Lungenkrebs-Nachsorge: Französische Studie stellt Nutzen regelmäßiger CT-Scans infrage – kein Überlebensvorteil

Liam Davenport

Interessenkonflikte

21. September 2017

Madrid – Patienten, bei denen ein nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom (NSCLC, non-small cell lung cancer) vollständig entfernt worden ist, sollten im Zuge der Nachsorge regelmäßig computertomographisch untersucht werden, so die Empfehlung. Diese ist nun durch eine Studie aus Frankreich in Frage gestellt, deren Ergebnisse auf einem Symposium anlässlich des Kongresses der European Society of Medical Oncology (ESMO) 2017 in Madrid vorgestellt worden sind [1]. Der Grund: Eine CT-basierte Strategie bringt gegenüber einfachem Thorax-Röntgen keinen Vorteil für das Gesamtüberleben.

Die französischen Wissenschaftler der Intergroupe Francophone de Cancerologie Thoracique (IFCT) konnten zeigen, dass eine weniger intensive Nachsorge, die sich auf klinische Untersuchungen und das Thorax-Röntgen beschränkt, vergleichbare Überlebensraten liefert. Ihre Erkenntnis entstammt einer randomisierten kontrollierten Studie (IFCT-0302), in die 1.775 NSCLC-Patienten im Krankheitsstadium I, II, IIIa und T4 N0-2 aufgenommen worden waren und bei denen das Tumorgewebe völlig entfernt werden konnte.

Wichtige internationale Leitlinien für den Umgang mit NSCLC, einschließlich derjenigen der ESMO in ihrer aktuellen Fassung, empfehlen eine engmaschige Nachsorge in Abständen von 3 bis 6 Monaten während der ersten 2 Jahre nach einer erfolgreichen Operation. Bislang gehören hierzu auch regelmäßige CT-Scans.

CT-Einsatz einschränkbar?

Erstautorin Dr. Virginie Westeel vom Centre Hospitalier Régional Universitaire, Hôpital Jean Minjoz in Besançon, hält aufgrund des Befundes beide Follow-up-Protokolle für zulässig. Es gäbe allerdings Anzeichen, dass Patienten, die in den ersten 2 Jahren rezidivfrei geblieben waren, aus der intensiveren CT-basierten Strategie doch ein Überlebensvorteil erwächst.

Wie Westeel gegenüber der Presse weiter bemerkte, hätten Patienten ohne Rezidive während der ersten 2 Jahre Nachsorge ein höheres Risiko für das Auftreten sekundärer Primärtumore als für ein Wiederaufflammen der ursprünglichen Erkrankung. „Ein solcher Primärtumor dürfte sich leichter kurativ behandeln lassen, weswegen CT-Scans weiter berechtigt sind. Sie erlauben die frühzeitigere Entdeckung eines zweiten Primärkarzinoms“, stellte sie fest. „Ein CT-Scan alle 6 Monate ist vermutlich während der ersten 2 Jahre ohne Nutzen, während ein CT-Scan einmal im Jahr von Vorteil sein kann.“

 
Ein CT-Scan alle 6 Monate ist vermutlich während der ersten 2 Jahre ohne Nutzen, während ein CT-Scan einmal im Jahr von Vorteil sein kann. Dr. Virginie Westeel
 

ESMO-Expertin Dr. Floriana Morgillo von der Universität Campania Luigi Vanvitelli in Neapel, Italien, die nicht an der Studie beteiligt war, argumentierte ähnlich: „Ein signifikanter Anteil von Patienten mit NSCLC im Frühstadium entwickelt zwischen dem zweiten und dem vierten Jahr nach der Operation sekundäre Karzinome“, sagte sie. „Werden diese mit Hilfe einer CT-basierten Nachsorge innerhalb der 2 Jahre früh entdeckt, eröffnet sich damit die Chance auf eine kurative Behandlung.“

Morgillo ist der Meinung, dass eine CT-basierte Kontrolle eine geeignete Nachsorge-Maßnahme ist, nicht zuletzt weil sich in der Studie durch die intensivere Nachsorge ein gewisser Trend für längeres Überleben abzeichnete. Die Patienten sollten allerdings über die höhere Strahlenbelastung aufgeklärt werden, der sie dadurch ausgesetzt sind.

Auch Dr. Enriqueta Felip Font, Leiterin der Lungenkrebs-Einheit an der Vall d’Hebron Universitätsklinik in Barcelona, Spanien, unterstützte diese Haltung. Sie selbst ordne bei ihren Patienten CT-Kontrollen an und werde trotz dieser Studie höchstwahrscheinlich nicht davon abrücken. „Schon morgen werde ich meine Patienten per CT-Scan weiter überwachen“, äußerte sie.

2 Nachsorgestrategien im Vergleich

Die Studie IFCT-0302 verglich 2 Nachsorge-Strategien: Im experimentellen Arm wurden die Patienten klinisch untersucht, der Thorax geröntgt, ein CT-Scan der thorako-abdominalen Körperregion erstellt und eine optionale Bronchoskopie auf Adenokarzinome durchgeführt. Im Kontrollarm wurden die Patienten lediglich klinisch untersucht und geröntgt.

Die Patienten mussten sich 2 Jahre lang alle 6 Monate zur Kontrolluntersuchung vorstellen, danach 5 Jahre lang nur einmal im Jahr. Bei Patienten, bei denen sich Symptome entwickelten, durften zusätzliche Maßnahmen eingeleitet werden.

Die Teilnehmer waren im Mittel 63 Jahre alt; der Anteil Männer betrug 76,3%. Bei 39,5% der Patienten wurden Plattenepithelkarzinome und großzellige Karzinome festgestellt; 68,1% befanden sich im Krankheitsstadium I, 13,7% in Stadium II und 18,3% in Stadium III. Bei 86,6% der Patienten wurden 1 oder 2 Lungenlappen entfernt. Präoperativ und/oder postoperativ erhielten 8,7% eine Radiotherapie, 45% eine Chemotherapie. Die Ausgangsmerkmale der Patientenkollektive beider Studienarme unterschieden sich nicht signifikant.

Die mittlere Nachbeobachtungsdauer betrug 8,7 Jahre. Über diesen Zeitraum ergab sich für das Gesamtüberleben kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden untersuchten Gruppen. Mit der intensiven Nachsorge-Strategie überlebten die Patienten im Mittel 123,6 Monate und mit der Standard-Strategie 99,7 Monate (adjustierte Hazard-Ratio: 0,92; p = 0,27).

Die Überlebensraten beider Gruppe unterschieden sich nur geringfügig. Der Anteil der Patienten, die 3 Jahre krankheitsfrei überlebten, betrug bei der CT-basierten Strategie 76,1% und bei der Standard-Strategie 77,3%. Ein ähnliches Muster zeigte sich hinsichtlich der 8-Jahres-Gesamt-Überlebensrate mit 54,6% bzw. 51,7%.

Ein etwas anderes Bild ergab sich für die Wiedererkrankung im Verlauf von 24 Monaten. Jene, bei denen der Bronchialkrebs zurückgekommen war, erfuhren durch die intensive CT-basierte Nachsorge keinen Überlebensvorteil. Das Gesamtüberleben lag hier im Mittel bei 48,3 Monaten gegenüber 48,4 Monaten für die Standard-Strategie (p = 0,34).

 
Werden diese (sekundäre Karzinome) mit Hilfe einer CT-basierten Nachsorge innerhalb der 2 Jahre früh entdeckt, eröffnet sich damit die Chance auf eine kurative Behandlung. Dr. Floriana Morgillo
 

Im Gegensatz hierzu stand das Ergebnis bei den Patienten, bei denen die Krankheit in den ersten 24 Monaten nicht wieder aufflammte, sie schnitten besser ab in der intensiven Nachsorge-Gruppe. Das mittlere Gesamt-Überleben betrug 129,3 Monate, ein Wert, an den die Gruppe mit der Standard-Therapie nicht heranreichte (p = 0,04).

Weitere Untersuchungen erforderlich

Nach der Präsentation der Studie diskutierte Dr. Egbert Smit vom niederländischen Krebs-Institut in Amsterdam, die Konsequenzen. Wie er hervorhob, bewegen sich die Evidenzen für die Leitlinien-Empfehlungen bei resektiertem NSCLC auf einem niedrigen Niveau. Das sei der Grund, warum die vorliegende Studie als wichtig gilt. Er wendete jedoch ein, dass durch das Thorax-Röntgen Fernmetastasen nicht entdeckt werden können und dieses Verfahren weniger empfindlich ist als die CT, wenn es um die Identifizierung sekundärer Primärtumore geht. Folglich sei eine intensivere Nachsorge die logische Folge. Frühere Studien zufolge sollen CT-Scans mit einem Überlebensvorteil assoziiert gewesen sein.

Wie Smit weiter ausführte, werden die meisten Fernmetastasen im ersten Jahr nach der Resektion entdeckt. Die sekundären Primärtumore dagegen bräuchten viel länger, um in Erscheinung zu treten. Das könnte erklären, warum die Wissenschaftler einen Überlebensvorteil durch die CT-Untersuchung nur bei Patienten feststellten, die kein frühes Wiederaufflammen der Erkrankung erlebten.

Darüber hinaus sprechen einige Studien dafür, dass sich spät aufgetretene Rezidive, nachgewiesen per CT, effektiver behandeln lassen als früh aufgetretene, auch wenn dabei keine Angaben zur Nachsorge-Strategie gemacht worden waren.

Smit, der den Schlussfolgerung der Studie prinzipiell zustimmte, hielt es für erforderlich zusätzliche Daten zu erheben, um zu entscheiden, ob in den ersten 2 Jahren nach einer Resektion auf CT-Untersuchungen verzichtet werden sollte. Ebenso wichtig sei es, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie sich CT-Untersuchungen auf den weiteren Verlauf auswirken.


Dieser Artikel wurde von Dr. Ingrid Horn aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.



REFERENZEN:

1. ESMO 2017 Congress (European Society for Medical Oncology), 8. bis 12. September 2017, Madrid. Abstract12730

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