EMA: MS-Medikament erhält strikte Beschränkungen, HES-Volumenersatz und Schmerzmittel Flupirtin erneut auf dem Prüfstand

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

27. Oktober 2017

Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) empfiehlt, das Multiple-Sklerose Medikament Zinbryta® (Daclizumab, Biogen) mit weiteren Einschränkungen zu belegen. Der Grund sind mögliche potenziell tödliche Leberschäden durch das Arzneimittel. Außerdem hat das Gremium bei seinem Meeting im Oktober mit 2 neuen Risikobewertungen begonnen. Auf dem Prüfstand stehen ab sofort Volumenersatzmittel, die Hydroxyethylstärke (HES) enthalten, und Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Flupirtin.

Einschränkungen für Daclizumab zum Schutz der Leber

Ein Risikobewertungsverfahren des PRAC ist zu dem Schluss gekommen, dass es während und bis zu 6 Monate nach einer Behandlung mit Daclizumab zu unvorhersehbaren und potentiell tödlichen immunvermittelten Leberschäden kommen kann. In klinischen Studien zeigten 1,7% der Patienten eine schwerwiegende Leberreaktion auf Daclizumab.

Der Ausschuss rät: Um das Risiko zu reduzieren, sollten Ärzte das Medikament nur für rezidivierende Formen der Multiplen Sklerose verschreiben und auch nur dann, wenn die Patienten auf mindestens 2 andere krankheitsmodifizierende Therapien nicht ausreichend angesprochen haben und nicht mit anderen krankheitsmodifizierenden Medikamenten behandelt werden können.

Vor jeder Behandlung mit Daclizumab sollte die Leberfunktion des Patienten (ALT, AST, Bilirubin) mindestens einmal monatlich überprüft werden. Nach Beendigung der Behandlung muss die Leberfunktion noch 6 Monate lang weiterbeobachtet werden.

Bei Patienten mit bestehender Lebererkrankung und Patienten, deren Leberenzymwerte über dem 2-fachen der oberen Normgrenze liegen, sollte Daclizumab nicht eingesetzt werden. Auch bei Multiple-Sklerose-Patienten, die noch andere Autoimmunerkrankungen haben, rät der PRAC von der Anwendung ab.

Erscheint der Patient nicht zu den regelmäßigen Tests oder spricht nicht richtig auf die Behandlung an, sollte der Arzt ein Absetzen des Medikamentes in Betracht ziehen. Auf jeden Fall sollte das Medikament abgesetzt werden, wenn die Leberenzyme auf mehr als das 3-fache der oberen Normgrenze ansteigen. Patienten mit Anzeichen und Symptomen eines Leberschadens sollten zu einem Leberspezialisten überwiesen werden. Dies gilt auch für Patienten, die positiv auf Hepatitis B oder Hepatitis C getestet werden.

Der Ausschuss spricht sich außerdem für die Einführung eines Formulars aus, auf dem Patienten und Ärzte bestätigen, dass sie über die Risiken einer Therapie mit Daclizumab sowie die Notwendigkeit eines regelmäßigen Monitorings gesprochen haben.

Die jetzt herausgegebenen Empfehlungen des PRAC verschärfen die vorläufigen Maßnahmen, die der Ausschuss schon im Juli getroffen hat.

Riskanter Einsatz von HES-Volumenersatzmitteln

Volumenersatzmittel mit HES werden bei akuten Blutungen als Plasmaexpander eingesetzt, wenn eine Behandlung mit Kristalloiden nicht ausreicht. Doch 2 Reviews deuten darauf hin, dass HES-Lösungen außerhalb der zugelassenen Indikationen eingesetzt werden, unter anderem bei lebensbedrohlich erkrankten Patienten und Patienten mit Sepsis oder Nierenversagen. Seit 2013 gelten bei genau diesen Patienten Einschränkungen für die Anwendung von HES-Lösungen, um das Risiko für Nierenprobleme und Todesfälle zu reduzieren.

Die beiden Reviews zur Anwendung HES-haltiger Volumenersatzmittel hatte der PRAC 2013 zur Voraussetzung für die Marktzulassung dieser Produkte gemacht – eben um zu sehen, ob sich an die neuen Einschränkungen gehalten wird.

In einem Risikobewertungsverfahren wird der Ausschuss nun die Ergebnisse dieser Reviews und alle anderen verfügbaren Daten sichten, um letztlich eine Empfehlung zur weiteren Marktzulassung HES-haltiger Volumenersatzmittel herauszugeben. Ärzte, Patientenorganisationen und die Öffentlichkeit sind eingeladen, Daten, die relevant für das Verfahren sein könnten, einzureichen.

Schmerzmittel mit Flupirtin auf dem Prüfstand

Ein ganz ähnliches Problem geht der PRAC mit seiner erneuten Überprüfung Flupirtin-haltiger Schmerzmittel an. Auch für diese Medikamente hatte der Ausschuss 2013 Einschränkungen empfohlen. Zur Vermeidung von Leberproblemen soll Flupirtin demnach für maximal 2 Wochen zur Behandlung akuter Schmerzen eingesetzt werden – und dies nur bei Patienten, die andere Arzneimittel wie Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) oder Opioide nicht nehmen können. Während der Therapie soll wöchentlich die Leberfunktion überprüft werden.

Nun hat das Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) eine Überprüfung beantragt. Denn auch hier gibt es Hinweise, dass sich Ärzte bei der Verschreibung von Flupirtin nicht immer an diese Einschränkungen halten. Studien zeigen zwar, dass die Zahl der mit Flupirtin behandelten Patienten seit 2013 abgenommen hat, doch der Wirkstoff wird noch immer außerhalb der Restriktionen eingesetzt. Außerdem werden weiterhin Fälle von mit Flupirtin-assoziierten schweren Leberschäden gemeldet.



REFERENZEN:

1. Meeting highlights from the Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC), 23. bis 26. Oktober 2017

Kommentar

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