Stuttgart – Die bakterielle Gelenkinfektion bei Patienten mit rheumatoider Arthritis und Kunstgelenken ist oft nicht einfach zu erkennen – und kann, wenn es zur Sepsis kommt, lebensbedrohlich werden. Es besteht die Gefahr, die bakterielle Gelenkentzündung falsch zu interpretieren, etwa als „normalen“ Rheumaschub oder als nicht-bakterielle Entzündung aufgrund des Materialabriebs der Prothese, erläuterte Dr. Ludwig Bause, Chefarzt der Klinik für Rheumaorthopädie St. Josef-Stift Sendenhorst, auf dem 45. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie in Stuttgart [1].

Dr. Ludwig Bause
„Die Diagnose wird häufig spät gestellt“, so seine Erfahrung. Wird aber die bakterielle Infektion nicht rechtzeitig erkannt, droht eine Sepsis. Und bei Sepsis beträgt die Sterberate 36% – trotz Intensivmedizin, warnte Bause.
Insgesamt sind bakterielle Infekte unter der rheumatischen Erkrankung häufiger – aufgrund der Erkrankung selbst und aufgrund der medikamentösen Immunsuppression. Die Infektionsrate von Gelenken in der Endoprothetik beträgt laut Bause 0,5 bis 2%.
Klinik und Labor sind nicht immer eindeutig
Erschwert wird die Diagnose bakterieller Infekte, weil klinische Untersuchungen und Labortests unter Immunsuppression nicht immer eindeutig sind: „Das Gelenk kann unter Immunsuppression völlig normal aussehen, obwohl ein Infekt vorliegt“, schilderte Bause. So können typische äußerliche Entzündungszeichen wie Rötungen und Erwärmung fehlen. Auch typische Laborparameter (BSG, CRP oder Leukozytenzahl) seien nur eingeschränkt aussagekräftig. Obwohl die Werte im Normbereich liegen, könne eine Infektion vorliegen: „Die bakterielle Infektion wird durch medikamentöse Immunsuppressiva maskiert.“
Schwer zu erkennen sei etwa der schleichende Infekt ohne eindeutige fulminante Entzündung. Dabei besiedeln nur wenige aggressive, niedrig-virulente Keime die Prothesenoberfläche und überziehen sich mit einem Schutzfilm. So bleiben die meisten Bakterien für die Abwehr des Körpers getarnt, einzelne werden aber aus dem Schutzfilm heraus kontinuierlich ausgeschwemmt und von der Immunabwehr erkannt und eliminiert.
Durch diese ständige Reizung und latente niedrigschwellige Infektion kommt es zur langsamen Lockerung der Prothese – zwischen Prothese und Knochen wachse eine Membran ein, erläuterte Bause. Diese Lockerung aufgrund des bakteriellen Infekts unterscheide sich aber von einer Lockerung der Endoprothese, die durch normalen Materialabrieb entsteht – und ebenfalls eine, dann aber nicht-bakterielle, Inflammation verursachen kann.
Bei einem solchen Verschleiß ersetze man in der Regel die Prothese durch eine neue. Haben allerdings Bakterien die Prothese mit einem Biofilm besiedelt, lassen sich diese weder medikamentös noch mechanisch entfernen, betonte Bause. Dann müsse nach Ausbau der Prothese ein mit Antibiotika beladener Zementplatzhalter (Spacer) für 6 Wochen implantiert und erst danach eine neue Prothese eingebaut werden. Nur wenn die Infektion sehr früh erkannt werde, könne prothesenerhaltend operiert werden, erläuterte er.
Wichtig: Ultraschall, histologische und immunhistologische Untersuchung
Für die Differenzialdiagnose, ob ein Rheumaschub oder ein Gelenkinfekt vorliegt, rät der Rheumaorthopäde zum Ultraschall, der den Erguss des Infekts in den Gelenken sichtbar macht. Bei unklaren Befunden, muss punktiert werden – dies allerdings unter streng aseptischen Bedingungen.
Aber auch die Punktatanalyse liefert nicht immer endgültige Ergebnisse. So ist zum Beispiel beim schleichenden Infekt die Leukozytenzahl nicht erhöht. Auch eine negative Gramfärbung schließe einen Infekt nicht aus.
Um zu differenzieren, ob es sich um eine Entzündung aufgrund von Prothesenabrieb oder einen bakteriellen Infekt handelt, rät der Orthopäde zum neuen Alpha-Defensin-Test. „Der Test funktioniert ähnlich wie ein Schwangerschaftstest und zeigt nach circa 15 Minuten das Ergebnis an“, erklärte er.
Doch im Test zeigt sich nur, dass ein bakterieller Infekt vorliegt, aber nicht, um welche Keim-Art es sich handelt. Und der Test ist mit rund 350 Euro pro Patient relativ teuer. Er wird daher meist erst während der OP eingesetzt – um zu entscheiden, ob das Gelenk ersetzt werden muss. Billiger ist z.B. der Leukozyten-Esterase-Test, der die Leukozytenanzahl im Gelenkpunktat bestimmt.
Behandlung der Sepsis
Doch immer wieder gibt es Fälle, in denen die Infektion zu spät erkannt wird. So schilderte Bause den Fall eines Patienten mit rheumatoider Arthritis, der erst vom Krankenhaus zum ambulanten Rheumatologen verwiesen wurde und sich dann erneut in der Klinik vorstellte. Erst dann wurde der Infekt festgestellt und er an eine Fachklinik überwiesen. Trotz entsprechender Intervention und Antibiose unter der er sich scheinbar stabilisiert hatte, starb der Mann 3 Wochen später dann doch an einem septischen Schock. „Man muss sich bewusst sein, dass bei solchen Patienten immer noch etwas hinterherkommen kann“, warnte Bause.
Ein Problem seien auch fehlende Studien. „Es existiert keine einzige randomisierte kontrollierte Studie zum Thema, die das Problem voll erfasst“, so der Orthopäde. Sein Fazit zu Sepsis und Gelenkinfekten bei Rheuma: „Erkennen Sie die Gefahr und rudern Sie zurück, solange es noch möglich ist.“
REFERENZEN:
1. 45. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 6. bis 9. September 2017, Stuttgart
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Risiko Sepsis bei Rheuma-Patienten: Wie sich ein bakterieller Infekt an Kunstgelenken rechtzeitig erkennen lässt - Medscape - 20. Sep 2017.
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