„Stiller Reflux“: Überwiegend vegetarische Kost plus basisches Wasser genauso wirksam wie PPI-Therapie

Birgit Schouren

Interessenkonflikte

12. September 2017

Bei laryngo-pharyngealem „stillem“ Reflux (LPR) ist die Umstellung auf eine hauptsächlich pflanzenbasierte mediterrane Ernährung – in Kombination mit basischem Wasser – ähnlich wirksam, wie die sonst übliche Therapie mit Protonenpumpenhemmern (PPI), so das Fazit einer US-amerikanischen Studie, die kürzlich in JAMA publiziert worden ist [1].

„Aus klinischer Sicht sind diese Erkenntnisse eine tolle Sache“, kommentiert Prof. Dr. Dr. Martin Ptok, Ärztlicher Direktor der Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), die Studienergebnisse gegenüber Medscape. Melden sich Patienten mit entsprechenden LPR-Symptomen, könnten Ärzte zunächst die mediterrane Ernährung empfehlen, bevor sie die sonst übliche PPI-Therapie verordnen. „Das ist eine Win-win-Situation: Ärzte brauchen keine teuren PPI verschreiben und die Patienten müssen keine Tabletten schlucken“, so Ptok weiter.

Dr. Craig H. Zalvan vom Institute for Voice and Swallowing Disorders in Sleepy Hollow, New York, und seine Kollegen gingen in ihrer Studie der Frage nach, ob eine hauptsächlich vegetarische Ernährung plus basisches Wasser die Symptome bei laryngo-pharyngealen Reflux mindern kann. Hierfür verglichen sie retrospektiv Refluxpatienten, die entweder PPI und ein Infoblatt zur Ernährung erhielten (n = 85) oder ihre Ernährung nach einer ausführlichen Beratung umstellten, aber keine Medikamente bekamen (n = 99). Bei der Umstellung durfte die Nahrung der Teilnehmer lediglich zu 5 bis 10% aus Fleisch oder tierischen Produkten wie Milch bestehen. Zusätzlich mussten sie alle Getränke durch basisches Wasser (pH-Wert über 8,0) ersetzen.

 
Aus klinischer Sicht sind diese Erkenntnisse eine tolle Sache. Prof. Dr. Dr. Martin Ptok
 

Mehr Patienten zeigten Besserung unter Ernährungsumstellung

Eine Therapie galt dann als erfolgreich, wenn sich der Reflux Symptom Index (RSI) um mindestens 6 Punkte verbesserte. Nach 6 Wochen verglichen die Autoren den RSI mit den Werten zu Studienbeginn. Eine entsprechende Differenz erreichten 54,1% der Patienten aus der PPI-Gruppe und 62,3% der Patienten aus der „Ernährungs“-Gruppe. Zusätzlich analysierten sie die RSI-Veränderungen innerhalb der jeweiligen Gruppen.

So verringerte sich der RSI-Wert durch die Ernährungsumstellung um 39,3%, unter PPI um 27,2% innerhalb der Gruppen. Dieser Unterschied fiel statistisch signifikant aus. „Unsere Daten weisen darauf hin, dass PPI bei LPR-Patienten nicht besser wirken als eine pflanzenbasierte mediterrane Ernährung mit basischem Wasser“, schlussfolgern Zalvan und Kollegen. „Wir empfehlen bei Patienten mit Verdacht auf LPR eine Ernährungsumstellung zu versuchen, bevor eine medikamentöse Therapie verordnet wird.“

Notwendiges Übel PPI?

Beim ösophagealen Reflux sind PPI Goldstandard. „Schon nach einer Woche hochdosierter Therapie mit PPI können Patienten eine Verbesserung bemerken“, so Ptok. Anders sei es hingegen beim LPR. Hier müssten Patienten die PPI mehrere Wochen lang nehmen, ehe sich ein Erfolg bemerkbar machen könne. Studien deuten zudem darauf hin, dass eine längerfristige Einnahme von PPI Nebenwirkungen haben kann und möglicherweise sogar das Sterberisiko erhöht (wie Medscape berichtete).

Darüber hinaus sind PPI aus ökonomischer Sicht ein teures Vergnügen. Alleine in den USA würden die Symptome der LPR Gesundheitskosten von jährlich mehr als 50 Milliarden US-Dollar verursachen, schreibt Dr. Robert T. Kavitt, von der University of Chicago in einem begleitenden Kommentar [2]. Den Löwenanteil dieser Kosten mache die Einnahme von PPI aus.

 
Das ist eine Win-win-Situation: Ärzte brauchen keine PPI verschreiben und die Patienten müssen keine Tabletten schlucken. Prof. Dr. Dr. Martin Ptok
 

Gerade vor diesem Hintergrund seien die Studienergebnisse interessant, so Kavitt. Auch hierzulande werden die PPI-Kosten von den Kassenärztlichen Vereinigungen kritisiert. So liegen nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein die Tagestherapiekosten zwar nur bei etwa 20 Cent, doch alleine im Jahr 2015 seien so viele PPI im Gebiet verordnet worden, dass eine stolze Summe von 95 Millionen Euro zustande gekommen sei.

Krankheitsbild zu wenig verstanden

Eine weitere Herausforderung bei der LPR-Therapie ist die bis dato unklare Ätiologie der Erkrankung. Einig sind sich die Experten allerdings, dass Pepsin eine wichtige Rolle spielt. Gemeinsam mit der Säure greift es die empfindliche Schleimhaut im Rachen und Kehlkopf an. Typische Symptome sind etwa häufiges Räuspern oder Husten. Das beim ösophagealen Reflux bekannte Sodbrennen tritt dagegen selten auf. Zudem sei die LPR-Diagnose schwierig, so Ptok: „Sie beruht letztlich auf Angaben des Patienten zu den Beschwerden, auf dem laryngoskopischen Bild und eventuell auf der Messung per pH-Metrie.“

Schwächen der Studie

Hier liegt nach Ansicht von Ptok jedoch die Schwachstelle der aktuellen Studie: „Die reine Erfassung von Symptomen beweist noch nicht, dass tatsächlich ein LPR vorliegt“, moniert der Experte. Besser sei es gewesen, wenn auch der pH-Wert im Rachen gemessen worden wäre. Auch Angaben zu laryngoskopischen Befunden fehlten.

Gesicherte LPR-Diagnose wichtig

Hinter den typischen LPR-Symptomen könnten sich auch andere Erkrankungen verbergen, so Ptok. Deswegen solle vor einer Therapieempfehlung ohne Medikamente eine laryngoskopische Untersuchung erfolgen, um etwa Granulome oder Leukoplakien auszuschließen. „Wird eine Therapie aufgrund einer falschen Diagnose hinausgezögert, drohen hier fatale Konsequenzen“, warnt er.

 
Wir empfehlen bei Verdacht auf LPR eine Ernährungsumstellung, bevor eine medikamentöse Therapie verordnet wird. Dr. Craig H. Zalvan
 

Dennoch will er von der Ernährungsumstellung keinesfalls abraten. Sie sei eine attraktive Option zu PPI bei einer gesicherten LPR-Diagnose.



REFERENZEN:

1. Zalvan CH, et al: JAMA (online) 07. September 2017

2. Kavitt RT: JAMA (online) 07. September 2017

Kommentar

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