Darmkrebs-Screening: Wie gut sind die neuen immunologischen Stuhltests? DKFZ-Experten machen Vergleichstest

Anke Brodmerkel

Interessenkonflikte

11. Oktober 2017

Die neuen immunologischen Stuhltests, die im April dieses Jahres die alten Guajak-basierten Tests abgelöst haben, spüren die große Mehrheit aller Darmkarzinome und auch viele Darmkrebs-Vorstufen auf. Das ist das Ergebnis einer Studie, die Wissenschaftler um Anton Gies von der Abteilung Präventive Onkologie des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg im Fachblatt Gastroenterology vorgestellt haben [1].

Manche Hersteller der Stuhltests sollten ihren Cut-off neu formulieren

Prof. Dr. Hermann Brenner

Das Team unter der Leitung von Prof. Dr. Hermann Brenner, der der Abteilung Präventive Onkologie am NTC und DKFZ vorsteht, verglich erstmals 9 hierzulande gängige immunologische Tests miteinander. Frühere Studien hatten ihr Augenmerk stets nur auf einen oder maximal 2 dieser Tests gelegt. „Es zeigte sich, dass alle von uns untersuchten Tests prinzipiell in der Lage sind, gute und miteinander vergleichbare Ergebnisse zu liefern“, sagt Brenner gegenüber Medscape. „Allerdings müssen die Hersteller zu diesem Zweck die von ihnen festgelegten Grenzwerte noch einmal überdenken und den Cut-off zum Teil neu formulieren.“

Gies und seine Kollegen nutzten für ihre Studie zwischen 2005 und 2010 gesammelte und tiefgefrorene Stuhlproben von Probanden, die sich zusätzlich einer Darmspiegelung unterzogen hatten. Von den 1.667 Teilnehmern wählten die Forscher alle 216 aus, bei denen im Rahmen der Koloskopie fortgeschrittene Neoplasien entdeckt worden waren, und darüber hinaus randomisiert weitere 300 Personen, deren Darmspiegelung unauffällig gewesen war.

Die Zuverlässigkeit der Tests wurde anhand von 3 Kriterien bestimmt

Die 516 Stuhlproben wurden anschließend mithilfe aller 9 Tests durch die Heidelberger Wissenschaftler untersucht. Bei 5 dieser Tests ist ein spezialisiertes Labor mit entsprechender Geräteausstattung notwendig. Die anderen 4 Tests können mit kleineren „Point-of-care“-Geräten auch direkt in einer hausärztlichen, urologischen oder gynäkologischen Praxis ausgewertet werden.

Unter ihnen ist auch ein Test, der mithilfe einer Smartphone-App ausgewertet und somit theoretisch sogar zuhause per Handy durchgeführt werden kann. Alle Hersteller mussten ihre Tests den Forschern kostenfrei zur Verfügung stellen. „Auch ansonsten haben wir sehr darauf geachtet, dass kein Hersteller in irgendeiner Weise bevorzugt wurde“, sagt Brenner.

 
Es zeigte sich, dass alle untersuchten Tests in der Lage sind, gute und vergleichbare Ergebnisse zu liefern. Prof. Dr. Hermann Brenner
 

Die Zuverlässigkeit der 9 Tests wertete das Team um Gies anhand von 3 verschiedenen Kriterien aus:

  • anhand der von den Herstellern angegebenen Hämoglobin-Grenzwerte, oberhalb derer ein Verdacht auf Darmkrebs vorliegt (diese variierten zwischen 2μg und 17μg Hb/g Stuhl),

  • anhand eines einheitlichen Grenzwertes von 15μg Hb/g Stuhl und

  • anhand angepasster Grenzwerte, mit denen eine Spezifität – also eine Wahrscheinlichkeit, gesunde Personen korrekt zu identifizieren – von 99%, 97% beziehungsweise 93% erzielt wird.

Nach Anpassung der Grenzwerte fanden sich sehr ähnliche Ergebnisse

„Folgt man den Angaben der Hersteller, finden sich große Unterschiede in der Häufigkeit positiver Ergebnisse“, sagt Brenner. Die Sensitivität, also der Anteil der entdeckten fortgeschrittenen Neoplasien (bei denen es sich zum größten Teil um fortgeschrittene Adenome und nur zu einem kleinen Teil um bereits bestehenden Darmkrebs handelte), schwankte in diesem Fall zwischen 21,8% und 46,3%. Die Spezifität betrug zwischen 85,7% und 97,7%. Ähnlich groß waren die Schwankungen, wenn die Forscher den einheitlichen Schwellenwert von 15μg Hb/g Stuhl zugrunde legten (16,2% - 34,3% bzw. 94,0% - 98,0%).

Passte das Team um Gies jedoch die Schwellenwerte an die gewünschte Spezifität an, so lieferten alle Tests recht ähnliche Ergebnisse. Bei einer angestrebten Spezifität von 99%, 97% bzw. 93% schwankte die Sensitivität nur zwischen 14,4% und 18.5%, 21,3% und 23,6% bzw. 30,1% und 35.2%. Auch die Positivraten waren vergleichbar (2,8% - 3,4%, 5,8% - 6,1% und 10,1% - 10,9%). Selbst der Smartphone-Test konnte dann mit den Analysen aus dem Labor mithalten.

„Unsere Studie bestätigt einmal mehr, dass die neuen immunologischen Verfahren den alten Guajak-Tests überlegen sind“, sagt Brenner. Dennoch müssten die Hersteller ihre Anleitungen zur Auswertung der Tests teilweise noch einmal überarbeiten. „Ich denke, dass sie das auch tun werden“, sagt der Epidemiologe. „Denn aus den von uns gewonnenen Zahlen lassen sich durchaus Empfehlungen für die Schwellenwerte einzelner Tests ableiten.“

 
Folgt man den Angaben der Hersteller, finden sich große Unterschiede in der Häufigkeit positiver Ergebnisse. Prof. Dr. Hermann Brenner
 

Als Goldstandard der Darmkrebsprävention gilt nach wie vor die Koloskopie

Der Vorstandsvorsitzende des DKFZ, Prof. Dr. Michael Baumann, sieht das ähnlich: „Mit dieser Arbeit geben Brenner und Kollegen ganz konkrete Empfehlungen, wie die Früherkennung von Darmkrebs noch weiter verbessert werden kann“, wird Baumann in einer Pressemitteilung des DKFZ zitiert. Es sei wichtig, den Menschen neben der eher aufwändigen Darmspiegelung, die nach wie vor der Goldstandard bei der Darmkrebsvorsorge sei, auch eine niederschwellige Screening-Untersuchung anzubieten, betont der Mediziner.

In Deutschland haben bekanntlich alle gesetzlich Krankenversicherten ab dem 55. Lebensjahr Anspruch auf 2 Koloskopien im Abstand von mindestens 10 Jahren. Allerdings nehmen nach Angaben des DKFZ derzeit nur 20 bis 30% der Berechtigten dieses Angebot wahr. Die neuen immunologischen Stuhltests, die vom 50. Lebensjahr an einmal jährlich von den Kassen bezahlt werden, sollen dabei helfen, mehr Menschen zu einer Vorsorgeuntersuchung zu motivieren. Ab dem 55. Lebensjahr übernehmen die Kassen die Kosten für den Stuhltest alle 2 Jahre, falls sich der Patient gegen die Darmspiegelung entscheidet.

Deutschland könnte von seinen Nachbarn, den Niederlanden, lernen

„Bei unseren Nachbarn in den Niederlanden wird das Angebot zur Darmkrebsvorsorge schon deutlich besser genutzt als bei uns“, berichtet Brenner. Dort werden die Menschen mit einem persönlichen Brief zur Teilnahme eingeladen. Ein Stuhltest wird dabei direkt mitgeschickt. Dadurch lassen sich Teilnahmeraten von mehr als 60% erreichen. „Deutschland ist davon bisher noch weit entfernt“, sagt Brenner.

 
Die Studie bestätigt, dass die neuen immunologischen Verfahren den alten Guajak-Tests überlegen sind. Prof. Dr. Hermann Brenner
 

Im Rahmen des Nationalen Krebsplans haben Experten schon vor Jahren die Einführung eines organisierten Screenings mit persönlicher Einladung der Berechtigten gefordert. Das Vorhaben sollte nach dem im Jahr 2013 verabschiedeten Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz innerhalb weniger Jahre umgesetzt werden – was bisher noch nicht geschehen ist.

Deutliche Worte richtet der Krebsforscher Brenner an die Entscheidungsträger im deutschen Gesundheitswesen: „Mit der überfälligen Umsetzung dieser Vorgaben könnten endlich auch in Deutschland höhere Teilnahmeraten und damit eine deutlich raschere Senkung der Erkrankungs- und Sterberaten bei Darmkrebs erzielt werden.“



REFERENZEN:

1. Gies A, et al: Gastroenterology 2017, 17. September 2017

Kommentar

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