Fortgeschrittener Nierenkrebs: Neue Kombi-Immuntherapie schlägt Firstline Sunitinib – „Das sollte Therapiestandard werden!“

Zosia Chustecka

Interessenkonflikte

15. September 2017

Madrid – Beim Kongress der European Society of Medical Oncology (ESMO) 2017 in Madrid vorgestellte Daten läuten einen grundlegenden Wandel der Erstlinientherapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms (aRCC) ein. In einer Phase-3-Studie zeigte eine Immuntherapie ein signifikant verlängertes Gesamtüberleben im Vergleich zur Standardtherapie mit Sunitinib (Sutent®, Pfizer).

Die Daten stammen aus der CheckMate-214-Studie, die vom Data Monitoring Committee vorzeitig gestoppt worden ist. Es hatte sich gezeigt, dass aRCC-Patienten signifikant länger lebten, wenn sie in der Erstlinie mit einer Kombination aus Nivolumab (Opdivo®, Bristol-Myers Squibb) und Ipilimumab (Yervoy®, Bristol-Myers Squibb) behandelt worden waren.

Bisher habe noch nie etwas Sunitinib in einer randomisierten Phase-3-Studie geschlagen. „Es war mutig, es als Vergleichspräparat einzusetzen“, sagte Prof. Dr. Manuela Schmidinger von der Medizinischen Universität Wien, Österreich. Sie hob hervor, dass dies die 1. Phase-3-Studie sei, die einen statistisch signifikanten Überlebensvorteil zeige.

Die neue Studie bedeute einen Paradigmenwechsel und etabliere einen neuen Therapiestandard für die Erstlinientherapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms, kommentierte sie. Schmidinger war selbst nicht an der Studie beteiligt. Bei der Präsentation der Studie auf dem ESMO-Kongress war sie einer der Diskussionsteilnehmer.

Mehrere andere Diskussionsteilnehmer stimmten ihr zu. Dies verändere die Praxis, sagte auch Dr. Markus Jörger, Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie am Kantonsspital St. Gallen, Schweiz, der der ESMO-Pressekonferenz, bei der die Studie einen Schwerpunkt darstellte, vorsaß.

Auch die Reaktion von Dr. Maria de Santi, University of Warwick, Großbritannien, fiel enthusiastisch aus. „Das heißt, die Immuntherapie ist nicht nur eine neue Option für diese Patienten, sie sollte der Therapiestandard werden”, sagte sie gegenüber Medscape.

Die Studie sei bei 2 von 3 Endpunkten hochsignifikant ausgefallen, sagte sie: bei der Ansprechrate und beim Gesamtüberleben. Sie erreichte nicht die vorher festgelegte statistische Signifikanz für progressionsfreies Überleben (PFS), aber das sei bei Immuntherapien häufig zu beobachten, so de Santi.

 
Das heißt, die Immuntherapie ist nicht nur eine neue Option für diese Patienten, sie sollte der Therapiestandard werden. Dr. Maria de Santi
 

Sie ergänzte, dass die vorgestellte Immuntherapie-Kombi Nivolumab plus Ipilimumab wohl damit auch Pazopanib (Votrient®, GlaxoSmithKline) übertrumpft habe. Es handelt sich dabei um einen anderen Therapiestandard in der Erstlinientherapie des aRCC. In der CheckMate-214-Studie sei die Immuntherapie zwar mit Sunitinib verglichen worden, doch Pazopanib habe ein ähnliches Wirksamkeitsprofil. Sie sei nicht der Meinung, dass eine Studie, die die Immuntherapie noch mit Pazopanib vergleiche, notwendig sei.

Die kombinierte Immuntherapie ist noch nicht für die Erstlinienbehandlung des aRCC zugelassen, doch der Hersteller Bristol-Myers Squibb wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Zulassung in dieser zusätzlichen Indikation einreichen. Im Moment ist Nivolumab als Monotherapie in der Zweitlinienbehandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms zugelassen.

Signifikante Verbesserung des Überlebens

An der CheckMate-214-Studie nahmen 1.082 Patienten mit therapienaivem fortgeschrittenem oder metastasiertem RCC teil. Die primären Endpunkte wurden in einer Subpopulation von 847 Patienten evaluiert, die ein mittleres oder hohes Risiko aufwiesen (ca. 70% der Gesamtpopulation).

Im Immuntherapie-Arm erhielten die Patienten alle 3 Wochen Nivolumab 3 mg/kg plus Ipilimumab 1 mg/kg für 4 Dosen, gefolgt von Nivolumab 3 mg/kg alle 2 Wochen. Im Kontroll-Arm wurden die Patienten über 4 Wochen 1-mal täglich mit Sunitinib 50 mg behandelt, gefolgt von 2 Wochen Therapiepause, und dies in einem 6-Wochen-Zyklus. Die Behandlung wurde fortgeführt, bis es zur Krankheitsprogression kam oder inakzeptable Nebenwirkungen auftraten.

In der Subgruppe von RCC-Patienten mit mittlerem bis hohem Risiko betrug die Gesamtansprechrate 42% mit Immuntherapie und 27% mit Sunitinib (p < 0,0001). Ein vollständiges Ansprechen wurde bei 9,4% der Patienten, die die Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab erhielten, beobachtet, verglichen mit nur 1% unter Sunitinib.

Die durchschnittliche Ansprechdauer lag unter Sunitinib bei 18,2 Monaten. Für die Immuntherapie wurde sie nicht erreicht und nach 24 Monaten Follow-up zeigen 72 vs. 63% weiterhin ein Ansprechen.

„Dieses Ansprechen ist das höchste, das wir jemals beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom gesehen haben“, sagte Schmidinger.

Das mediane Gesamtüberleben lag mit Sunitinib bei 26 Monaten und wurde mit der Immuntherapie-Kombination noch nicht erreicht. Während einer Nachbeobachtungszeit von 17,5 Monaten reduzierte die Kombination das Sterberisiko um 37% (HR 0,63; p < 0,0001).

Das mediane progressionsfreie Überleben betrug mit Immuntherapie 11,6 Monate und mit Sunitinib 8,4 Monate (HR 0,82; p = 0,0331), erreichte aber nicht die zuvor festgelegte statistische Signifikanzschwelle von 0,009.

Trotzdem ist dieser Unterschied „in meinen Augen von klinischer Bedeutung“, kommentierte der federführende Autor der Studie, Prof. Dr. Bernard Escudier, früherer Vorsitzender der Urogenital-Gruppe am Institut Gustave Roussy in Villejuif, Frankreich.

Escudier merkte an, dass in der Intention-to-treat-Analyse das Gesamtüberleben und die Ansprechraten auch in der Gesamtpopulation signifikant verbessert gewesen seien. Er schlussfolgerte, dass die Ergebnisse für den Einsatz von Nivolumab und Ipilimumab als neuen Therapiestandard bei aRCC sprächen.

Doch die Subgruppe von Patienten, bei denen man von einem günstigen Risikoprofil ausging, schnitten mit der Immuntherapie schlechter ab als mit Sunitinib. In einer exploratorischen Analyse zeigte sich, dass in dieser kleinen Subgruppe (n=249) die Ansprechraten und das progressionsfreie Überleben höher waren, wenn sie mit Sunitinib statt mit der Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab behandelt wurden.

Schmidinger sprach das Thema in ihrer Diskussion an. Sie sagte, dass es klinisch nicht immer eindeutig sei, ob ein Patient ein günstiges oder mittleres Risiko habe (Leitlinien fassen diese beiden Risikolevel häufig zusammen und behandeln das hohe Risiko als separate Kategorie). Dies könnte zu der Frage führen, welches die beste anfängliche Therapie ist – eine Immuntherapie oder ein VEGF-TKI-Inhibitor wie Sunitinib.

 
Dieses Ansprechen ist das höchste, das wir jemals beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom gesehen haben. Prof. Dr. Manuela Schmidinger
 

Escudier sprach zu diesem Punkt die Verträglichkeit an und berichtete, dass Patienten mit der kombinierten Immuntherapie weniger Nebenwirkungen vom Grad 3 bis 5 gehabt hätten als diejenigen in der Sunitinib-Gruppe (45 vs. 63%). Sie hätten außerdem von einer besseren Lebensqualität und einer besseren Kontrolle ihrer Symptome berichtet.

Dennoch gab es in der Immuntherapie-Gruppe mehr Abbrüche (15% vs. 7% in der Sunitinib-Gruppe) und auch mehr behandlungsbedingte Todesfälle (7 vs. 4 unter Sunitinib). Die 7 behandlungsbedingten Todesfälle in der Immuntherapie-Gruppe hatten als Ursachen: Pneumonitis, immunvermittelte Bronchitis, Blutungen im unteren Gastrointestinaltrakt, Hämophagozytische Lymphohistiozytose, plötzlicher Tod, Lebertoxizität und Lungeninfektion. In der Sunitinib-Gruppe lauteten die Sterbediagnosen bei 2 Patienten Herzstillstand, bei einem Herzversagen und einem Multiorganversagen.


Dieser Artikel wurde von Nadine Eckert aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.



REFERENZEN:

1. ESMO 2017 Congress (European Society for Medical Oncology), 8. bis 12. September 2017, Madrid. Präsentation der CheckMate 214-Studie

Kommentar

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