Barcelona – Ein 3-fach-Screening auf Bauchaorten-Aneurysma, periphere arterielle Verschlusserkrankung (PAVK) und auf Hypertonie kann bei Männern im Alter zwischen 65 und 74 Jahren die 5-Jahressterblichkeit um 7% reduzieren. Dies ergab die populationsbasierte dänische VIVA-Studie (Viborg Vascular), deren Ergebnisse Prof. Dr. Jes S. Lindholt, Universitätsklinik Odense, Dänemark, beim Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) in Barcelona vorgestellt hat und die parallel im Lancet publiziert worden ist [1;2].

Prof. Dr. Jes S. Lindholt
Das bedeutet: Pro 169 zum Screening eingeladenen Männern konnte hierdurch ein Leben gerettet werden. „Ein Ergebnis in dieser Größenordnung konnte bislang noch nie mit einem Screeningprogramm in der Allgemeinbevölkerung gesehen werden“, zeigte sich Lindholt begeistert. „Wir denken, dass dies primär durch die 2,5-fach erhöhte Inzidenz elektiver Aneurysma-Operationen und die doppelt so häufige Initiierung einer antithrombotischen und lipidsenkenden Behandlung in den zum Screening eingeladenen Gruppen zu erklären ist.“ Und dieser Effekt könne zu einem Preis von 2.148 Euro pro QALY (qualitätsadjustiertem Lebensjahr) erreicht werden, was im Vergleich zu Krebsscreening-Programmen günstig sei.

Prof. Dr. Andrew M. Kates
„Gratulation zu dieser großen Studie, einer der größten Studien zum Screening auf ein Bauchaorten-Aneurysma“, sagte Diskutant Prof. Dr. Andrew M. Kates, Washington University School of Medicine, St. Louis, Missouri, USA. Das Screening habe sich als sehr kosteneffektiv erwiesen und habe zu frühen Präventionsstrategien geführt, betonte er. Allerdings sei einer von 4 Eingeladenen nicht gescreent worden (weil nur 75% der Einladung gefolgt sind) und nur 1 von 3 Teilnehmern mit einem Bauchaortenaneurysma oder einer PAVK wurde mit Acetylsalicylsäure und Statin behandelt. Aber. „Das Screening hatte einen Nutzen obwohl die Patienten untertherapiert waren.“ Seine Schlussfolgerung lautete „Das 3-fach-Screening ist eine gute Idee.“
„Vor Implementierung des Screenings sind noch mehr Daten erforderlich“, meint aber Dr. Chadi Ayoub, Mayo Clinic, Rochester, Minnesota, USA, im begleitenden Editorial im Lancet [3]. Er weist darauf hin, dass in der Studie 2 Interventionen mit bekannter Wirksamkeit – nämlich Nachweis des Bauchaorten-Aneurysmas und des Bluthochdrucks – mit einer Intervention unbekannter Wirksamkeit, dem PAVK-Screening per ABI (Knöchel-Arm-Index), zusammengefasst worden seien: „In keiner randomisierten Studie ist bisher das ABI-Screening asymptomatischer Patienten zum Nachweis einer peripheren Arterienerkrankung untersucht worden.“ Verschiedene Leitlinien würden dies bislang nur für Patienten mit vermuteter arterieller Erkrankung oder mit Diabetes vorsehen.
10-Minuten-Screening bei dänischen Männern
In der prospektiven randomisierten Studie wurden zwischen 2008 und 2011 die Daten von 50.156 Männern im Alter zwischen 65 und 74 Jahren gesammelt. Eine Hälfte wurde zum Screening eingeladen, die andere Hälfte erhielt Standard-Vorsorgeuntersuchungen. Die Männer wurden in 14 Krankenhäusern oder Gesundheitszentren von speziell ausgebildeten Schwestern gescreent. Dazu wurde der Blutdruck gemessen, die Bauchaorta mit Ultraschall untersucht und das Ultraschall-Doppler-Verfahren zur Berechnung des Knöchel-Arm-Index (ABI – Ankle-Brachial-Index) eingesetzt. Die Untersuchung dauert etwa 10 Minuten.
Ergab eine Untersuchung einen positiven Befund – Bauchaorta +30 mm, ABI kleiner als 0,90 oder größer als 1,4, Blutdruck über 160/100 mm Hg – wurden die Männer innerhalb einer Woche erneut eingeladen, um die Befunde zu bestätigen. War dies der Fall, wurde der Cholesterinwert bestimmt. Den positiv getesteten Teilnehmern wurde zu verschiedenen präventiven Maßnahmen geraten, wie vermehrter körperlicher Aktivität, Verzicht auf Rauchen, niederkalorische Ernährung und Pharmakotherapie mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure und Simvastatin.
Bei einem Aortenaneurysma unter 5 cm wurde eine jährliche Ultraschallkontrolle durchgeführt, bei größeren Aneurysmen eine CT-Untersuchung und weitere Abklärung durch einen Gefäßchirurgen empfohlen. Bei erhöhtem Blutdruck wurden die Teilnehmer zur weiteren Betreuung an ihren Hausarzt verwiesen. Primärer Endpunkt der Studie war die Gesamtsterblichkeit 5 Jahre nach Randomisierung.
Gesamtsterblichkeit sinkt bei Screening um 7%
Ein Bauchaorten-Aneurysma wurde bei 3,3% der Männer (n = 619) entdeckt, bei 61 Personen war es größer als 55 mm. 307 Teilnehmer (49,6%) unterzogen sich in den 5 Studienjahren einer elektiven Operation. Eine PAVK konnte bei 11% (n = 2.073) nachgewiesen werden, wovon 1.229 eine eingeschränkte Gehstrecke aufwiesen. Bei 33% der Männer mit einem Bauchaortenaneurysma oder einer PAVK (4% insgesamt) wurde eine Therapie mit Statin und/oder Acetylsalicylsäure begonnen. 1.963 Männer litten möglicherweise unter einem bislang nicht bekannten Bluthochdruck, hiervon wurde bei etwa einem Drittel eine Behandlung initiiert.
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 4,4 Jahren hatte die Gesamtsterblichkeit in der Screeninggruppe signifikant um 0,6 Prozentpunkte abgenommen – von 10,8% (Vergleichsgruppe) auf 10,2%, was einer relativen Risikoreduktion um 7% entsprach (Hazard Ratio: 0,93; p = 0,012). Dies bedeutet, dass 169 Männer zum Screening eingeladen werden müssen, um ein Leben zu retten.
Pro Teilnehmer kostete das Screening 148 Euro. Damit lagen die Kosten für ein gewonnenes Lebensjahr bei 6.872 Euro und für ein qualitätsadjustiertes gewonnenes Lebensjahr bei 2.148 Euro. „Das ist wirklich sehr kosteneffektiv und absolut konkurrenzfähig mit entsprechenden Krebs-Screeningprogrammen“, resümierte Lindholt.
Es konnten keinerlei negative Effekte festgestellt werden. Überdiagnose und Überbehandlung seien zwar unvermeidbar, aber sie waren nach Aussage von Lindholt sehr viel seltener, als bei Krebsscreening-Programmen.
REFERENZEN:
1. Jahrestagung der European Society of Cardiology (ESC), 26. bis 30. August 2017, Barcelona/Spanien
2. Lindholt JS, et al: Lancet (online) 28. August 2017
3. Ayoub C, et al: Lancet (online) 28. August 2017
Diesen Artikel so zitieren: Dreifach-Screening: Test auf Bauchaorten-Aneurysma, PAVK und Hypertonie kann manchem Mann über 65 das Leben retten - Medscape - 6. Sep 2017.
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