Alt bewährt: Chemo-Radiotherapie bleibt Standard beim Zervixkarzinom – Neoadjuvant plus OP schneidet schlechter ab

Liam Davenport

Interessenkonflikte

28. September 2017

Madrid – Patienten mit lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom sollten weiterhin mit Chemo-Radiotherapie behandelt werden. Es sollte ihnen initial keine alleinige Chemotherapie gefolgt von radikaler Operation angeboten werden, so indische Forscher, die die beiden Therapieansätze in einer randomisierten Studie verglichen haben. Die Studie wurde von Prof. Dr. Sudeep Gupta, Tata Memorial Center, Mumbai, Indien, während eines Präsidentensymposium beim Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) präsentiert [1].

Die Standardbehandlung des lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinoms bestand in den letzten 20 Jahren aus Strahlentherapie mit gleichzeitiger Gabe von Cisplatin. Allerding kam es bei bis zu 40% der Frauen nach der Behandlung zum Rückfall, so dass man sich für eine neoadjuvante Chemotherapie gefolgt von radikaler Operation (NACT-Operation) interessierte. Ein Grund dafür war, dass in älteren Studien mit Vergleich von stärker invasiven Ansätzen mit Bestrahlung allein positive Ergebnisse erzielt worden waren.

Nun zeigte jedoch die neue Studie mit mehr als 600 Frauen, dass die NACT-Operation über einen Zeitraum von 5 Jahren mit einem signifikanten Anstieg von Rezidiven und Sterbefällen von fast 40% im Vergleich zur Standardtherapie assoziiert war. Bei einer Pressekonferenz sagte Gupta: „Chemotherapie gefolgt von Operation ist bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom einer Bestrahlung mit gleichzeitiger Chemotherapie nicht überlegen ... und sollte nicht routinemäßig durchgeführt werden.“

Weil dies die 1. vollständige Studie ist, in der die beiden Therapieansätze direkt verglichen wurden, ergänzte er: „Dies ist eine robuste Studie mit 625 Patienten und wir denken, dass diese Daten aussagekräftig sind.“ Gupta ergänzte, dass derzeit eine weitere Studie mit diesem Therapieansatz von der European Organization for Research and Treatment of Cancer (EORTC) mit einer etwas unterschiedlichen Chemotherapie durchgeführt wird.

Er wies auch darauf hin, dass sich die Prävalenz bestimmter Subtypen des Zervixkarzinoms in Indien und Europa unterscheidet. In Indien dominieren Plattenepithelkarzinome während es in Europa Adenokarzinome sind. Er meinte jedoch: „Es gibt keinen Grund zu glauben, dass die Ergebnisse anders wären, wenn auch Adenokarzinome in die Studie eingeschlossen worden wären. Wir glauben, dass unsere Daten nahelegen, dass die gleichzeitige Chemo-Radiotherapie weiterhin Therapiestandard sein sollte“, so seine Schlussfolgerung.

PD Dr. Markus Joerger, Krebszentrum St. Gallen, Schweiz, sagte als Leiter der Pressekonferenz, dass vor dieser Studie nicht klar gewesen sei, „ob Chemotherapie gefolgt von einer Operation besser als eine Chemo-Radiotherapie ist. Ich denke wir sind uns darin einig, dass sie den derzeitigen Therapiestandard bestätigt hat.“ Die Ergebnisse der EORTC-Studie würden im Jahr 2019 erwartet.

Keine Unterschiede beim Gesamtüberleben

In die Studie wurden Patienten mit Plattenepithelzellkarzinom im Stadium IB2, IIA oder IIB und einem EGOG-Performance-Status zwischen 0 und 1 eingeschlossen. Sie wurden nach dem Stadium stratifiziert und randomisiert mit NACT-Operation (n = 317) oder Chemo-Radiotherapie (n = 318) behandelt. Als neoadjuvante Chemotherapie erhielten die Frauen Paclitaxel plus Carboplatin alle 3 Wochen über 3 Zyklen. Im Chemo-Radiotherapie-Arm erhielten sie Cisplatin einmal pro Woche über 5 Wochen zusammen mit externer Strahlentherapie und hochdosierter Brachytherapie. Patientinnen, die nach 2 oder 3 Zyklen auf die neoadjuvante Chemotherapie nicht angesprochen hatten, konnten ohne Operation in den Chemo-Radiotherapie-Arm wechseln.

 
Wir glauben, dass unsere Daten nahelegen, dass die gleichzeitige Chemo-Radiotherapie weiterhin Therapiestandard sein sollte. Prof. Dr. Sudeep Gupta
 

Die beiden Gruppen waren gut vergleichbar. Das mediane Alter lag bei 49 Jahren. Nach der neoadjuvanten Chemotherapie wurden 71,8% der NACT-Operationsgruppe operiert, 28,2% wechselten in die Chemo-Radiotherapie-Gruppe. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 58,8 Monate.

Nach der Intention-to-Treat-Analyse überlebten nach 5 Jahren 69,3% der Operationsgruppe krankheitsfrei, während es mit Chemo-Radiotherapie 76,7% waren. Damit war das Risiko für Rezidiv oder krebsbedingten Tod bei neoadjuvanter Therapie plus Operation signifikant höher als bei Chemo-Radiotherapie (Hazard Ratio: 1,38; p = 0,038). Nach Subgruppenanalysen profitierten vor allem Frauen mit einer Erkrankung im Stadium 2B von der Chemo-Radiotherapie im Vergleich zur NACT-Operation. Das Gesamtüberleben unterschied sich zwischen den beiden Gruppen nicht signifikant (HR: 1,03).

Bei Chemo-Radiotherapie traten innerhalb von 90 Tagen mehr Nebenwirkungen auf als mit NACT-Operation. Die Toxizitätsraten verschiedener Grade unterschieden sich jedoch nach 2 Jahren nicht signifikant in Nebenwirkungen am Rektum, an der Blase und anderen Stellen. Allerdings kam es unter NACT-Operation zu einer signifikanten Reduktion der vaginalen Toxizität mit einer 2-Jahresrate von 12,0% versus 25,6% mit Chemo-Radiotherapie (p < 0,001).

Keine voreiligen Schlüsse

Diskutantin Dr. Domenica Lorusso, Gynäkologische Onkologie, Fondazione IRCCS Istituto Nazionale dei Tumori, Mailand, Italien, betonte, dass die Erkrankung vor allem in Entwicklungsländern eine hohe Belastung sei und dort zu vielen Todesfällen führe. Die NACT-Operation wäre vor allem in den Ländern entwickelt worden, in denen keine Chemo-Radiotherapie verfügbar war und sie sei dort in Leitlinien mittlerweile als Alternative zur Chemo-Radiotherapie aufgeführt.

Nach Ansicht von Lorusso limitieren die langsame Rekrutierung und der vorzeitige Studienabbruch die Interpretation der Ergebnisse. Möglicherweise habe die Chemo-Radiotherapie übermäßig im Vergleich zum chirurgischen Ansatz profitiert, weil die neoadjuvante Chemotherapie suboptimal gewesen sei. Auch sei das progressionsfreie Überleben nicht der optimale primäre Endpunkt, weil es nur ein Surrogatparameter sei.

Zusammenfassend sagte die italienische Onkologin, dass die Chemo-Radiotherapie Standard beim lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinom bleibe, aber sie befürwortet nachdrücklich, auf die Ergebnisse der EORTC-Studie zu warten, bevor man über die NACT-Operation den Daumen senke. Sie bleibe eine wichtige Option bei verschiedenen Indikationen sowie auch in Entwicklungsländern.



REFERENZEN:

1. ESMO 2017 Congress (European Society for Medical Oncology), 8. bis 12. September 2017, Madrid/Spanien

Kommentar

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