Hochrisiko-Melanom mit BRAF-Mutation: Kinasehemmer-Doppel erweist sich als „attraktive Option“ für die adjuvante Therapie

Sonja Böhm

Interessenkonflikte

12. September 2017

Madrid – Sie gehört zu den Studien, auf die viele lange gewartet haben. Denn bislang konnte man Patienten mit einem Hochrisiko-Melanom nach der Resektion – außer dem nebenwirkungsträchtigen und in seiner Wirksamkeit eher bescheidenen Interferon – wenig anbieten. Nun sind gestern bei der Jahrestagung der European Society of Medical Oncology (ESMO) in Madrid die Ergebnisse der „COMBI-AD“-Studie vorgestellt und zeitgleich im New England Journal of Medicine publiziert worden [1;2]. Und es scheint, dass nun ein neuer Standard gefunden worden ist – zumindest für die rund 40 bis 50% der Melanom-Patienten mit BRAF-Mutation.

COMBI-AD testete die Kombination von 2 zielgerichteten (targeted) Substanzen – dem BRAF-Inhibitor Dabrafenib und dem MEK-Inhibitor Trametinib – in der adjuvanten Therapie des Melanoms im Stadium III mit BRAF-Mutation. Dies mit beträchtlichem Erfolg: „Dies sind die besten Resultate, die wir jemals in der adjuvanten Therapie des fortgeschrittenen Melanoms in den vergangenen 40 Jahren gesehen haben“, wird Prof. Dr. Axel Hauschild, Oberarzt der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie des Universitätsklinikums Schleswig Holstein (UKSH), Campus Kiel, in einer Pressemitteilung der UKSH zitiert.

Die Erwartungen noch übertroffen

Er war Studienleiter und hat die Ergebnisse in Madrid vorgestellt. Weiter sagte er auf der dortigen Pressekonferenz: „Die Ergebnisse übertreffen sogar meine hohen persönlichen Erwartungen im Vorfeld der Veröffentlichung dieser Studie.“ Insgesamt hatte die 1-jährige Therapie mit dem Kinasehemmer-Doppel in der Studie die Chance der Patienten, nach 3 Jahren noch rezidivfrei zu sein in etwa verdoppelt – dies im Vergleich zu Placebo.

Wie es auf der Pressekonferenz weiter hieß, wird nun mit einer raschen Zulassung von Dabrafenib/Trametinib in Europa und den USA für die adjuvante Therapie des BRAF-mutierten Melanoms gerechnet – und damit, dass die beiden zielgerichteten Wirkstoffe die bislang etablierte Interferon-Gabe bald ablösen werden. „Eigentlich gibt es bislang keinen Therapie-Standard für die adjuvante Behandlung von Patienten mit Melanom im Stadium III“, sagte Hauschild. „Interferon hat zwar die Zulassung für diese Indikation, verbessert aber das rezidiv-freie Überleben im Vergleich zu Placebo gerade einmal um relativ 20 Prozent.“ 

 
Dies sind die besten Resultate, die wir jemals in der adjuvanten Therapie des fortgeschrittenen Melanoms in den vergangenen 40 Jahren gesehen habe. Prof. Dr. Axel Hauschild
 

Etwa 40% bis 50% der Melanom-Patienten tragen eine BRAF-Mutation und wären somit Kandidaten für die neuartige adjuvante Therapie. Für Patienten mit einem nicht mehr operablen Melanom mit Fernmetastasen (Stadium IV) und BRAF-Mutation hat die Kombination Dabrafenib/Trametinib (Tafinlar®/Mekinist®) in Europa bereits seit 3 Jahren die Zulassung, denn in dieser Indikation war schon früher ein Überlebensvorteil für die mit dieser Kombination behandelten Patienten gezeigt worden.

Risiko für Rezidiv oder Tod in etwa halbiert

Für die doppelblinde, placebo-kontrollierte Phase-3-Studie COMBI-AD waren insgesamt 870 Patienten mit komplett reseziertem Stadium III Melanom und BRAF V600E oder V600K Mutation rekrutiert worden. Sie erhielten randomisiert entweder oral Dabrafenib (150 mg 2 x tgl.) plus Trametinib (2 mg 1 x tgl.) oder jeweils 2 entsprechende Placebo-Tabletten über 12 Monate. Der primäre Endpunkt war das rezidiv-freie Überleben. Sekundäre Endpunkte waren z.B. das Gesamtüberleben, das Überleben frei von Fernmetastasen, die Rezidivfreiheit und die Sicherheit der Therapie.

Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 2,8 Jahren betrug die (geschätzte) 3-Jahres-Rate der Patienten ohne Rezidiv 58% in der Gruppe unter der adjuvanten Kombinationstherapie und 39% in der Placebo-Gruppe (Hazard Ratio für Rezidiv oder Tod: 0,47; 95%-Konfidenzintervall: 0,39–0,58; p < 0,001). Das heißt: Das Risiko für Rezidiv oder Tod wurde durch das Kinase-Hemmer-Doppel mehr als halbiert.

 
Die Ergebnisse übertreffen sogar meine hohen persönlichen Erwartungen im Vorfeld der Veröffentlichung dieser Studie. Prof. Dr. Axel Hauschild
 

Die Überlebensrate nach 3 Jahren lag bei 86% in der Kombinations-Gruppe und bei 77% in der Placebo-Gruppe (HR für Tod: 0,57; 95%-KI, 0,42–0,79; p = 0,0006) – was jedoch noch nicht die präspezifizierte Grenze für die Interimsanalyse von p = 0,000019 erreichte. Unter der Kombination waren auch mehr Patienten frei von Metastasen (HR: 0,51) oder Rezidiven (HR: 0,47). Was das Sicherheitsprofil anging, war dieses ähnlich wie in den Studien bei Patienten mit metastasiertem Melanom – die Therapie sei im Allgemeinen gut vertragen worden, berichtete Hauschild.

Insgesamt, so das Resümee der Autoren, bewies damit die Kombinationstherapie mit Dabrafenib/Trametinib, dass sie bei Patienten mit Melanom im Stadium III mit BRAF V600E oder V600K Mutation das Risiko für das Wiederauftreten der Erkrankung signifikant reduziert – und dabei keine bislang unbekannten toxischen Effekte auftreten.

Jeder Vierte brach die Therapie wegen Nebenwirkungen ab

Allerdings hat auch die Therapie mit den zielgerichteten Substanzen ihre Nebenwirkungen: 97% der Patienten unter der Kombination und 87% unter Placebo hatten irgendwelche unerwünschten Ereignisse – am häufigsten waren Pyrexie, Fatigue und Nausea. Bei 36% unter der Kombination und 10% unter Placebo handelte es sich um Nebenwirkungen Grad 3/4. Unter der Kombination kam es zu einem Todesfall aufgrund einer Pneumonie. 26% der Patienten der Kombinationsgruppe brachen die Therapie wegen Nebenwirkungen ab, 38% reduzierten deswegen die Dosis und 66% unterbrachen die Einnahme wegen unerwünschten Ereignissen. In der Placebo-Gruppe betrugen die entsprechenden Raten 3, 3 und 15%.

„Die Zahl der Therapieabbrüche war etwas höher als in den Studien mit Patienten mit Melanomen im Stadium IV“, räumte Hauschild ein. „Eine mögliche Erklärung ist, dass 90% der Patienten nicht progredient waren und tatsächlich über das volle Jahr behandelt wurden – aber mit der Therapiedauer steigt auch das Nebenwirkungsrisiko. Jedoch gab es keine Toxizitäten, die noch nicht bekannt gewesen wären und insgesamt können wir sagen, dass die Therapie gut vertragen wurde.“

Hauschild betonte, dass es sich um die erste Studie zur adjuvanten Therapie beim malignen Melanom mit zielgerichteten (targeted) Wirkstoffen handelte. „Das sind Ergebnisse, die die Praxis ändern werden. Die Kombination von Dabrafenib und Trametimib ist eine neue und sehr effektive adjuvante Behandlungsoption für Hochrisisko-Melanom-Patienten.“

 
Die Kombination von Dabrafenib und Trametimib ist eine neue und sehr effektive adjuvante Behandlungsoption für Hochrisisko-Melanom-Patienten. Prof. Dr. Axel Hauschild
 

Eine attraktive Option für Hochrisiko-Melanom-Patienten mit BRAF-Mutation

Dr. Olivier Michielin, Lausanne, Schweiz, Koordinator der ESMO-Melanom-Sektion kommentierte die Ergebnisse: „Wir suchen seit Jahren nach effektiven adjuvanten Therapieoptionen für Melanom-Patienten“, sagte er. „Interferon bringt nicht so viel, hat aber eine hohe Toxizität – und wurde daher allgemein nicht so häufig eingesetzt.“

Er erinnerte an die Daten mit Ipilimumab, die beim ESMO-Kongress 2016 präsentiert worden waren. Das Immuntherapeutikum verbesserte in der adjuvanten Melanom-Therapie ebenfalls das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben. „Das war der erste große Durchbruch im adjuvanten Setting. Allerdings war das in der Studie verwendete Ipilimumab-Regime doch ziemlich toxisch.“

Auch er betonte: „Die Verbesserungen im progressions-freien Überleben und im Gesamtüberleben in der aktuellen Studie sind jeweils sehr signifikant – und machen diese neue Therapie zu einer attraktiven Option für Patienten mit BRAF-Mutation, die immerhin rund die Hälfte der Melanom-Patienten ausmachen. Die unterschiedlichen Toxizitäten der zielgerichteten und der Immun-Therapien werden die Entscheidung beeinflussen, für welche Patienten, welche Option am besten geeignet ist.“

Und die Auswahlmöglichkeiten könnten sogar noch größer werden: Mit Spannung erwartet werden auch erste Daten zur adjuvanten Therapie des Melanoms mit dem Checkpoint-Inhibitor Nivolumab, die ebenfalls in diesem Jahr beim ESMO präsentiert werden. Nivolumab ist in der CheckMate 238-Studie dabei gegen Ipilimumab getestet worden.   



REFERENZEN:

1. Kongress der European Society of Medical Oncology (ESMO), 8. bis 12. September 2017, Madrid/Spanien Präsentation der COMBI-AD-Studie

2. Long GV, et al: NEJM (online) 10. September 2017

Kommentar

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