Goldgräberstimmung in der Rheumatologie: Die Entwicklung zielgerichteter Substanzen boomt

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

12. September 2017

Dr. Hanns-Martin Lorenz

Stuttgart – Fast könnte man von Goldgräberstimmung sprechen angesichts der zahlreichen neuen immunmodulatorischen Substanzen in der Rheumatologie: Wenn die Standardtherapeutika (Methotrexat, Azathioprin oder Sulfasalazin, Leflunomid) nicht (mehr) wirken, kommen die Januskinase-Hemmer (JAK-Hemmer) und Antikörper zum Einsatz. Und auch bei seltenen und schwer behandelbaren Rheumaformen wecken die zielgerichteten Therapien Hoffnung.

„Zwar sprechen 30 Prozent unserer Patienten auf Basistherapeutika alleine sehr gut an, aber 60 bis 70 Prozent weisen auch dann weiter Restentzündungen auf“, erklärte Dr. Hanns-Martin Lorenz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Leiter der Sektion Rheumatologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Auf dem Kongress der DGRh stellte er einige der neuen Wirkstoffe vor [1].

Entzündungsprozesse bereits auf zellulärer Ebene stoppen

JAK-Inhibitoren greifen innerhalb der Zelle ins Entzündungsgeschehen ein. In der Zellmembran befindliche Janus-Kinasen übertragen ein Signal von außen in das innere der Zelle. Dies führt letztlich zu Transkription von Genen, etwa für proinflammatorische Proteine (Zytokine und Chemokine). JAK-Inhibitoren hemmen die Signalübertragung, wodurch die Entzündungskaskade unterbrochen wird.

Im Frühjahr wurde in der EU der JAK-Hemmer Tofacitinib (Xeljanz®) zur Therapie der rheumatoiden Arthritis zugelassen. Noch 2013 hatte die EMA die Zulassung aufgrund von Sicherheitsbedenken abgelehnt. Laut DGRh gibt es für Tofacitinib bereits umfangreiche Daten aus den USA, der Schweiz und Russland, wo das Medikament bereits länger zugelassen ist. Sie sprechen für ein recht gutes Sicherheitsprofil. Allerdings treten Herpes-zoster-Infektionen unter Tofacitinib häufiger auf. Ebenfalls im Frühjahr wurde Baricinitib (Olumiant®) in der EU für die Therapie der Rheumatoiden Arthritis zugelassen. Beide Substanzen hemmen die Januskinasen 1 und 3.

 
Die Entwicklung der Antikörper stellt für uns Ärzte eine riesige Erweiterung unseres Armamentariums dar. Dr. Hanns-Martin Lorenz
 

„Mit diesen neuen Wirkstoffen ist es gelungen, Entzündungsprozesse, die eine Arthritis hervorrufen, auf zellulärer Ebenen zu unterbinden“, erklärte Lorenz. „Kinase-Inhibitoren sind die neuen Hoffnungsträger in der Rheumatologie, besonders für Patienten, bei denen auch die Biologika keine Wirkung (mehr) zeigen“, erläuterte Lorenz. Der Stellenwert dieser neuen Therapie lasse sich derzeit aber noch schwer einordnen, so Lorenz.

Boom bei der Antikörpertherapie

Antikörper greifen ebenfalls gezielt in die Entzündungskaskade ein und ermöglichen so eine Krankheitsremission. „Die Entwicklung der Antikörper stellt für uns Ärzte eine riesige Erweiterung unseres Armamentariums dar. Damit können wir endlich auch Patienten helfen, denen wir mit den konventionellen Mitteln nicht helfen konnten“, so Lorenz.

Mitte Juli wurde Guselkumab von der FDA zugelassen, ein monoklonaler Antikörper, der sich gegen die p19-Untereinheit von Interleukin-23 richtet. Sowohl Guselkumab als auch Ixekizumab, ein Interleukin-17a-neutralisierender IgG-4-Antikörper haben sich in Phase-3-Studien zur Psoriasis-Arthritis bewährt. Als weitere Interleukin-17-blockierende Antikörper nannte Lorenz Risankizumab bei Psoriasis und Psoriasis arthritis, Tildrakizumab (EU-Zulassung bei Psoriasis beantragt) und das in der EU bei Psoriasis schon zugelassene Brodalumab (Kyntheum®).

Ein innovativer Ansatz sind die bi-spezifischen Antikörper, die 2 Antikörper in einem Molekül vereinen. Allerdings konnte bisher in Therapieansätzen mit einem Kombi-Antikörper gegen TNF alpha und Interleukin-17a kein Nutzen gegenüber den jeweils einzelnen Antikörpern erzielt werden.

 
Kinase-Inhibitoren sind die neuen Hoffnungsträger in der Rheumatologie, besonders für Patienten, bei denen auch die Biologika keine Wirkung (mehr) zeigen. Dr. Hanns-Martin Lorenz
 

Weitere, gegen Interleukin-6-gerichtete Antikörper wie Sirukumab und Sarilumab sowie Olokizumab sind in Phase-3-Studien positiv getestet. Einen komplett neuen Therapieansatz verfolgt das Mavrilimumab, ein gegen den GMCSF-Rezeptor gerichteter monoklonaler Antikörper, der in Phase-3-Studien zur rheumatoiden Arthritis ebenfalls positiv abschnitt.

Auch die Entwicklung von Antikörpern bei seltenen chronisch entzündlichen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises sei nicht abgeschlossen, betonte Lorenz. Damit bestehe auch für Patienten mit seltenen Erkrankungen Hoffnung, dass eines Tages monoklonale Antikörper zur Verfügung stehen, die für ihre Krankheit passen.

„Natürlich sind die hohen Kosten ein wichtiges Argument, aber wir haben ein wirklich reiches Gesundheitssystem. Das reicht für jeden Patienten“, betonte Lorenz. „Was uns nun noch fehlt, sind Biomarker um herauszufinden: Welcher Patient braucht welches Medikament“, so Lorenz.



REFERENZEN:

1. 45. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) 6. bis 9. September 2017, Stuttgart

Kommentar

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