Stuttgart – Dass die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) in der Rheumatologie kommen wird, daran hat der Berufsverband Deutscher Rheumatologen (BDRh) keinen Zweifel. Allerdings wird der Startschuss für die interdisziplinären Kernteams nicht vor dem 2. Quartal 2018 fallen, sagte Dr. Edmund Edelmann, Vorstandsmitglied im Berufsverband Deutscher Rheumatologen, bei einem Rundtischgespräch auf dem 45. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie in Stuttgart [1]. Der Grund für die Verzögerung ist vor allem der Streit um die Zuordnung des Labors.
Die ASV soll die rheumatologische Patientenversorgung über die Sektorengrenzen hinaus verbessern. Kliniken und Niedergelassene aus verschiedenen Disziplinen können in interdisziplinären Kernteams kooperieren oder sich im eigenen Sektor mit anderen Fachärzten zusammenschließen.
Berufsverband: Ohne Labor keine ASV!
Eigentlich war man schon auf der Zielgeraden, bis letztes Jahr durchsickerte, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) den Rheumatologen in der ASV das Labor nicht zuordnen will – was zu einem Aufschrei führte. „Ein Eintritt in die ASV ohne Labor ist nicht möglich und wäre vor allem für Niedergelassene wirtschaftlich schädlich“, betonte Edelmann. Neben den Honorareinbrüchen wäre dadurch auch eine Verschlechterung der Patientenversorgung zu befürchten.
Beim G-BA habe es zunächst kaum Verständnis gegeben, warum Rheumatologen sich nicht allein auf ärztliche Leistungen konzentrierten, sagte er. Offensichtlich habe es sich auch um ein Missverständnis gehandelt, meinte Edelmann. Einigen Akteuren sei nicht bewusst gewesen, dass das Labor zur Weiterbildung und zur Kompetenz der Rheumatologen gehöre. Nachdem der Berufsverband politisch aktiv geworden sei – bis hin zum Anschreiben an den Bundesgesundheitsminister – werde nun das fachspezifische Labor neu verhandelt.
KBV unterstützt Rheumatologen im G-BA
Anke Stahl von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) stellte aus ihrer Sicht den Sachstand im G-BA dar. Die KBV habe wahrgenommen, dass die „Labor-Frage“ zu einer großen Verunsicherung geführt habe. Das Speziallabor sei zunächst nicht den Rheumatologen zugeordnet worden, weil es im G-BA einen Beschluss gebe, dass Laborleistungen prinzipiell den Laborärzten bzw. den Mikrobiologen zugeordnet werden und keiner anderen Facharztgruppe. Diesem Beschluss sei die KBV gefolgt, sagte Stahl.
Man könne aber inzwischen die Argumente der Rheumatologen nachvollziehen, dass es neben der entsprechenden Qualifikation auch für die Therapie Vorteile bringe, wenn die Laborergebnisse schnell und direkt vor Ort vorliegen, so Stahl. Deshalb werde nun neu beraten und man werde den Wunsch der Rheumatologen unterstützen, sicherte sie zu.
Mit oder ohne orthopädische Rheumatologen?
Unstimmigkeiten gibt es auch noch in der Frage, wie die interdisziplinären Kernteams zusammengesetzt sein sollen. Vorgesehen ist, dass ein internistischer Rheumatologe als Teamleiter die unterschiedlichen Disziplinen anleitet – Pneumologen, Nephrologen, Dermatologen und orthopädische Rheumatologen.
Problematisch sei jedoch, dass es zu wenige orthopädische Rheumatologen gebe, so Edelmann. Man habe sich daher für folgende Sonderregelung eingesetzt: Falls es innerhalb einer Entfernung von 30 Minuten Fahrtzeit keinen orthopädischen Rheumatologen gibt oder sich trotz ernsthaften Bemühens innerhalb eines Zeitraums von mindestens 2 Monaten kein zur Kooperation bereiter Partner findet, so solle dies den Eintritt in die ASV nicht verhindern. Das Team könne dann auch ohne orthopädischen Rheumatologen an den Start gehen.
Ursula Faubel, Geschäftsführerin des Deutschen Rheuma-Liga Bundesverbandes, wies jedoch darauf hin, dass auf diesen Spezialisten wirklich nur ausnahmsweise verzichtet werden dürfe: „Wir wollen, dass das Kernteam eine Versorgung auf hohem qualitativem Niveau ermöglicht und dazu gehört aus unserer Sicht der orthopädische Rheumatologe.“
Insgesamt habe die ASV die volle Unterstützung der Rheuma-Liga, auch wenn sie keine Lösung für alle Probleme sei. „Die ASV biete die Chance bestimmte Versorgungsprobleme anzugehen, wie zum Beispiel ein zu später Zugang zur fachärztlichen Versorgung“, so Faubel. Auch komme es immer wieder zu unnötigen Krankenhauseinweisungen, weil im ambulanten Bereich nicht genügend Kapazitäten vorhanden seien.
Bislang sei eine interdisziplinäre Versorgung für den Patienten mit einem riesigen bürokratischen Aufwand verbunden, einem Haufen Überweisungszetteln und viel Eigeninitiative. Die ASV biete die Chance auf Versorgung an einem Ort von mehreren Seiten, sagte Faubel. Der Rheuma-Liga sei es auch wichtig, dass Patienten mit Verdachtsdiagnosen einen Zugang zum System bekommen und nicht nur Patienten mit schweren Verläufen, wie es ursprünglich geplant gewesen sei.
Extrabudgetäre Vergütung
Der Charme liege für Rheumatologen auch in der Vergütung, hob Prof. Dr. Heinz-Jürgen Lakomek, Vorsitzender des Verbands Rheumatologischer Akutkliniken (VRA), hervor. Der VRA verhandelt mit dem Berufsverband seit einigen Jahren den ASV.
Es gebe keine Budgetgrenzen, da extrabudgetär vergütet werde, betonte der Chefarzt der Klinik für Rheumatologie, Physikalische Medizin und Geriatrie am Johannes-Wesling-Klinikum in Minden. „Das ASV-System kommt genau zur richtigen Zeit, es findet aktuell eine Revolution im Gesundheitswesen statt, die zu einer verbesserten Behandlungsqualität führt“, sagte er.
Man rechne insgesamt damit, dass es 100 Krankenhausambulanzen im ASV-System geben werde. Die deutsche Rheumatologie habe so die Chance, sichtbarer zu werden und auch die Strukturen für ein auskömmliches System zu schaffen. Aus Sicht des Krankenhaues werde es auch möglich, Teilzeitstellen im ASV-System für Ärzte anzubieten „Lassen Sie uns diesen Weg gehen“, sagte er abschließend.
REFERENZEN:
1. 45. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) 6. bis 9. September 2017, Stuttgart
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Rheuma-Versorgung: Einführung der ambulanten interdisziplinären Behandlung verzögert sich – Zankapfel ist das Labor - Medscape - 19. Sep 2017.
Kommentar