Madrid – Abemaciclib (Lilly) ist der 3. Vertreter der neuen Wirkstoffklasse der Cyclin-abhängigen Kinase (CDK) 4/6-Inhibitoren. In der Phase-3-Studie MONARCH 3 hat er in der Erstlinienbehandlung therapienaiver postmenopausaler Frauen mit fortgeschrittenem, Hormonrezeptor-positivem (HR+), HER2-negativem (HER2-) Brustkrebs gute Ergebnisse gezeigt: Die zusätzliche Gabe von Abemaciclib zu Anastrozol oder Letrozol war mit einem signifikant verlängerten progressionsfreien Überleben assoziiert. Die Ergebnisse sind auf dem Kongress der European Society of Medical Oncology (ESMO) 2017 in Madrid vorgestellt worden [1].
Es wird erwartet, dass sich aus MONARCH 3 eine Erstlinienindikation für Abemaciclib als Kombinationstherapie ergeben wird. Doch Abemaciclib ist noch nicht auf dem Markt – und der Zulassungsantrag bei der US-Arzneimittelbehörde FDA basiert auf den Daten von MONARCH 2 und MONARCH 1. In diesen Studien zeigte sich unter Abemaciclib als Monotherapie ein objektives Ansprechen bei Frauen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem HR+/HER2- Brustkrebs, der nach einer oder mehreren endokrin basierten Therapien fortgeschritten war.
In der neuen Studie war der Therapieeffekt in allen Untergruppen von Patientinnen zu beobachten. Das Nebenwirkungsprofil bestätigte, was bereits MONARCH 1 und 2 gezeigt hatten: häufiger Diarrhoe und seltener Neutropenie im Vergleich zu anderen CDK4/6-Inhibitoren. 2 dieser Kinasehemmer sind bereits auf dem Markt: Palbociclib (Ibrance®, Pfizer) und Ribociclib (Kisqali®, Novartis).
In einem Statement kommentierte Dr. Giuseppe Curigliano, Direktor der Abteilung für Entwicklung neuer Medikamente, Europäisches Institut für Onkologie, Universität Mailand, Italien: „Abemaciclib ist der dritte CDK4/6-Inhibitor, der bei fortgeschrittenem Brustkrebs getestet wird, und die MONARCH-3-Studie bestätigt die Rolle dieser neuen Wirkstoffklasse in Kombination mit Antihormontherapie bei der Behandlung metastasierter Mammakarzinome.“
„Viele Patienten mit metastasierter Erkrankung erhalten weiterhin eine Chemotherapie, entgegen Leitlinienempfehlungen und Daten aus klinischen Studien“, ergänzte er. „Diese Studie bestätigt, dass wir bei Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem metastasiertem Brustkrebs keine Chemotherapie anwenden sollten, solange es nicht zu einer viszeralen Krise kommt.“
MONARCH 3 im Detail
Die MONARCH-3-Studie wurde beim Kongress von Erstautor Dr. Angelo Di Leo, Abteilung für Medizinische Onkologie „Sandro Pitigliani“, Krankenhaus Prato, Toskanisches Tumorinstitut, Prato, Italien, präsentiert.
In der doppelblinden Phase-3-Studie wurden therapienaive, postmenopausale Frauen mit fortgeschrittenem HR+/HER2- Brustkrebs randomisiert entweder mit Abemaciclib in Kombination mit einem nichtsteroidalen Aromatasehemmer (Anastrozol oder Letrozol) oder mit Placebo und Anastrozol/Letrozol behandelt. Die Studienteilnehmerinnen hatten keine endokrine Therapie erhalten oder hatten mehr als 12 Monate nach adjuvanter oder neoadjuvanter endokriner Therapie ein Rezidiv gehabt.
Alle Patientinnen erhielten täglich Anastrozol oder Letrozol in der Standarddosierung. Die 328 Patientinnen in der Abemaciclib-Gruppe erhielten zusätzlich 2-mal täglich Abemaciclib 150 mg, die restlichen 165 Patientinnen bekamen ein Placebo.
Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Sekundäre Endpunkte umfassten die objektive Ansprechrate und die Sicherheit.
MONARCH 3: Die Ergebnisse
Die Patientinnen waren gleichmäßig auf die Behandlungsgruppen verteilt. Di Leo berichtete, dass in beiden Gruppen jeweils etwa 53% der Frauen eine viszerale Erkrankung gehabt hätten, bei mehr als 80% die Krankheit messbar gewesen sei und mehr als die Hälfte weder im neoadjuvanten noch im adjuvanten Setting eine endokrine Therapie erhalten hätten.
Bei der Interimsanalyse nach 18 Monaten lag das progressionsfreie Überleben in der Kontrollgruppe bei 14,7 Monaten; in der Gruppe mit der Abemaciclib-Kombinationstherapie war es noch nicht erreicht (p = 0,000021). Aufgrund des signifikant verlängerten progressionsfreien Überlebens hatten Patientinnen, die die Abemaciclib-Kombinationstherapie erhielten, ein um 46% reduziertes Risiko für Krankheitsprogression. Ein verblindeter Review bestätigte diese Ergebnisse.
Die objektive Ansprechrate betrug bei den Patientinnen in der Abemaciclib-Gruppe 48% und bei den Patientinnen in der Kontrollgruppe 34,4% (p=0,002). Bei Patientinnen mit messbarer Erkrankung zu Studienbeginn betrug die objektive Ansprechrate 59% in der Abemaciclib- und 44% in der Kontrollgruppe (p=0,004).
„Die Daten deuten auch darauf hin, dass wir möglicherweise in der Lage sein werden, den Nutzen in den Patientengruppen besser zu differenzieren“, sagte Di Leo.
In einer exploratorischen Analyse zeigte sich, dass Patientinnen mit einem therapiefreien Intervall von weniger als 36 Monaten mit höherer Wahrscheinlichkeit von der Abemaciclib-Kombinationstherapie profitierten. Die PFS-Raten nach 6, 12 und 18 Monaten waren in der Abemaciclib-Gruppe (n = 42) beträchtlich höher als in der Kontrollgruppe (n = 36).
„Patientinnen mit problematischen Krankheitsmerkmalen, wie etwa Lebermetastasen, zogen einen beträchtlichen Nutzen aus der zusätzlichen Gabe von Abemaciclib“, berichtete Di Leo. Das mediane progressionsfreie Überleben betrug bei Patientinnen mit Lebermetastasen zu Studienbeginn 15 Monate in der Abemaciclib-Gruppe und 7,2 Monate in der Kontrollgruppe.
Allerdings: In den Untergruppen mit ausschließlich Knochenmetastasen oder mit indolenter Erkrankung, die Jahre nach Beendigung der adjuvanten endokrinen Therapie rezidivierte, hatten die Patientinnen bei alleiniger endokriner Therapie eine exzellente Prognose. „Es ist bekannt, dass diese Patientinnen eine bessere Prognose haben als diejenigen mit Leber- oder Lungenmetastasen oder diejenigen, die schon früh im Verlauf der adjuvanten endokrinen Therapie ein Rezidiv entwickeln“, sagte Di Leo.
In der Gruppe mit Abemaciclib-Kombinationstherapie waren Dosisreduktionen häufiger (43% vs. 6% in der Kontrollgruppe), ebenso wie Abbrüche (20% vs. 3% in der Kontrollgruppe). Die häufigsten Komplikationen unter Abemaciclib (vs. Kontrollgruppe) waren Diarrhoe (81,3% vs. 29,8%), Neutropenie (41,3% vs. 1,9%) und Fatigue (40,1% vs. 31,7%).
Für wen ist eine CDK 4/6-Inhibitor-Therapie geeignet?
ESMO-Experte Curigliano wies darauf hin, dass die wichtigste Frage noch beantwortet werden muss: Was ist die optimale Behandlungsreihenfolge in der Ära der CDK4/6-Inhibitoren? „Sollten wir diese Wirkstoffe in der Erstlinie verwenden, oder gibt es Raum, erst mit einer alleinigen Antihormontherapie zu starten und die CDK4/6-Inhibitoren bei Progression dazuzugeben?“, fragte er.
Dr. Nicholas Turner vom Institute of Cancer Research, London, Großbritannien, brachte in seiner Diskussion der Studie ganz ähnliche Gedanken zum Ausdruck. Wenn erst einmal ausgereifte Daten zur Verfügung stünden, sei es wahrscheinlich, dass die Abemaciclib-Kombinationstherapie mit einem progressionsfreien Überlebensvorteil von etwa 12 Monaten assoziiert sein werde. Er sagte auch, dass die Studien PALOMA 2 und PALOMA 3 für Palbociclib und die Studien MONALEESA 2 für Ribociclib einen vergleichbaren Nutzen hinsichtlich Hazard Ratios und Risikoreduktionen ergeben hätten wie in MONARCH 3 für Abemaciclib beobachtet wurden, ebenso wie MONARCH 2, die jüngst publiziert wurde.
„Die Konsistenz der Hazard Ratios über die Studien hinweg und in nur wenig unterschiedlichen Indikationen deutet auf einen Klasseneffekt hin“, sagte er. Er merkte aber an, dass Neutropenien unter Palbociclib und Ribociclib häufiger auftraten und die Medikamente deshalb in einem intermittierenden Dosierungsschema verabreicht werden mussten. Bei kontinuierlicher Dosierung sei die Inzidenz von Diarrhoe bei Abemaciclib aber höher als bei seinen beiden Gegenstücken, sagte er.
Die Überlebensdaten seien zwar noch nicht belastbar, doch Turner wies darauf hin, dass alle Studien mit CDK4/6-Inhibitoren nicht ausreichend gepowert waren, um einen Überlebensvorteil zu zeigen. „Das mediane Gesamtüberleben unter Letrozol-Monotherapie beträgt etwa 50 Monate“, sagte er. Trotzdem seien die neuen Daten praxisverändernd.
Metastasen bei Präsentation als Anhaltspunkt?
Doch liefern die Daten auch Hinweise darauf, wer CDK4/6-Inhibitoren erhalten soll? Turner teilte Curiglianos Ansicht, dass die meisten Patienten mit fortgeschrittenem HR+ HER2-Brustkrebs weiterhin eine Chemotherapie erhalten – ein Vorgehen, das im Widerspruch zu klinischen Leitlinien steht.
Di Leo schlug vor, dass Metastasen bei Präsentation als Anhaltspunkt dienen könnten. „In unserer Studie hatte fast ein Drittel der Patientinnen ausschließlich Knochenmetastasen oder ein Tumorrezidiv mehrere Jahre nach Absetzen der adjuvanten endokrinen Therapie“, berichtete er. „Das ist ein klinisch relevanter Anteil an Patientinnen, bei denen wir in Betracht ziehen könnten, den Einsatz eines CDK4/6-Inhibitors hinauszuzögern. Dies könnte eine optimalere Behandlungsstrategie für einige Patientinnen sein, da es die Toxizität einer Erstlinientherapie mit CDK 4/6-Inhibitoren vermeidet und die Kosten der Behandlung reduziert“, ergänzte Di Leo.
„Wir haben jetzt erstmals Hinweise, dass Patientinnen mit bestimmten klinischen Merkmalen vielleicht anders von einer Behandlung mit CDK4/6-Inhibitoren profitieren. Möglicherweise können einige Patientinnen mit guter Prognose erst einmal mit einer alleinigen endokrinen Therapie starten. Bei solchen Patientinnen könnten CDK4/6-Inhibitoren für die nächste Behandlungslinie bei Metastasierung der Erkrankung aufgehoben werden. Diese Idee muss angesichts unserer Ergebnisse näher erforscht werden“, sagte Di Leo.
Zusammenfassend schlussfolgerte Turner, dass endokrin therapienaive Patientinnen und diejenigen mit nicht viszeraler, niedrigvolumiger Erkrankung wahrscheinlich mit einer Aromatasehemmer-Monotherapie besser abschneiden. „Trotzdem ist der absolute Nutzen der CDK4/6-Inhibitorbehandlung bei diesen Patientinnen höher“, merkte Turner an.
Dieser Artikel wurde von Nadine Eckert aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
REFERENZEN:
1. ESMO 2017 Congress (European Society for Medical Oncology), 8. bis 12. September 2017, Madrid/Spanien
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Länger progressionsfrei bei fortgeschrittenem Mammakarzinom: Weiterer Erstlinien-CDK-Inhibitor Abemaciclib erfolgreich - Medscape - 27. Sep 2017.
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