Infusion bedingte Reaktionen und Infektionen. Ocrelizumab muss vom Arzt verabreicht werden. Alle 6 Monate erhalten die Patienten eine Infusion mit 600 mg des Antikörpers.

Neuer Antikörper gegen schweres Asthma

Auch bei dem neuen Asthmamedikament, das der CHMP zur Zulassung empfiehlt, handelt es sich um einen Antikörper. Fasenra® (Benralizumab, AstraZeneca AB) soll nach Empfehlung des Ausschusses für die Behandlung von schwerem eosinophilem Asthma zugelassen werden. Der humanisierte monoklonale Antikörper löst nach Bindung an der Alpha-Kette des Interleukin-5-Rezeptors eine nahezu komplette Vernichtung aller eosinophilen Granulozyten aus.

Benralizumab wird in Form von Fertigspritzen mit jeweils 30 mg Wirkstoff zur Verfügung stehen. Die Depletion von Eosinophilen in Blut und Lunge führt zu einer signifikanten Reduktion der jährlichen Exazerbationsrate, speziell bei Patienten mit mehr als 300 Eosinophilen/µl Blut vor der Behandlung.

Die häufigsten Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen und Pharyngitis. Benralizumab soll als Add-on-Erhaltungstherapie bei erwachsenen Patienten mit schwerem eosinophilem Asthma eingesetzt werden, deren Erkrankung trotz hochdosierter inhalativer Kortikosteroide in Kombination mit langwirksamen β-Agonisten nicht unter Kontrolle ist.

Weitere positive Empfehlungen

Die weiteren Zulassungsempfehlungen des CHMP umfassen:

  • Jorveza® (Budesonid, Dr. Falk Pharma GmbH) zur Behandlung von eosinophiler Ösophagitis, einer seltenen, immunvermittelten Entzündung des Ösophagus;

  • Prevymis® (Letermovir, Merck Sharp & Dohme Limited), ein antivirales Medikament, mit dem Cytomegalovirus-Reaktivierungen und -Erkrankungen bei Patienten verhindert werden sollen, die nach allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantationen Immunsuppressiva erhalten;

  • Adynovi® (Rurioctocog alfa pegol, Baxalta Innovations GmbH) zur Behandlung und Prophylaxe von Blutungen bei Hämophilie-A-Patienten ab 12 Jahren;

  • Intrarosa® (Prasteron, Endoceutics Ltd) zur Behandlung vulvärer und vaginaler Atrophie bei postmenopausalen Frauen;

  • Mvasi® (Bevacizumab, Amgen Europe B.V.), ein Biosimilar von Avastin® (Roche), zur Behandlung von Dickdarm- und Rektalkarzinomen, Mammakarzinomen, nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen, Nierenzellkarzinomen, epithelialen Ovarialkarzinomen, Eileiterkarzinomen oder primären Peritonealkarzinomen und Zervixkarzinomen;

  • Darunavir Krka® (Darunavir, Krka, d.d., Novo mesto) und Darunavir Krka d.d.® (Darunavir, Krka, d.d., Novo mesto), Generika zur Behandlung von HIV-1-Infektionen;

  • Fulvestrant Mylan® (Fulvestrant, Mylan S.A.S), ebenfalls ein Generikum, zur Behandlung lokal fortgeschrittener oder metastasierter Mammakarzinome.

Indikationserweiterungen

Für 4 Arzneimittel empfiehlt der Ausschuss eine Erweiterung der therapeutischen Indikation:

  • Adcetris® (Brentuximab-Vedotin, Takeda Pharma A/S), jetzt auch zur Behandlung erwachsener Patienten mit CD30-positivem, kutanem T-Zell-Lymphom (CTCL) nach mindestens 1 Jahr systemischer Therapie;

  • Genvoya® (Elvitegravir/Cobicistat/Emtricitabin/Tenofovir-Alafenamid, Gilead Sciences International Limited), jetzt auch zur Behandlung von HIV-1-Infektionen bei Kinder ab 6 Jahren, die mindestens 25 kg wiegen und für die alternative Therapien aufgrund von Resistenzen oder Nebenwirkungen nicht in Frage kommen;

  • Nplate® (Romiplostim, Amgen Europe B.V.), wird bislang zur Behandlung chronischer thrombozytopenischer Purpura bei Erwachsenen eingesetzt, soll ab sofort auch schon bei Kindern ab 1 Jahr zugelassen sein;

  • Orkambi® (Lumacaftor/Ivacaftor, Vertex Pharmaceuticals [Europe] Ltd), Behandlung der zystischen Fibrose, jetzt schon ab dem 6. Lebensjahr, nicht erst ab dem 12. Lebensjahr.

Risikobewertung von Daclizumab abgeschlossen

Außerdem hat der CHMP mit diesem Meeting seine Risikobewertung des MS-Medikamentes Zinbryta® (Daclizumab) abgeschlossen und empfiehlt weitere Restriktionen, um die Gefahr schwerer Leberschäden einzudämmen.

Neue Überprüfungen und zurückgezogene Anträge

Die Hersteller von Fanaptum® (Iloperidon) und Onzeald® (Etirinotecan pegol) hatten eine erneute Überprüfung beantragt, nachdem sich der CHMP im Juli gegen die Zulassung der beiden Medikamente ausgesprochen hatte. Am Ergebnis hat die erneute Überprüfung nichts geändert: Der CHMP empfiehlt weiterhin, die beiden Arzneimittel nicht zuzulassen.

Zurückgezogen wurden die Zulassungsanträge für ein weiteres Avastin-Biosimilar, Kyomarc® (Bevacizumab, Amgen Europe B.V.), sowie für Plivensia® (Sirukumab, Janssen-Cilag International NV), einem Mittel gegen rheumatoide Arthritis. Auch der Antrag, den Einsatz von Keytruda® (Pembrolizumab, Merck Sharp & Dohme) beim nicht-kleinzelligen Nierenzellkarzinom, zu erweitern, wurde zurückgezogen.



REFERENZEN:

1. Meeting highlights from the Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP), 6. bis 9. November 2017

Kommentar

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