Krebsrisiko bei Frauen nach der Menopause: Stammfettsucht fördert Risiko stärker als ein hoher BMI

Dr. Alexander M. Castellino

Interessenkonflikte

18. September 2017

Madrid – Eine zentrale Adipositas ist mit Krebs-Diagnosen bei Frauen in der Postmenopause assoziiert. Dies zeigt eine Studie, die beim Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) präsentiert worden ist [1]. Zentrale Adipositas oder Stammfettsucht ist definiert als ein hoher Anteil von Körperstammfett im Vergleich zu peripherem Fett. Der Zusammenhang zwischen Krebs-Diagnosen und zentraler Adipositas war stärker als der zwischen Krebs-Diagnosen und Übergewicht allein.

„Die Untersuchungsergebnisse stellen die Prioritäten des Gewichtsmanagements bei Frauen dieser Altersgruppe, die zur Gewichtszunahme am Bauch neigen, in ein neues Licht“, meinte Studienärztin Line Maersk Staunstrup, Doktorandin bei Nordic Bioscience and ProScion in Herlev in Dänemark.

Für die Einschätzung des Krebsrisikos seien die Bestimmung des Body-Mass-Index (BMI) und des Körperfettanteils womöglich ungeeignet, weil sie die Verteilung der Fettmasse vollkommen außer Acht ließen, sagte sie. „Fett ist nicht einfach Fett. Es ist wichtig, wo im Körper es gespeichert ist“, fügte sie hinzu. „Unsere Studie zeigt, dass die Vermeidung zentraler Adipositas den besten Schutz verleihen kann.“

Stammfettsucht als wichtiger Marker für das Krebsrisiko

Die hier vorgestellte Arbeit war eine empirische, epidemiologisch ausgerichtete, prospektive Kohortenstudie auf Basis der dokumentierten Risikofaktoren. Sie war darauf ausgelegt, das Verständnis altersbezogener Krankheiten bei Frauen in der Postmenopause in Dänemark zu verbessern.

 
Fett ist nicht einfach Fett. Es ist wichtig, wo im Körper es gespeichert ist. Line Maersk Staunstrup
 

Zwischen 1999 und 2001 wurden 5.855 Frauen (Durchschnittsalter 71 Jahre) in die Studie aufgenommen. Die Autoren berücksichtigten medizinische und demografische Hintergrundinformationen. Bei Studienaufnahme wurde eine Dual-Röntgen-Absorptiometrie (DXA) vorgenommen. DXA-Scans sind die präziseste Methode, um Knochenmasse, die knochenfreie Magermasse und Fettmasse zu messen, so die Autoren.

Die Outcome-Daten wurden in 3 Kategorien eingeteilt: Brust- und Eierstockkrebs, Lungen- und gastrointestinaler Krebs sowie andere Krebsarten. Mit Hilfe statistischer Methoden wurde der Zusammenhang zwischen der Verteilung des Körperfetts und dem Risiko für eine neue Krebs-Diagnose ermittelt. Die dafür notwendigen Angaben zu Krebs-Diagnosen und Informationen über Todesursachen wurden verschiedenen dänischen Registern entnommen; es wurden Daten bis 2012 erfasst. Die mittlere Beobachtungszeit war 12 Jahre.

In den nationalen Krebsregistern fanden die Studienprüfer 811 Fälle von soliden Tumoren bei den teilnehmenden Frauen. Die Auswertung zeigte, dass Stammfettsucht ein wichtiger und unabhängiger prädiktiver Marker für eine Krebs-Diagnose der Frauen war: Das Risiko für inzidenten Krebs war in der 12-jährigen Beobachtungsdauer bei Patientinnen mit zentraler Adipositas um relativ 30% erhöht. Dagegen spielten erstaunlicherweise weder der BMI noch der Körperfettgehalt eine wichtige Rolle hinsichtlich des Risikos für Krebs-Diagnosen, konstatierte Staunstrup.

Stammfettsucht: Risikofaktor für Lungen- und gastrointestinalen Krebs

Im Einzelnen gab es 293 Fälle von Brust- und Eierstockkrebs, 345 Fälle von Lungen- und gastrointestinalem Krebs und 173 Personen mit anderen Krebserkrankungen. Nur für Lungen- und gastrointestinalen Krebs war die Stammfettsucht tatsächlich ein Risikofaktor; das Risiko für diese Krebsarten war um 42% erhöht. Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Mamma- und Ovarialkarzinomen wurde dagegen durch zentrale Adipositas nicht beeinflusst; auch das kam für die Forscher um Staunstrup überraschend.

Bei noch detaillierterer Auswertung fand sich für die Inzidenz von Lungenkrebs eine um 68% erhöhte und für gastrointestinale Tumoren eine um 34% erhöhte Wahrscheinlichkeit, verglichen mit Frauen ohne zentrale Adipositas. Dies war jeweils signifikant.

Weitere Risikofaktoren waren ein höheres Lebensalter, eine Hormonersatztherapie sowie das Rauchen. Aber auch nach Adjustierung für diese Faktoren blieb das Verhältnis der Fettverteilung weiterhin ein unabhängiger Risikofaktor, berichteten die Studienautoren.

 
Unsere Studie zeigt, dass die Vermeidung zentraler Adipositas den besten Schutz verleihen kann. Line Maersk Staunstrup
 

Datenbasis für Patientengespräche über Lebensstil und Krebsprävention

„Diese Information ist für ältere Frauen sehr wichtig, da ja bekanntermaßen in der Menopause eine Umverteilung von Fett in den zentralen Rumpfbereich stattfindet“, so Staunstrup. „Daher sollten die Frauen bei Erreichen dieses Alters ihren Lebensstil nochmals überprüfen und nötigenfalls anpassen.“

Ärzte könnten diese Information zudem in ihren Gesprächen zur Krebsvorsorge mit gefährdeten Patientinnen verwenden, ergänzte sie. „Die meisten Krankenhäuser haben heute Ganzkörper-DXA-Scanner. Inzwischen sind auch tragbare DXA-Scanner verfügbar. Sie erleichtern sicherlich Knochen- und Fettmessungen einzelner Körperteile, sind aber vielleicht für die Messung der zentralen Adipositas nicht zuverlässig genug oder nicht geeignet“, so ihre Einschätzung.

Einfluss der Insulinresistenz?

In einem Kommentar zur Studie betonte Dr. Andrea De Censi vom Galliera-Krankenhaus in Genua, Italien, dass die Studie die Bedeutung der Adipositas und insbesondere der Insulinresistenz bei der Entstehung verschiedener Krebserkrankungen untermauere. „Einen Zusammenhang zwischen Adipositas und Krebsrisiko allgemein haben wir schon früher gesehen, aber diese besondere Assoziation zum Lungenkrebs ist neu und faszinierend“, sagte er in seinem Statement.

„Ein Anstieg des Insulins infolge einer übermäßigen Aufnahme von Kohlenhydraten etwa aus Kartoffeln, Weizen, Reis und Mais führt zu einer Fettakkumulation insbesondere im viszeralen und abdominellen Bereich“, erklärte De Censi. Insulin habe zugleich einen schädlichen Einfluss auf die Hormonproduktion, erinnerte er. Hinzu komme, dass Fettgewebe im gesamten Körper die chronische subklinische Entzündung ankurbele. Auch dies seien Risikofaktoren, die etliche Krebserkrankungen fördern könnten.

 
Einen Zusammenhang zwischen Adipositas und Krebsrisiko allgemein haben wir schon früher gesehen, aber diese besondere Assoziation zum Lungenkrebs ist neu. Dr. Andrea De Censi
 

„Die Studienergebnisse liefern dem Kliniker die Grundlage für den Start der verschiedensten Interventionen bei adipösen Patienten“, so De Censis Fazit, und: „Zusätzlich zum Fettabbau durch Ernährungsumstellung und Bewegung sprechen die Daten womöglich auch für den potenziellen Einsatz von Diabetes-Medikamenten wie Metformin, welches die Insulineffekte reduzieren und damit zur Krebsprävention beitragen könnten.“


Dieser Artikel wurde von Simone Reisdorf aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.



REFERENZEN:

1. ESMO 2017 Congress (European Society for Medical Oncology), 8. bis 12. September 2017, Madrid

Kommentar

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