Madrid – Bei einer Erstlinienbehandlung mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Osimertinib leben Patienten mit nicht-kleinzelligem EGRF-positivem Lungenkarzinom signifikant 8,7 Monate länger ohne Progression als bei Behandlung mit dem derzeitigen Standard Erlotinib oder Gefitinib (18,9 versus 10,2 Monate). Das relative Risiko für Progression oder Tod wird damit um 54% gesenkt.

Prof. Dr. Suresh Ramalingam
Dieses Ergebnis der randomisierten Phase-3-Studie FLAURA stellte Prof. Dr. Suresh Ramalingam, Winship Cancer Institute der Emory Universität, Atlanta, Georgia, im Präsidentensymposium beim ESMO-2017-Kongress in Madrid vor [1].
„Osimertinib war der Standardtherapie klar überlegen. Der Vorteil beim progressionsfreien Überleben war bei Patienten mit und ohne ZNS-Metastasen fast gleich, was darauf hindeutet, dass Osimertinib auch im ZNS aktiv ist. Dies ist wichtig, weil Hirnmetastasen bei EGFR-positiven Patienten ein häufiges Problem sind“, kommentierte Ramalingam in der Kongress-Pressekonferenz. „Osimertinib ist ein neuer Therapiestandard für die Erstlinienbehandlung des EGFR-positiven fortgeschrittenen nicht-kleinzelligem Lungenkarzinoms“, so seine Schlussfolgerung aus den Ergebnissen.
„FLAURA war zweifellos eine positive Studie mit einem ähnlichen, wenn nicht sogar besseren Toxizitätsprofil als die Standardtherapie“, so der Kommentar von Diskutant Prof. Dr. Tony Mok, Chinese University of Hong Kong. Dies gelte auch im Vergleich zu Tyrosinkinase-Inhibitoren der 2. Generation wie Afatinib oder Dacomitinib. Mok wies jedoch darauf hin, dass die Studie nicht nach Patienten mit und ohne ZNS-Metastasen stratifiziert war. „Ohne zwingende ZNS-Bildgebung wurde in FLAURA das intrakraniale Ansprechen nicht prospektiv untersucht.“ Dennoch sieht er Osimertinib derzeit als optimale First-Line-Therapie an, wenn die Patienten an ZNS-Metastasen leiden.
Derzeit fehlen jedoch noch die Daten zum Gesamtüberleben. Außerdem weisen verschiedene Untersuchungen darauf hin, dass sich auch gegen Osimertinib Resistenzen entwickeln können. Deshalb hält Mok es nicht für angebracht, dass jetzt alle Patienten mit EGFR-positivem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) in der Erstlinie mit Osimertinib behandelt werden.
Resistenzen vermindern Wirkung von Tyrosinkinase-Inhibitoren
Tyrosinkinase-Inhibitoren der 1. und 2. Generation sind derzeit Standard in der Erstlinienbehandlung von Patienten mit EGFR-positivem fortgeschrittenem NSCLC. „Erlotinib, Gefitinib und Afatinib haben sich bei diesen Patienten als überlegen erwiesen im Vergleich zu platinbasierter Chemotherapie“, sagte der amerikanische Onkologe Ramalingam. Allerdings entwickeln mehr als 50% der so Therapierten unabhängig vom initialen Ansprechen eine durch T790M-vermittelte Resistenz gegen Tyrosinkinase-Inhibitoren.
Osimertinib
Osimertinib ist ein oral applizierbarer Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI), der irreversibel epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptoren (EGFR) mit aktivierenden Mutationen (EGFRm) und mit der TKI-Resistenz-Mutation T790M hemmt. Es ist von der EU-Kommission in Form von Tabletten für die Behandlung von Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC zugelassen, deren Tumor eine T790M-EGFR-Mutation aufweist. Der EGFR-T790M-Mutationsstatus muss durch ein validiertes Testverfahren von einem Labor bestimmt werden.
Head-to-Head gegen Standardbehandlung
In der doppelblinden randomisierten Phase-3-Studie FLAURA wurden nun Wirksamkeit und Verträglichkeit von Osimertinib (80 mg/Tag) (n = 279) und einer Standardtherapie mit Gefitinib (250 mg/Tag) oder Erlotinib (150 mg/Tag) (n = 277) verglichen. In die Studie wurden Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC aufgenommen, die eine EGFR-Exon-19-Deletion oder eine L858R-Mutation aufwiesen und bislang nicht systemisch behandelt worden waren.
Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS), zu den sekundären Endpunkten gehörten u.a. die Ansprechrate, die Dauer des Ansprechens, die Krankheitskontrollrate, das Gesamtüberleben und die Verträglichkeit.
Die beiden Gruppen waren gut vergleichbar, etwa 63% waren Männer, das mediane Alter lag bei 64 Jahren. 62% der Patienten waren Asiaten, rund 64% hatten nie geraucht. In der Osimertinib-Gruppe litten zu Studienbeginn 19%, in der Vergleichsgruppe 23% unter ZNS-Metastasen.
Fast 9 Monate länger progressionsfrei überleben
Der primäre Endpunkt wurde nach 342 Ereignissen analysiert: „Das progressionsfreie Überleben wurde durch Osimertinib signifikant verbessert.“ Das mediane progressionsfreie Überleben betrug unter Osimertinib 18,9 Monate (15,2 bis 21,4), unter Standardtherapie 10,2 Monate (9,6 bis 11,1). Die Verlängerung des progressionsfreien Überlebens um 8,7 Monate entspricht einer Senkung des relativen Risikos für Progression oder Tod von 54% (Hazard-Ratio HR 0,46, p < 0,0001). „Der Effekt trat sehr früh ein und die PFS-Kurven trennten sich früh“, erläuterte Ramalingam.
Die Wirkung von Osimertinib war in allen Subgruppen konsistent. Bei Patienten mit ZNS-Metastasen lag die HR bei 0,47, bei Patienten ohne ZNS-Metastasen bei 0,46. Neue ZNS-Metastasen traten bei 17 (6%) der mit Osimertinib behandelten Patienten und bei 42 (15%) der Standardtherapie-Gruppe auf.
Unter Osimertinib sprachen 80%, unter Standardtherapie 76% der Patienten auf die Behandlung an. Der Unterschied war nicht signifikant (p = 0,2335). Allerdings hielt das Ansprechen mit 17,2 Monaten in der Osimertinib-Gruppe fast doppelt so lange an wie mit 8,5 Monaten in der Vergleichsgruppe.
Die Daten zum Gesamtüberleben sind derzeit noch nicht reif. Zum Zeitpunkt der Interimsanalyse waren 21% der Osimertinib- und 30% der Standardtherapie-Patienten gestorben.
Unter dem neuen Tyrosinkinase-Inhibitor waren Therapieabbrüche sowie schwere unerwünschte Wirkungen vom Grad 3 oder höher seltener als unter der Standardbehandlung, obwohl die Therapiedauer mit 16,2 Monaten länger war als in der Vergleichsgruppe mit 11,5 Monaten. Ansonsten war das Nebenwirkungsprofil in den beiden Armen ähnlich.
REFERENZEN:
1. ESMO 2017 Congress (European Society for Medical Oncology), 8. bis 12. September 2017, Madrid
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Diesen Artikel so zitieren: Erstlinientherapie beim Bronchialkarzinom: Patienten leben länger mit Osimertinib als mit Standardtherapie - Medscape - 13. Sep 2017.
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