Checkpoint-Inhibitor Nivolumab als neue Therapieoption bei fortgeschrittenem, stark vorbehandeltem Magenkarzinom

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

20. Oktober 2017

Die Prognose von Patienten mit fortgeschrittenen Magenkarzinomen oder Adenokarzinomen des ösophagogastralen Übergangs, die bereits 2 oder mehr Chemotherapien hinter sich haben, ist dürftig. Eine neue Therapieoption für diese stark vorbehandelte Patientengruppe könnte der Checkpoint-Inhibitor Nivolumab sein, wie eine Phase-3-Studie aus Asien zeigt [1]. Die Autoren um Prof. Dr. Yoon-Koo Kang vom Department of Oncology des University of Ulsan College of Medicine in Seoul berichten von einer Reduktion des Sterberisikos unter Nivolumab um 37% im Vergleich zu Placebo.

Prof. Dr. Matthias Ebert

Weitere wirksame Therapieoption

„Der Unterschied liegt in einer Größenordnung, den man von einer wirksamen Therapie in dieser Patientenpopulation erwarten würde“, erklärt Prof. Dr. Matthias Ebert, Direktor der II. Medizinischen Klinik - Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie der Universitätsmedizin Mannheim, im Gespräch mit Medscape. Es gebe durchaus bereits Therapiemöglichkeiten für diese stark vorbehandelten Patienten, etwa zielgerichtete Therapien, weitere Chemotherapien oder Antikörper, die auf die Angiogenese abzielen, wie Ramucirumab. „Nivolumab ist eine weitere Option in dieser Situation“, so Ebert.

Nivolumab ist ein Inhibitor des PD-1-Rezeptors, ein Immun-Checkpoint, der die Wechselwirkung zwischen T-Zellen und Tumorzellen hemmt. Nivolumab, ein monoklonaler IgG4-Antikörper, bindet an die Rezeptoren und verhindert so, dass Tumorzellen die T-Zellen des Immunsystems ausschalten, indem sie den programmierten Zelltod induzieren. Nivolumab ist bereits zur Behandlung bei fortgeschrittenem Melanom, Lungenkrebs und Nierenzellkarzinom zugelassen.

Patienten aus Japan, Südkorea und Taiwan

Die randomisierte Phase-3-Studie fand an 49 Zentren in Japan, Südkorea und Taiwan statt. Die Patienten waren über 20 Jahre alt und hatten ein nicht resezierbares, fortgeschrittenes oder rezidiviertes Magenkarzinom oder ein ebensolches Karzinom im Bereich des ösophagogastralen Übergangs. Die Krebserkrankung war refraktär (nach Standardtherapie mit mindestens 2 Chemotherapien) oder die Standardtherapie wurde nicht vertragen. Die eingeschlossenen Patienten hatten einen ECOG-Performance-Status von 0 bis 1 und hatten zuvor noch keine Anti-PD-1-Therapeutika oder andere therapeutische Antikörper und medikamentöse Therapien zur Regulation der T-Zellen erhalten.

Die Studienmedikation bestand aus 3 mg/kg Nivolumab i.v. alle 2 Wochen oder Placebo. Die Behandlung wurde fortgeführt bis zum Progress oder bis Nebenwirkungen einen Abbruch erforderlich machten. Der primäre Endpunkt war das Gesamtüberleben. Von 2014 bis 2016 wurden 493 Patienten randomisiert, 330 auf Nivolumab und 163 auf Placebo. Beim Daten-Cutoff (13. August 2016; die Studie läuft weiter) waren die Patienten 6 bis 12 Monate nachbeobachtet worden.

 
Nivolumab ist eine weitere Option in dieser Situation (stark vorbehandelten Patienten). Prof. Dr. Matthias Ebert
 

Signifikant höheres Gesamtüberleben, günstiges Nebenwirkungsprofil

Das mittlere Gesamtüberleben in der Nivolumab-Gruppe lag bei 5,16 Monaten und in der Placebogruppe bei 4,14 Monaten (Hazard Ratio: 0,63; p < 0,0001). Die 12-Monats-Überlebensraten betrugen 26,2% in der Nivolumab-Gruppe und 10,9% in der Placebogruppe. Nivolumab hatte zudem Vorteile hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens und des radiologischen objektiven Ansprechens.

Das Sicherheitsprofil von Nivolumab erwies sich als günstig: Behandlungsbedingte Nebenwirkungen vom Grad 3 oder 4 traten bei 10% der Patienten auf (Placebo 4%). „Nebenwirkungen von Checkpoint-Inhibitoren sind vor allem Autoimmunerkrankungen, da die Substanzen stark in das Immunsystem eingreifen“, berichtet Ebert, der auch Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Gastrointestinale Onkologie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten ist. „Im Vergleich zu Chemotherapeutika sind die Nebenwirkungen moderater.“

Chau weist darauf hin, dass die Patienten in der Studie möglicherweise nicht lange genug mit Nivolumab behandelt wurden bzw. die Gesamtzahl an Dosen zu niedrig gewesen sein könnte, um autoimmunbedingte Nebenwirkungen zu verursachen: „Die laufenden randomisiert-kontrollierten Studien zu Nivolumab und Pembrolizumab in früheren Therapielinien werden die Inzidenz immunbedingter Nebenwirkungen bei Patienten mit Magenkarzinomen und längerer Exposition gegenüber PD-1-Antikörpern akkurater aufzeigen.“

Welche Patienten profitieren am meisten?

Gegenüber Medscape weist Ebert zudem darauf hin, dass offenbar nicht alle Patienten im gleichen Maß von PD-1-Inhibitoren profitieren: „Die meisten Patienten zeigen einen raschen Progress, während 10 bis 15 Prozent trotz der intensiven Vorbehandlung noch 15 oder gar 20 Monate überleben“, berichtet Ebert. „Es wäre wichtig herauszufinden, um welche Patientengruppe es sich dabei handelt.“

 
Im Vergleich zu Chemotherapeutika sind die Nebenwirkungen moderater. Prof. Dr. Matthias Ebert
 

Laut The Cancer Genome Atlas (TCGA) gibt es 4 molekulare Subtypen von Magenkarzinomen: Epstein-Barr-Virus-positiv, hohe Mikrosatelliteninstabilität, genomisch stabil und chromosomal instabil. „Tumoren mit hoher Mikrosatelliteninstabilität haben bei anderen soliden Tumoren hohe Ansprechraten auf Immuntherapien gezeigt“, schreiben Kang und seine Kollegen.

„Möglicherweise sind es diese Subtypen, die besonders auf eine Anti-PD-1-Therapie ansprechen“, so Ebert. „Außerdem weiß man z.B. vom Dickdarmkrebs, dass Tumoren mit Störungen der DNA-Reparatur und in der Folge hoher Mutationslast gut auf Immuntherapeutika ansprechen – vielleicht ist das auch bei den Magenkarzinomen so, das müssen wir nun noch herausfinden.“ In der Studie von Kang und seinen Kollegen lagen Informationen zu TCGA-Subtypen und Tumor-Mutationslast nicht vor.

Daten nicht uneingeschränkt übertragbar

In einem Editorial weist Dr. Ian Chau, Department of Medicine, Royal Marsden Hospital, Surrey, Großbritannien, auf eine weitere Einschränkung der Studie hin [2]. Da sie ausschließlich in asiatischen Ländern durchgeführt worden sei, könnten die Ergebnisse möglicherweise nicht auf Europäer übertragbar sein.

Ebert bestätigt: „Die Grundlagen des Magenkarzinoms im asiatischen Raum sind andere als im europäischen oder nordamerikanischen Raum. Ich gehe davon aus, dass sich die Ergebnisse nicht grob unterscheiden werden. Ich erwarte auch im europäischen Raum einen Zugewinn an Überleben, aber vielleicht nicht in der gleichen Größenordnung.“

 
Ich erwarte auch im europäischen Raum einen Zugewinn an Überleben, aber vielleicht nicht in der gleichen Größenordnung. Prof. Dr. Matthias Ebert
 

Randomisierte Studien, die Nivolumab und andere Checkpoint-Inhibitoren auch bei westlichen Patienten untersuchen, laufen noch. Nicht randomisierte Daten deuteten aber darauf hin, dass Checkpoint-Inhibitoren auch bei westlichen Patienten wirksam sind, berichtet Chau. In der beim ASCO 2017 vorgestellten CHECKMATE-032-Studie lag das 12-Monats-Gesamtüberleben von mit Nivolumab behandelten Patienten bei 26%. In der KEYNOTE-059-Studie wurde mit Pembrolizumab ein Gesamtüberleben nach 12 Monaten von 23,4% erreicht.



REFERENZEN:

1. Kang YK, et al: Lancet (online) 6. Oktober 2017

2. Chau I: Lancet (online) 6. Oktober 2017

Kommentar

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