Online-Programm gegen Schlaflosigkeit bewährt sich in Studie – und bessert psychische Probleme

Dr. Angela Speth

Interessenkonflikte

10. Oktober 2017

Online-Programme gegen Schlafstörungen können sich positiv auf die Schlafqualität und -quantität auswirken und zugleich psychische Probleme bessern, so das Fazit einer kürzlich im Lancet veröffentlichten Studie mit einem Online-Programm namens „Sleepio“ [1]. Nach Ansicht der Autoren um Prof. Dr. Daniel Freeman von der Universität Oxford sind die Ergebnisse auch ein Hinweis darauf, dass schlechter Schlaf nicht nur häufig eine Begleiterscheinung psychischer Probleme ist, sondern auch deren Ursache.

Gesunder Schlaf sei ein kausaler Faktor für die mentale Gesundheit und schlechter Schlaf sollte daher nicht bagatellisiert werden, mahnt Freeman. Dies bestätigt Dr. Tea Lallukka von der Universität Helsinki in einem Kommentar: Die britische Arbeitsgruppe mache deutlich, wie wichtig es sei, eine Insomnie auch deswegen zu therapieren, weil man so psychischen Störungen vorbeugen könne. Entsprechende Therapien seien via Internet leicht verfügbar und kostengünstig und sollten daher auf diesem Weg fest etabliert werden, schreibt sie. Bei dem in der aktuellen Studie verwendeten Programm Sleepio handelt es sich um eine ebenfalls via Internet verfügbar kognitive Verhaltenstherapie (CBT).

Schlaftherapie via Internet

Übereinstimmend mit einer kleinen Zahl anderer randomisierter kontrollierter Untersuchungen bestätige diese erste ausreichend große und damit aussagekräftige Studie verschiedene günstige Effekte des Schlafs auf die geistige Gesundheit, so Lallukka weiter.

Für ihre Studie hatten die Psychologen Kontakt mit Studenten an 26 britischen Universitäten aufgenommen. Alle 3.755 Teilnehmer hatten gemäß SCI-8 (Sleep Condition Indicator mit 8 Abfragepunkten) Schlafstörungen (weniger als 17 Punkte). Bei 18% von ihnen war bereits eine psychiatrische Diagnose gestellt worden. Sie erhielten im Verhältnis 1:1 entweder Zugang zu „Sleepio“ oder sie setzten ihren Alltag und eventuelle Therapien wie bisher fort. Die Randomisierung erfolgte einfach-blind, das heißt, die Mitarbeiter wussten nicht, wer wo zugeordnet war.

Bei der interaktiven App „Sleepio“ werden die einzelnen Bausteine von einer Animationsfigur präsentiert. Dazu gehören:

  • Verhaltenstherapie

  • kognitives Training

  • Edukation mit Informationen zum Schlafprozess und zur Schlafhygiene.

Zusätzlich fordert sie zum Führen eines Schlaftagebuchs auf, in der auch Anweisungen und Tipps für einen besseren Schlaf dokumentiert werden.

Ebenfalls online füllten die Teilnehmer zu Beginn, nach 3 Wochen, zum Ende der Therapie nach 10 Wochen sowie 3 Monate später Bewertungstabellen aus. Primäres Studienziel war, den Rückgang von Paranoia und Halluzinationen zu messen, sekundär ging es um den Einfluss auf Depressionen und Angststörungen.

Zur Bestimmung der Schwere der Schlafstörung sowie Leistungseinschränkungen am Tag diente der in 8 Abfragen gegliederte validierte SCI-8. Die Höchstzahl von 32 Punkten deutet auf guten Schlaf hin.

Paranoia wurde mittels des Paranoid Thought-Skala (Höchstwert 80 Punkte) evaluiert; Halluzinationen mit dem Specific Psychotic Experiences Questionnaire –Hallucinations subscale (Höchstwert 45 Punkte).

Zur Bestimmung der Zweitparameter verwendeten die Autoren:

  • den Prodromal Questionnaire (psychotische Erfahrungen)

  • den Patient Health Questionnaire (affektive Symptome)

  • die Generalized Anxiety Disorder-Skala (Angststörungen)

  • die Altman Mania-Skala (Manie)

  • die Warwick-Edinburgh Mental Wellbeing-Skala (geistiges Wohlbefinden)

  • sowie die Work and Social Adjustment-Skala (Beeinträchtigungen im Arbeitsleben, Fähigkeit zur sozialen Anpassung).

Rund die Hälfte der Studenten beendete die Studie vorzeitig. Nur 18% der Teilnehmer in der Sleepio-Gruppe absolvierten alle 6 Sitzungen, 69% loggten sich wenigstens einmal ein. In der Interventionsgruppe hatten jedoch 62% der Teilnehmer nach der Behandlung gemäß SCI-8 keine Schlafstörungen (mindestens 17 Punkte) mehr. In der Kontrollgruppe waren es 29%.

Im Vergleich zur Kontrollgruppe hatten sich in der Sleepio-Gruppe die Punktwerte auf den entsprechenden Skalen anhaltend verbessert: die Insomnie um durchschnittlich 4,78, die Paranoia um 2,2 und die Halluzinationen um 1,58 Punkte.

In einer Analyse errechneten die Forscher, dass die so erreichte Verbesserung des Schlafs Paranoia und Halluzinationen um 60% reduzieren könne.

Vorteilhaft hatte sich das Programm auch auf Depressionen, Ängste, prodromale Symptome, psychisches Wohlbefinden, Alpträume und Alltagsbewältigung ausgewirkt. Allerdings suchten die Studienteilnehmer unverändert häufig psychologische Gesundheitsdienste auf.

Kognitive Verhaltenstherapie gegen Schlafstörungen

Kognitive Verhaltenstherapien (CBT) gelten als 1. Wahl bei chronischen Schlafstörungen. Lange Zeit teuer und für viele Patienten schwer verfügbar, sind sie vor allem seit 2014 leicht und kostengünstig im Internet zugänglich. Das CBT-Verfahren Sleepio mit personalisierter Beratung und wöchentlicher Fortschrittskontrolle haben der Schlafexperte Prof. Dr. Colin Espie von der Universität Oxford und seine Mitarbeiter entwickelt.

Ihrer eigenen Studie zufolge verbessert es den Schlaf bei 75% der Teilnehmer. Grundlegend ist die Annahme, dass Insomnie hauptsächlich auf der Furcht basiert, kaum Schlaf zu finden. Das Ziel des Programms: Statt Angst, Hilflosigkeit, Wut oder Verzweiflung sollen positive Gefühle vermittelt werden.

Patienten, die das Programm erstmals aufrufen, müssen zunächst unterschiedliche Fragen beantworten, etwa: Warum schlafen Sie wenig? Welche Gedanken sind damit verbunden? Bestehen Probleme beim Ein- oder Durchschlafen? Wachen Sie zu früh auf? Wie lange bestehen die Schlafstörungen?

Nach der Anmeldung werden die Nutzer aufgefordert, ein Schlaftagebuch zu führen, und sie erhalten E-Mails mit Anleitungen und Infos rund ums Schlafen. Während der 6 Sitzungen von jeweils 20 Minuten Dauer werden die Teilnehmer vom so genannten „Prof“ betreut, einem virtuellen Männchen.

Der „Prof“ gibt klare Anweisungen, z.B. was zu tun ist, wenn man nachts aufwacht und nicht innerhalb einer Viertelstunde wieder einschläft. Weiterhin gibt er Tipps zum Lebensstil, etwa zu Sport und Bewegung

Für ein besseres Durchschlafen setzt das Programm auf Schlafrestriktion. Anhand des Schlaftagebuchs addiert der „Prof“ die durchschnittliche Länge der Schlafphasen und bestimmt so den Zeitraum, den man fortan im Bett verbringen darf.

Zusätzlich sollen schlechte Schläfer beunruhigende Gedanken vermeiden, indem sie abends alle Erlebnisse des Tages und anstehende Aufgaben aufschreiben. 



REFERENZEN:

1. Freeman D, et al: The Lancet Psychiatry (online) 06. September 2017

2. Lallukka T, et al: The Lancet Psychiatry (online) 06. September 2017

Kommentar

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