Mailand – Erstmals hat sich ein TSLP-Antikörper bei schwerem, mit Standardtherapie nicht kontrollierbarem Asthma in einer Phase-2-Studie bewährt: Tezepelumab senkte das Exazerbationsrisiko signifikant, unabhängig vom Status diverser Biomarker wie Eosinophilen-Zahl oder exhaliertem NO, berichtete Prof. Dr. Jonathan Corren, Universität Los Angeles, beim Europäischen Pneumologiekongress [1,2].
„Neue Asthmatherapien werden dringend gebraucht“, betonte der Allergologe. Er schätzt den Anteil von Patienten mit mittelschwerem bis schwerem Asthma – definiert durch die Therapie, die sie benötigen (GINA-Stufe 3 bis 5) – auf 50 bis 70%.
Nicht alle lassen sich mit hoch dosierten inhalativen Steroiden (ICS) und lang wirksamen Bronchodilatatoren zufriedenstellend behandeln. Hier sieht der von internationalen Experten erarbeitete GINA-Report den Einsatz von Biologika vor. Bislang stehen gegen IgE und gegen Interleukin (IL)-5 gerichtete Antikörper zur Verfügung.
Epithelzell-Zytokin mit breiter Immunwirkung
Das Zytokin TSLP (Thymic Stromal Lymphopoietin) gilt als interessanter Ansatzpunkt für weitere Biologika. Es wird von Epithelzellen gebildet und vermehrt ausgeschüttet, wenn das Epithel mit Noxen oder Pathogenen in Kontakt kommt, aber auch als Reaktion auf endogene proinflammatorische Reize. Entsprechend finden sich auch bei Asthma erhöhte Spiegel; die Höhe korreliert mit der Schwere der Atemwegserkrankung.
TSLP nimmt eine zentrale Rolle weit oben in der Immunkaskade ein. Es reguliert die Typ-2 (T2)-Immunität, indem es die Aktivität praktisch aller wichtiger Zelltypen beeinflusst: dendritische Zellen und damit indirekt auch B-Zellen, Eosinophile, Basophile und Neutrophile, Mastzellen und innate lymphoide Zellen.
Die Wirkung ist demnach viel umfassender als die weiter unten in der Kaskade ansetzender Zytokine wie IL-4, IL-5 oder IL-13 und deren Rezeptoren, ebenfalls Targets für Biologika beim schweren Asthma.
Gegen TSLP wurde der monoklonale humane IgG2-Antikörper Tezepelumab entwickelt und erfolgreich in einer Proof-of-concept-Studie an Patienten mit leichtem atopischem Asthma erprobt, wo er die Früh- und Spätreaktion nach Allergen-Provokation unterdrückte und die Th2-Biomarker senkte.
PATHWAY-Studie prüfte Tezepelumab bei schwerem Asthma
In der randomisierten, doppelblinden Phase-2-Studie PATHWAY wurde Tezepelumab in 3 verschiedenen Dosierungen (70 mg, 210 mg, 280 mg subkutan alle 4 Wochen) gegen Placebo getestet.
Teilnehmer waren 604 Patienten mit schwerem, unter ICS und lang wirksamen Beta1-Agonisten nicht kontrolliertem Asthma, die im Vorjahr mindestens 2 mit oralen Steroiden behandelte oder eine hospitalisierungsbedürftige Exazerbation durchgemacht hatten. Die Studie lief über 52 Wochen.
Primärer Endpunkt war die jährliche Rate an Asthma-Exazerbationen, die unter allen 3 Dosierungen des Antikörpers hoch effektiv und ähnlich stark reduziert wurde, wie Corren erklärte. Der Rückgang im Vergleich zu Placebo betrug zwischen 61 und 71% (p < 0,001 für alle).
Wirkung scheint unabhängig vom Biomarker-Status
Dabei spielte es für die Wirksamkeit keine Rolle, ob die Eosinophilen-Zahl im Blut über oder unter 250 Zellen/µl lag, ob das exhalierte NO mit mehr oder weniger als 24 ppb (pa rts per billion) gemessen wurde und ob der Th2-Status zu Beginn hoch oder niedrig war.
Letzteres ist Corren besonders wichtig, deutet es doch darauf hin, dass das Wirkprinzip Anti-TSLP wesentlich breiter einsetzbar sein könnte als die Anti-Interleukin-Antikörper oder Anti-IgE: „Die Inhibition von TSLP könnte auch Patienten mit schwerem Asthma nutzen, deren Erkrankung nicht Th2-getrieben ist.“
Auch die Th2-Biomarker sanken unter Tezepelumab deutlich. Die Eosinophilenzahl fiel dosisabhängig um bis zu 250 Zellen/µl, das exhalierte NO um bis 15 ppb, das Serum-IgE um rund 100 IU/ml. Begleitet wurde dies von einem signifikanten Anstieg der FEV1 um 110 bis 150 ml (p = 0,002 bis 0,022) und einem schnellen Anstieg der Lebensqualität.
Natürlich werden Sicherheitsbedenken laut, wenn man so weit oben in der Immunkaskade ansetzt. Bisher scheint das jedoch unbegründet zu sein. „Die Nebenwirkungsraten bewegten sich in unserer Studie auf Placeboniveau“, kommentierte Corren.
Sicherheit des Antikörpers muss weiter untersucht werden
Das würdigt auch Prof. Dr. Elizabeth Bel, Universität Amsterdam, in einem die Publikation begleitenden Editorial [3]. Sie gibt jedoch zu bedenken, dass die Zahl exponierter Patienten relativ klein und die Therapiedauer kurz war.
„TSLP spielt eine Rolle bei der Wirtsantwort auf Infektionen“, so Bel. In PATHWAY waren unter Tezepelumab 3 schwerwiegende Nebenwirkungen beobachtet worden, darunter eine Pneumonie und ein Schlaganfall beim selben Patienten.
„Die Sicherheit von Tezepelumab zu untermauern, ist prioritäre Aufgabe künftiger Studien“, betont die Pneumologin. Nichtsdestotrotz hält sie den Anti-TSLP-Antikörper für „das derzeit breitest wirksame und vielversprechendste Biologikum für das persistierende unkontrollierte Asthma“.
REFERENZEN:
1. Kongress der European Respiratory Society (ERS) 2017, 09. bis 13. September 2017, Mailand
2. Corren J, et al: NEJM (online) 07. September 2017
3. Bel EH, et al: NEJM (online) 07. September 2017
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Diesen Artikel so zitieren: Schweres Asthma: Tezepelumab senkt Exazerbationsrate in Phase 2 deutlich – „vielversprechendstes Biologikum“ - Medscape - 20. Sep 2017.
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