Zielgerichtete Therapien gegen verbreitete Krebsarten zerstören auch seltene Tumoren – wenn das Mutationsprofil passt

Anke Brodmerkel

Interessenkonflikte

23. Oktober 2017

US-Forschern ist es gelungen, für Patienten mit seltenen Krebserkrankungen zielgerichtete und effektive Behandlungsansätze zu finden. Wie das Team um Dr. Shumei Kato vom Moores Cancer Center an der University of California in San Diego in der Fachzeitschrift The Oncologist berichtet, profitierten die Patienten der neu gegründeten Rare Tumor Clinic von einer DNA- und Proteinanalyse ihrer Tumoren und des Blutes: Auf diese Weise spürten die Wissenschaftler in den Krebszellen ihrer Probanden Mutationen auf, die die Tumore für bereits etablierte Behandlungsansätze anderer Krebsarten anfällig machen [1].

So konnten Kato und sein Team eine Patientin mit einem ampullären Karzinom erfolgreich mit den monoklonalen Antikörpern Trastuzumab and Pertuzumab behandeln, die eigentlich für die Therapie von HER2-positivem Brustkrebs gedacht sind. Auch Checkpoint-Inhibitoren wie PD-1-Hemmer kamen bei einigen Probanden zum Einsatz. Insgesamt 11 der 21 behandelten Patienten sprachen auf die zielgerichteten Therapien an: Sie erlangten eine teilweise oder vollständige Remission oder ihre Tumorgröße ging zurück oder blieb zumindest stabil.

Biologie des Tumors entscheidet über Behandlungsmethode

„Für seltene Tumorerkrankungen gibt es wenige Daten aus kontrollierten klinischen Studien“, sagt Prof. Dr. Dirk Jäger, Leiter der Abteilung Medizinische Onkologie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg, gegenüber Medscape. Standards für Diagnostik und Therapie dieser Erkrankungen fehlten häufig.

Prof. Dr. Dirk Jäger

„Insofern macht es sehr viel Sinn, Patienten mit seltenen Erkrankungen sehr viel tiefgehender zu diagnostizieren und durch das bessere Verständnis der individuellen Tumorbiologie intelligente Therapieansätze zu identifizieren“, betont Jäger. Die Publikation von Kato und seinen Kollegen zeige eindeutig, dass ein solches Vorgehen Patienten mit seltenen Tumorerkrankungen zugute komme.

Seltene Tumorerkrankungen in Summe häufig

Obwohl jede einzelne seltene Tumorerkrankung per Definition selten vorkommt – die Organisation Rare Cancer Europe etwa definiert einen seltenen Tumor als einen, der bei weniger als 6 von 100.000 Patienten pro Jahr auftritt –, machen die seltenen Krebsarten insgesamt rund 25% aller Krebserkrankungen aus. Um dieser großen Anzahl an Patienten künftig besser gerecht zu werden, wurde an der University of California kürzlich die Rare Tumor Clinic gegründet.

Kato, ein Spezialist für seltene Tumorarten, und seine Kollegen haben in ihrer Pilotstudie nun die ersten 40 Patienten dieser Klinik im Alter zwischen 31 und 78 Jahren untersucht und wenn möglich, mit zielgerichteten Therapien behandelt. Die Probanden litten am häufigsten an Sarkomen (n = 7) und der Erdheim-Chester-Erkrankung (n=5), einer seltenen Form der Histiozytose. Insgesamt wiesen die Patienten 20 verschiedene Diagnosen auf. Beispiele für extrem seltene Krebserkrankungen waren die Castleman-Krankheit (n=4), ein Ameloblastom und ein ampulläres Karzinom. Vor ihrer Einweisung in die Klinik hatten die Patienten zwischen 0 und 7 Therapien erhalten, im Schnitt waren es 2.

Mehr als die Hälfte profitierten von ihren Therapien

Bei 37 der 40 Probanden konnten die Forscher um Kato mindestens einen veränderten DNA- oder Proteinmarker ausmachen. 21 Patienten erhielten daraufhin eine zielgerichtete Therapie, auf die 11 Probanden ansprachen: Bei 3 Patienten blieb die Tumorgröße mehr als sechs Monate lang stabil oder ging zurück, 6 Patienten erreichten eine teilweise und 2 eine vollständige Remission.

 
Es macht sehr viel Sinn, (…) tiefgehender zu diagnostizieren und durch das bessere Verständnis der individuellen Tumorbiologie intelligente Therapieansätze zu identifizieren. Prof. Dr. Dirk Jäger
 

Die 12 Patienten, die zuvor bereits eine konventionelle Therapie erhalten hatten, reagierten zudem signifikant besser auf die zielgerichteten Ansätze. Für die 19 unbehandelten Probanden stand entweder keine passende Therapie zur Verfügung oder sie hatten bereits ohne eine neuerliche Behandlung einen stabilen Zustand erreicht.

Besonders hebt das Team um Kato in seiner Publikation eine 68-jährige Patientin mit einem metastasierten ampullären Karzinom hervor sowie 3 Patienten, von denen 2 an einem fortgeschrittenen Basalzellkarzinom litten und eine ein hochgradiges großzelliges neuroendokrines Unterleibskarzinom aufwies.

Wie Kato und seine Kollegen herausfanden, wies das ampulläre Karzinom verstärkt ERBB2-Rezeptoren auf, weswegen es mit einer Kombination aus Trastuzumab and Pertuzumab behandelt wurde. Auf diese Weise erreichte die Patientin unter anderem eine progressionsfreie Überlebenszeit von mehr als 15 Monaten.

Bei den anderen 3 Patienten machten Kato und sein Team in den Tumoren besonders viele Mutationen aus. Eine der Geschwulste wies zudem das Oberflächenprotein PD-L1 auf und eine andere eine hohe Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H). All diese Punkte deuten daraufhin, dass eine Immuntherapie Erfolg haben kann. Und tatsächlich konnten die Mediziner mit Checkpoint-Inhibitoren (PD-1-Hemmern) bei einem Patienten eine komplette und bei zweien eine teilweise Remission erzielen.

 
Unsere Beobachtungen deuten darauf hin, dass eine Genomanalyse bei diesen Patienten die Türen zu neuen Therapien aufstoßen kann. Dr. Shumei Kato
 

Weitere Studien an der Rare Tumor Clinic sind bereits in Planung

Soweit er wisse, sei diese Untersuchung die 1. Pilotstudie, die einen individualisierten präzisen Behandlungsansatz bei Patienten mit seltenen Krebserkrankungen verfolgt habe, wird Kato in einer Pressemitteilung von The Oncologist zitiert. „Unsere Beobachtungen deuten darauf hin, dass eine Genomanalyse bei diesen Patienten die Türen zu neuen Therapien aufstoßen kann“, so der US-Mediziner.

Weitere Forschung sei jedoch notwendig, um den Nutzen und die Grenzen dieses zielgerichteten Behandlungsansatzes genauer zu ermitteln, sagt Kato. Er hoffe daher, demnächst weitere Studien mit größeren Probandenzahlen präsentieren zu können. 



REFERENZEN:

1. Kato S, et al: The Oncologist (online) 16. Oktober 2017

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....