Der Verschluss eines offenen Foramen ovale (PFO) schützt Patienten nach einem kryptogenen Schlaganfall besser vor einem Rezidiv als eine medikamentöse Therapie – wenn sie unter 60 Jahre alt sind und der Shunt zwischen den Vorhöfen groß ist und/oder ein Vorhofseptum-Aneurysma vorliegt.
Drei neue, große, randomisierte Studien zeigen unabhängig voneinander, dass der PFO-Verschluss für diese Patienten zur Schlaganfallprophylaxe von Vorteil ist. Die jetzt im New England Journal of Medicine erschienenen Arbeiten liefern erstmals übereinstimmend positive Ergebnisse zum PFO-Verschluss als Maßnahme zur Rezidivprävention nach Schlaganfall ungeklärter Ursache [1, 2, 3].
Negative Resultate durch Fehler in älteren Studien?
„Die vorherigen Studien mit überwiegend negativen Ergebnissen waren – im Nachhinein betrachtet – schlecht gemacht“, erklärt Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Seniorprofessor für Klinische Neurowissenschaften am Universitätsklinikum Essen, im Gespräch mit Medscape. „Die nun publizierten Studien CLOSE, RESPECT und REDUCE haben viel höhere Fallzahlen und vor allem war die Auswahl der Patienten viel besser.“

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener
Anders als in den älteren Studien wurden nur Patienten bis zu einem Alter von 60 Jahren eingeschlossen. „Mit zunehmendem Alter nimmt die Rolle des PFO als Emboliequelle ab“, so Schlaganfall-Spezialist Diener. „Bei einem über 70-jährigen Patienten mit PFO liegt häufig auch eine Atherosklerose vor und es ist schwer herauszufinden, ob das PFO für die Schlaganfälle verantwortlich ist.“
Ein weiterer wichtiger Punkt ist laut Diener die Größe des PFO oder das Vorliegen eines Vorhofseptum-Aneurysmas. „Schon in den ersten Registern zum PFO-Verschluss hat sich gezeigt, dass Patienten mit großem PFO möglicherweise einen Benefit haben, wenn sie unter 60 Jahre alt sind.“
RESPECT-Studie: PFO-Verschluss nützt im erweiterten Follow-up
Eine der Studien, die ursprünglich keinen signifikanten Nutzen des PFO-Verschlusses nach kryptogenem Schlaganfall zeigte, ist RESPECT. Nach 2,1 Jahren Nachbeobachtung hatten in der Gruppe mit PFO-Verschluss 9 Patienten und in der Gruppe mit medikamentöser Therapie 16 Patienten einen erneuten Schlaganfall gehabt. Obwohl die Patienten in der Gruppe mit PFO-Verschluss damit ein um knapp 50% geringeres Rezidivrisiko hatten, war der Unterschied statistisch nicht signifikant (HR mit PFO-Verschluss 0,49; p = 0,08).
In der aktuellen Veröffentlichung berichten die Autoren um Dr. Jeffrey L. Saver vom Neurology Department der University of California in Los Angeles nun über die Schlaganfallzahlen nach 5,9 Jahren – und diese zeigen einen signifikanten Unterscheid zwischen den Behandlungsgruppen.
Die RESPECT-Studie verglich PFO-Verschluss und medikamentöse Therapie (ASS, Warfarin, Clopidogrel oder ASS in Kombination mit Dipyridamol mit verlängerter Freisetzung). Die 980 Patienten hatten einen kryptogenen Schlaganfall gehabt, waren 18 bis 60 Jahre alt und wiesen ein PFO auf; 50% der Patienten hatten ein großes PFO, 35% ein Vorhofseptum-Aneurysma.
In der Gruppe mit PFO-Verschluss stieg die Zahl der Patienten mit Schlaganfallrezidiv im Lauf des erweiterten Follow-up von 9 auf 18, in der medikamentös behandelten Gruppe von 16 auf 28. Das um etwas mehr als 50% verringerte Rezidivrisiko erwies sich in der statistischen Auswertung nun als signifikant (HR bei PFO-Verschluss 0,55; p = 0,046).
Die Gesamtrate an Nebenwirkungen unterschied sich nicht zwischen den beiden Behandlungsgruppen. Aber in der Gruppe mit PFO-Verschluss kam es häufiger zu venösen Thromboembolien (Lungenembolien und tiefe Venenthrombosen). Bei den 499 Patienten mit PFO-Verschluss traten insgesamt 25 Komplikationen auf, die direkt mit dem Okkluder oder dem Eingriff zusammenhingen, darunter 7 Fälle von Vorhofflimmern.
All diese Komplikationen hatten sich bis zur Entlassung der Patienten wieder gegeben. Danach unterschieden sich die Raten an Vorhofflimmern zwischen den beiden Gruppen nicht mehr.
CLOSE-Studie: PFO-Verschluss vs. Plättchenhemmung – Plättchenhemmung vs. Antikoagulation
In der CLOSE-Studie wurden die Patienten auf PFO-Verschluss plus Langzeit-Plättchenhemmung, Plättchenhemmung alleine oder orale Antikoagulation randomisiert (Randomisierungsgruppe 1). Patienten, bei denen eine orale Antikoagulation oder ein PFO-Verschluss kontraindiziert war, wurden auf die alternative nicht-kontraindizierte Behandlung oder Plättchenhemmung randomisiert (Randomisierungsgruppen 2 und 3).
Die Patienten waren 16 bis 60 Jahre alt und hatten kürzlich einen Schlaganfall gehabt, der auf ein PFO zurückgeführt wurde. In der CLOSE-Studie waren ein Vorhofseptum-Aneursyma (Septum primum-Exkursion > 10 mm) und/oder ein großer Shunt zwischen den Vorhöfen (Übertritt von mehr als 30 Gasbläschen vom rechten ins linke Atrium innerhalb von 3 Herzzyklen beim Bubble-Test) Einschlusskriterien.
Keine Schlaganfälle mit PFO-Verschluss – aber mehr Komplikationen
Insgesamt wurden 663 Patienten randomisiert und im Mittel 5,3 Jahre nachbeobachtet. Eine kombinierte Analyse der Randomisierungsgruppen 1 und 2 diente dem Vergleich von PFO-Verschluss plus Plättchenhemmung und Plättchenhemmung alleine. „Bei keinem der 238 Patienten mit PFO-Verschluss und 14 der 235 Patienten in der Gruppe mit Plättchenhemmung alleine kam es zu einem Schlaganfallrezidiv (HR 0,03; p < 0,0001)“, berichten die Autoren um Prof. Dr. Jean-Louis Mas von der Neurologischen Klinik am Hôpital Sainte-Anne in Paris.
Bei 14 Patienten (5,9%) traten Komplikationen auf, die auf den PFO-Verschluss zurückzuführen waren. In der Gruppe mit PFO-Verschluss war außerdem die Rate an Vorhofflimmern höher als in der Gruppe mit Plättchenhemmung alleine (4,6% vs. 0.9%; p = 0,02). Die Zahl schwerer Komplikationen unterschied sich nicht signifikant zwischen den Gruppen.
Antikoagulieren statt ASS?
In der kombinierten Analyse der Randomisierungsgruppen 1 und 3 hatten 3 von 187 Patienten mit oraler Antikoagulation und 7 von 174 Patienten mit Plättchenhemmung ein Schlaganfallrezidiv. Daraus errechneten die Autoren ein geschätztes 5-Jahres-Schlaganfallrisiko von 1,5% in der Gruppe mit oraler Antikoagulation und 3,8% in der Gruppe mit Plättchenhemmung. Eine statistische Analyse fand nicht statt, da „die Studie nicht ausreichend gepowert war, um Outcomes zwischen diesen Gruppen zu vergleichen“, erklären die Autoren.
„Damit ist auch die Frage vom Tisch, ob man den Patienten statt ASS möglicherweise eine orale Antikoagulation geben sollte. In der Vergangenheit wurde darüber häufig noch diskutiert, aber wenn kein Unterschied besteht, ist aufgrund des höheren Blutungsrisikos unter Antikoagulation ASS vorzuziehen", schlussfolgert Diener aus diesem Ergebnis.
REDUCE-Studie: Weniger Schlaganfälle mit PFO-Verschluss, aber mehr Vorhofflimmern
Auch in der REDUCE-Studie wurden PFO-Verschluss plus Plättchenhemmung und Plättchenhemmung alleine verglichen. Die insgesamt 664 Patienten hatten einen kryptogenen Schlaganfall gehabt. Bei 81% von ihnen war das PFO mittelgroß oder groß. Sie wurden 3,2 Jahre nachbeobachtet.
In der Gruppe mit PFO-Verschluss hatten 6 von 441 Patienten (1,4%) einen erneuten Schlaganfall, in der Gruppe mit Plättchenhemmung alleine waren es 12 von 223 Patienten (5,4%) (HR 0,23; p = 0,002).
Keine Reduktion stiller Hirninfarkte
Eine Besonderheit dieser Studie: Erstautor Dr. Lars Søndergaard von der Abteilung für Kardiologie am Rigshospitalet in Kopenhagen und seine Koautoren führten zu Beginn und nach 24 Monaten eine zerebrale Bildgebung bei den Patienten durch. In der Gruppe mit PFO-Verschluss war die Inzidenz neuer Hirninfarkte signifikant niedriger als in der Gruppe mit Plättchenhemmung alleine (5,7 vs. 11,3%; p = 0,04). Die Inzidenz stiller Hirninfarkte unterschied sich nicht zwischen den beiden Gruppen (p = 0,97).
Schwere Nebenwirkungen traten bei 23,1% der Patienten mit PFO-Verschluss und 27,8% der Patienten mit plättchenhemmender Therapie auf (p = 0,22). Zu schweren, mit dem Device verbundenen Komplikationen kam es bei 6 Patienten (1,4%) mit PFO-Verschluss. Und 29 Patienten (6,6%) entwickelten nach dem PFO-Verschluss ein Vorhofflimmern – in der medikamentös behandelten Gruppe hatte 1 Patient (0,4%) Vorhofflimmern.
Erstaunen über Trendwende
In einem Editorial schreibt Prof. Dr. Allan H. Ropper, Neurologe am Brigham and Women’s Hospital, Boston, und Professor an der Harvard Medical School: „Wie kann es sein, dass wir jetzt 3 Studien haben, die zeigen, dass der PFO-Verschluss Schlaganfallrezidive verhindert, angesichts dessen, dass in den vergangenen 5 Jahren im New England Journal of Medicine Ergebnisse aus 3 anderen Studien – CLOSURE I, RESPECT und PC – publiziert wurden, die das Gegenteil gezeigt haben?“
Auf der Suche nach einer Erklärung für dieses Phänomen kommt Ropper zu einem ähnlichen Fazit wie Diener: Entscheidend ist die Auswahl der Patienten für einen PFO-Verschluss. „Bei Patienten, die einen Schlaganfall hatten, jünger als 60 Jahre alt sind und ein PFO aufweisen, dessen Charakteristika mit hoher Wahrscheinlichkeit die Entstehung einer paradoxen Embolie erlauben, wird die Wirksamkeit eines PFO-Verschlusses zunehmend überzeugend.“
Blick nach vorne: PFO häufiger verschließen, aber Risiken abwägen
Diener plädiert dafür, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich darauf zu konzentrieren, dass 3 neue, gut gemachte Studien unabhängig voneinander zeigen, dass der PFO-Verschluss von Vorteil ist. „Bei Patienten mit großem PFO und kryptogenem Schlaganfall unter 60 Jahren sollte man das PFO verschließen“, so der Schlaganfallspezialist.
Allerdings müsse man den Patienten immer darüber aufklären, dass der Eingriff „nicht ohne Risiko ist“. „Es kam vor, dass sich Devices verschoben haben. Auch die Rate an Vorhofflimmern war etwas erhöht und hat eine zeitweise Antikoagulation erforderlich gemacht. Doch der große Vorteil ist, dass ein Patient mit großem PFO, der mit 45 Jahren einen Schlaganfall hat, nicht mehr wie in der Vergangenheit 30 Jahre lang Plättchenhemmer einnehmen muss.“
REFERENZEN:
1. Saver JL, et al. N Engl J Med 2017;377:1022-32
2. Mas JL, et al. N Engl J Med 2017;377:1011-21
3. Søndergaard L, et al. N Engl J Med 2017;377:1033-42
4. Ropper AH. N Engl J Med 2017;377:1093-1095
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Diesen Artikel so zitieren: Nun also doch! 3 Studien bestätigen: PFO-Verschluss schützt vor Schlaganfall-Rezidiv – wenn man die Patienten richtig wählt - Medscape - 15. Sep 2017.
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