Madrid – Patienten mit einem reseziertem Melanom und hohem Rezidivrisiko profitieren von einer adjuvanten Therapie mit Nivolumab stärker als vom aktuellen Standard Ipilimumab, so die Ergebnisse der Phase-3-Studie CheckMate 238. Sie wurde wegen der Überlegenheit von Nivolumab vorzeitig gestoppt, da adjuvantes Nivolumab das rezidivfreie Überleben signifikant um 35% verlängerte – im Vergleich zu adjuvantem Ipilimumab. Gleichzeitig verringerte sich die Rate der Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher um etwa ein Drittel. Die Studie wurde von Prof. Dr. Jeffrey S. Weber, Laura and Isaac Perlmutter Cancer Center, NYU Langone Medical Center, New York City, auf einem Präsidentensymposium beim Kongress der European Society for Medical Onkology (ESMO) 2017 vorgestellt und parallel dazu im New England Journal of Medicine publiziert [1,2].
Bei einer ESMO-Pressekonferenz sagte Weber: „Nivolumab zeigte eindeutig eine klinisch relevante und statistisch signifikante Verbesserung des rezidivfreien Überlebens im Vergleich zu hoch dosiertem Ipilimumab bei Patienten mit reseziertem Melanom im Stadium 3B, 3C und 4. Der Nutzen von Nivolumab wurde in fast allen vordefinierten Subgruppen beobachtet."
Weber hob auch das Verträglichkeitsprofil von Nivolumab im Vergleich zu Ipilimumab hervor: „Nach meiner Meinung bietet Nivolumab ein sehr akzeptables Nutzen-Risiko-Profil als adjuvante Therapie für resezierte Hochrisiko-Melanome.“ Sein Fazit: „Ich denke, dass es das Potenzial hat, eine effektive Behandlungsoption für Patienten mit reseziertem Melanom im Stadium 3 und 4 zu sein.“
Für die ESMO kommentierte Prof. Dr. John Haanen, Abteilung für Medizinische Onkologie, Niederländisches Krebsinstitut, Amsterdam, in einer Pressemitteilung, dass auch Ipilimumab einen Überlebensvorteil im Vergleich zu Placebo gezeigt habe, es jedoch hoch toxisch sei. Dies habe zu einer gewissen Zurückhaltung beim Einsatz der Substanz geführt, vor allem in der Adjuvans. In den USA sei es zwar Therapiestandard, in Europa werde seine Anwendung aber immer noch diskutiert.
Deshalb bezeichnete er die aktuellen Befunde als „sehr erfreulich“ und fügte hinzu: „Sie zeigen zum ersten Mal, dass ein PD1-Inhibitor im adjuvanten Setting überlegen ist und dass Nivolumab aufgrund seiner geringeren Toxizität leichter anzuwenden ist als Ipilimumab. Das gleiche konnte man beim metastasierten Melanom sehen, bei dem ein PD-1-Inhibitor wirksamer und besser verträglich als Ipilimumab ist und dieses in der Erstlinientherapie ersetzt hat.“
Studiendetails
CheckMate 238 war eine randomisierte, doppelblinde Phase-3-Studie mit 906 Teilnehmern im Alter ab 15 Jahren. Nach kompletter Resektion eines Melanoms vom Stadium 3B, 3C oder 4 erhielten sie randomisiert insgesamt viermal Nivolumab 3 mg/kg (n = 453) alle 2 Wochen oder viermal Ipilimumab 10 mg/kg alle 3 Wochen und anschließend einmal alle 12 Wochen (n = 453).
Die Therapie sollte bis zu einem Jahr, bis zum Fortschreiten der Erkrankung, bis zum Auftreten inakzeptabler Nebenwirkungen oder bis zum Widerruf der Einwilligung des Patienten dauern. Primärer Endpunkt war das rezidivfreie Überleben in der Intention-to-Treat-Analyse. Zu den sekundären Endpunkten gehörten das Gesamtüberleben, die Verträglichkeit und das rezidivfreie Überleben in Abhängigkeit von der PD-L1-Expression des Tumors. Im Protokoll war eine Interimsanalyse nach 18 Monaten Follow-up aller Patienten vorgesehen, deren Ergebnisse nun präsentiert wurden.
Die demographischen Parameter der Patienten in beiden Gruppen waren ähnlich. An einem Melanom im Stadium 3B litten 34% der Patienten, 47% hatten ein 3C- und 19% ein Stadium-4-Melanom. Der Primärtumor war bei 32% der Patienten ulzeriert, bei 48% waren die Lymphknoten makroskopisch beteiligt. 42% der Patienten wiesen BRAF-Mutationen auf.
In beiden Gruppen ist bislang das mediane rezidivfreie Überleben (RFS) noch nicht erreicht. Nach 12 Monaten betrug die Rate 70,5% unter Nivolumab und 60,8% unter Ipilimumab, nach 18 Monaten 66,4% bzw. 52,7%. Bei Beurteilung durch die Untersucher war das rezidivfreie Überleben mit Nivolumab signifikant länger als mit Ipilimumab, die Hazard Ratio für ein Rezidiv oder Tod betrug 0,65 (p < 0,001).
Bei Patienten mit PD-L1-Expression unter 5% mit PD-L1-Expression sowie bei 5% oder höher war das 12-Monates-RFS mit Nivolumab besser als mit Ipilimumab. Die Rate war jedoch bei Patienten mit einer PD-L1-Expression ab 5% mit 81,9% vs. 64,3% höher als bei einer niedrigeren PD-L1-Expression.
Deutlich weniger Patienten (14,4%) litten mit Nivolumab unter therapiebedingten Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher als mit Ipilimumab (45,9%). Ein Therapieabbruch wegen Nebenwirkungen war bei Nivolumab-Behandlung mit 9,7% seltener als unter Ipilimumab-Therapie mit 42,6%. 2 Todesfälle aufgrund toxischer Reaktionen wurden in der Ipilimumab-Gruppe mehr als 100 Tage nach der Therapie registriert, unter Nivolumab starb kein Patient an einer toxischen Reaktion.
Ändert sich die Biologie des Tumors?
Um die Wirkungen von Nivolumab bei Patienten mit Melanom im Stadium 3 besser beurteilen zu können, sind aber längere Nachbeobachtungszeiten erforderlich. Denn nach Aussage von Weber könne Nivolumab möglicherweise die Biologie des Tumors ändern: „Die meisten Patienten, die letztendlich rezidivieren oder einen Hochrisikotumor haben, bekommen einen PD1-Antikörper. Daher stellt sich eine Reihe interessanter Fragen, etwa: Haben wir die Biologie der Erkrankung beeinflusst?“ Als nächstes wäre dann zu klären, wie die Patienten mit einem Rezidiv zu behandeln sind.
Es sei allerdings schwierig, mit Nivolumab einen Überlebensvorteil in diesem Setting nachzuweisen, weil es eine hohe Zahl von Crossover-Patienten gab. „In allen Ländern, in denen diese Studien durchgeführt wurden, sind Ipilimumab und Nivolumab für die Behandlung des metastasierten Melanoms zugelassen. Wenn also ein Patient unter Ipilimumab ein Rezidiv erleidet, erhält er Nivolumab, wenn er unter Nivolumab rezidiviert, kann er mit Ipilimumab behandelt werden.“
Die Interpretation der Daten wird durch einen weiteren Faktor verkompliziert, und das ist die 8. Auflage der AJCC-Stadieneinteilung, die am 1. Januar 2018 in Kraft treten wird. „Das kann die Interpretation verkomplizieren, aber ich denke es ist sehr deutlich, dass wir mit der adjuvanten Nivolumab-Therapie ein gutes und nützliches Regime haben“, sagte Weber.
Welche Therapie wählen?
Ebenfalls beim ESMO-2017-Kongress wurden die Ergebnisse einer weiteren Phase-3-Studie zur adjuvanten Therapie bei reseziertem Melanom im Stadium 3 präsentiert: In der COMBI-AD-Studie wurde die Kombination von Dabrafenib und Trametinib bei 870 Patienten mit BRAF-Mutation mit Placebo verglichen ( Medscape berichtete). Die Studie zeigte, dass die kombinierte Therapie zu einer Reduktion des relativen Risikos für Rezidiv und Tod um 53% führte.
Das Gesamtüberleben nahm um 43% zu und das Risiko für Fernmetastasen sank um 49%. „Dies sind die besten Resultate, die wir jemals in der adjuvanten Therapie des fortgeschrittenen Melanoms in den vergangenen 40 Jahren gesehen haben“, wird Prof. Dr. Axel Hauschild, Oberarzt der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie des Universitätsklinikums Schleswig Holstein (UKSH), Campus Kiel, in einer Pressemitteilung zitiert. „Die Kombinationstherapie mit Dabrafenib und Trametinib verlängerte die rezidivfreie Überlebenszeit im Vergleich zu Placebo um mehr als das Doppelte und die Verbesserung im Gesamtüberleben war ebenfalls beeindruckend.“
Damit stellt sich die Frage, welche Therapie gewählt werden sollte, wenn beide zu so guten Ergebnissen führen. Weber denkt, dass jeder Patient mit BRAF-Wildtyperkrankung ein Kandidat für adjuvantes Nivolumab ist. „Bei BRAF-mutierten Patienten vergleichen wir nun Birnen mit Äpfeln“. Wenn man – was statistisch nicht sauber wäre – die 2 Studien direkt vergleichen würde, käme man für Nivolumab vs. Placebo zu einer Hazard Ratio, die mindestens so gut sei, wie die in der COMBI-AD-Studie, eventuell sogar besser.
Es sei jetzt aber einfach so, dass man 2 gute Alternativen habe. Es werde auf jeden Fall eine schwierige Entscheidung sein. Hierbei spielen möglicherweise auch praktische Überlegungen eine Rolle, denn Dabrafenib und Trametinib können oral gegeben werden, während Nivolumab intravenös infundiert wird.
2 vielversprechende neue Optionen
Als Kommentator für die ESMO sagte Prof. Dr. Olivier Michielin, Abteilung für Onkologie, Melanomklinik, Lausanne, Schweiz: „Mit diesen Daten haben wir nun zwei fantastische neue Optionen.“ Man habe sich nicht vorstellen können, dass diese Studien so positiv verlaufen würden. „Das wird für unsere Patienten tatsächlich eine neue Zukunft bedeuten.“ Wenn diese Daten noch reifer sind, könne man künftig eventuell auch besser entscheiden, welche Therapie für welchen Patienten in Frage käme. Man werde nun regelmäßig mit Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung darüber reden müssen, ob man eine gezielte Therapie oder eine Immuntherapie einsetze.
Ipilimumab hat nach Ansicht von Weber nach wie vor einen Platz in der Melanomtherapie, z.B. bei Patienten, bei denen eine gezielte Therapie oder eine Behandlung mit Nivolumab versagt habe. „Dies gilt z. B. für einen Patienten, der auf Nivolumab nicht anspricht und einen BRAF-Wildtyp-Tumor hat. Man kann Ipilimumab geben. Versagt Nivolumab bei einem BRAF-mutierten Tumor, kann man Dabrafenib-Trametinib geben. Mit Blick auf die Toxizität von Ipilimumab würde ich dies dann bevorzugen“.
Wie alle guten Studien würden auch diese Studien eine Vielzahl neuer Fragen aufwerfen. Aber er sieht nach wie vor einen Platz für Ipilimumab in der Therapie der Patienten, die auf die anderen Behandlungsoptionen nicht ansprechen.
Dieser Artikel wurde von Dr. Susanne Heinzl aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
REFERENZEN:
1. ESMO 2017 Congress (European Society for Medical Oncology), 8. bis 12. September 2017, Madrid/Spanien
2. Weber J, et al: NEJM (online) 11. September 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Melanom: „Zwei fantastische neue Optionen“ gegen Rezidive nach OP – Nivolumab und die Kombi Dabrafenib/Trametinib - Medscape - 28. Sep 2017.
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