Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat mit Kymriah (Tisagenlecleucel-T, Novartis) jetzt die erste T-Zell-Therapie mit chimärer Antigen-Rezeptor-Technolgoie (CAR) zugelassen. Das Medikament dient der Behandlung von B-Zell-akuter lymphatischer Leukämie (ALL) bei Kindern und jungen Erwachsenen bis zum Alter von 25 Jahren. Die Zulassung ebnet den Weg für diesen neuartigen Ansatz. Die FDA bezeichnet das neue Produkt als zellbasierte Gentherapie, genauer gesagt als gentechnisch modifizierte autologe T-Zell-Immuntherapie, die für jeden Patienten individuell aufbereitet wird.
„Durch die Möglichkeit, die körpereigenen Zellen eines Patienten umzuprogrammieren, um so eine tödliche Krebsart zu bekämpfen, stoßen wir zu neuen Grenzen der medizinischen Innovation vor, sagt dazu FDA-Kommissar Scott Gottlieb, in einer FDA-Mitteilung.
Novartis hat angekündigt, dass das Produkt mit einem Preis von 475.000 US-Dollar veranschlagt wird, was – wie Medscape Medical News berichtet – zu Schnappatmung unter Onkologen geführt hat. Doch es wurde auch darauf hingewiesen, dass es sich nur um eine einmalige Therapie handelt, die potenziell kurativ wirkt. In erfolgreichen Fällen wird also durch die einmalige Behandlung die Leukämie beseitigt. Zum Vergleich: Eine allogene Knochenmark-Transplantation kostet rund 800.000 US-Dollar, eine autologe Knochenmark-Transplantation rund 350.000 US-Dollar.
„Die Zulassung der CAR-T-Zelltherapie bei kindlicher Leukämie markiert einen wichtigen Paradigmenwechsel in der Behandlung von Blutkrebs“, kommentiert das Dr. Kenneth C. Anderson vom Dana-Farber Cancer Institut in Boston, Massachusetts, und Präsident der American Society of Hematology. „Wir haben jetzt den Beweis, dass es möglich ist, Krebs zu beseitigen, indem wir die Kraft des Immunsystems eines Patienten nutzen. Das ist eine potenziell kurative Therapie bei Patienten, deren Leukämie auf andere Therapien nicht anspricht. Der Ansatz stellt einen Meilenstein auf dem Weg von der Chemotherapie zur Präzisionsmedizin dar“, fügt Anderson hinzu.
Wie die FDA weiter mitteilt, stammen die Daten, die zur Zulassung führten, aus der klinischen Multicenter-Studie ELIANA mit 63 pädiatrischen und jungen erwachsenen Patienten mit rezidivierter oder refraktärer B-Zell-Vorläufer ALL. Die allgemeine Remissionsrate innerhalb von 3 Monaten nach der Behandlung betrug 83%.
Ein einzigartiger Therapieansatz
„Neue Technologien wie Gen- und Zelltherapien haben das Potenzial, die Medizin zu transformieren und einen Wendepunkt in der Therapie und Heilung hartnäckiger Krankheiten zu erreichen“, so Gottlieb. „Wir als FDA sind entschlossen, die Entwicklung und Überprüfung bahnbrechender Therapien, die das Potenzial haben, lebensrettend zu sein, voran zu treiben.“
„Kymriah ist ein einzigartiger Therapieansatz, der einen wichtigen Bedarf bei Kindern und jungen Erwachsenen mit dieser schweren Krankheit deckt“, sagte Dr. Peter Marks, Direktor des Center for Biologics Evaluation and Research der FDA. „Kymriah bietet diesen Patienten nicht nur eine neue Behandlungsmöglichkeit, bei der es nur sehr begrenzte Möglichkeiten gab, sondern auch eine Therapiemöglichkeit, die in klinischen Studien vielversprechende Remissions- und Überlebensraten gezeigt hat.“
Allerdings birgt der neue Ansatz ein Risiko für schwerwiegende, auch lebensbedrohliche Nebenwirkungen. Das beschränkt seinen Einsatz auf speziell zertifizierte Zentren. So enthält das Produkt eine Warnung vor dem Zytokin-Freisetzungs-Syndrom (CRS), einer systemischen Reaktion auf die Aktivierung und Proliferation von CAR-T-Zellen, die hohes Fieber und grippeähnliche Symptome verursachen, auch schwere neurologische Komplikationen können auftreten. Und sowohl CRS als auch neurologische Ereignisse können lebensbedrohlich sein, warnt die FDA. Die Behörde weist auch auf schwere Infektionen, Blutdruckabfälle, akutes Nierenversagen und Hypoxie als Nebenwirkungen hin.
Das Potenzial der CAR-T-Zellen ist seit 2 Jahrzehnten bekannt. Für die CAR-T-Zell-Therapie werden mittels Leukapherese Leukozyten aus dem Blut der Patienten gefiltert. Dann wird den T-Zellen im Labor ein Gen für einen chimären Antigenrezeptor (CAR) zugesetzt. Der CAR erleichtert den T-Zellen das Erkennen von Antigenen von Leukämiezellen.
Die CAR-T-Zellen werden im Labor in Kulturen vermehrt. Der Patient bekommt sie dann infundiert. Die genetisch modifizierten CAR-T-Zellen vermehren sich und Zytokine werden freigesetzt, um andere Abwehrzellen für den Angriff auf die Leukämie-Zellen zu rekrutieren.
In einem Kommentar dazu stellt Dr. Stephan Grupp, Direktor des Cancer Immunotherapy Program im Kinderkrankenhaus von Philadelphia und Pädiater an der University of Pennsylvania School of Medicine, bei Medscape klar: „Die zelluläre Immuntherapie ist eine brandneue Art der Krebsbehandlung und Immuntherapie.“ Grupp macht deutlich, dass alle mit dieser Therapie in Verbindung gebrachten Ergebnisse bei Patienten mit hämatologischen Malignomen durchgeführt wurden und betont: „Die Schlüsselfrage, die sich uns jetzt stellt, ist, ob diese Therapie auch bei soliden Tumoren anwendbar ist. Es wird die Arbeit der nächsten 5 Jahre sein zu prüfen, ob wir das, was wir bei den hämatologischen Malignomen gelernt haben, auch auf die Welt der soliden Tumoren übertragen können. Damit dies gelingt, bedarf es noch weiterer technologischer Entwicklungen, aber wir sind alle sehr gespannt darauf.“
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Diesen Artikel so zitieren: Erstmals CAR-T-Zell-Therapie gegen Blutkrebs von FDA zugelassen – Experten sehen Paradigmenwechsel - Medscape - 1. Sep 2017.
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