Barcelona – Bei Patienten mit frühem persistierendem Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz lässt sich der Sinusrhythmus wirksam und sicher stabilisieren – und zwar durch eine an Risikofaktoren orientierte aggressive „Upstream“-Therapie: Die konsequente Behandlung von Risikofaktoren sowie Änderungen im Lebensstil erwiesen sich dabei als besser wirksam als die in den Leitlinien empfohlene Rhythmuskontrolle.

Prof. Dr. Isabelle C. Van Gelder
Dies ist das Ergebnis der prospektiven randomisierten RACE-3-Studie (The Routine versus Aggressive upstream rhythm Control for prevention of Early persistent atrial fibrillation in heart failure study), die von Prof. Dr. Isabelle C. Van Gelder, Kardiologische Klinik der Universität Groningen, Niederlande, in einer Hotline-Sitzung beim Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) in Barcelona vorgestellt worden ist [1].
Die Upstream-Therapie umfasste:
Aldosteronantagonisten wegen der antifibrotischen und diuretischen Effekte,
Statine wegen der antientzündlichen Wirkung,
ACE-Hemmer und/oder Sartane zur Blutdrucksenkung und wegen ihrer antifibrotischen Wirkungen,
Ein kardiales Rehabilitationsprogramm mit körperlicher Aktivität, Ernährungsumstellung mit Kalorienreduktion und Kochsalzrestriktion und regelmäßiger Beratung zu Arzneimittelcompliance sowie zur Bedeutung von regelmäßiger Bewegung und angepasster Ernährung.
Die Behandlung begann dabei mindestens 3 Wochen vor der elektrischen Kardioversion und wurde über 12 Monate fortgeführt. „Der Effekt der ‚Upstream‘-Therapie auf die Verringerung der Risikofaktoren und kardiovaskulärer Erkrankungen war vorteilhaft. Daher könnte unsere Studie dazu beitragen, sich künftig vermehrt auf die Modifizierung von Risikofaktoren zu konzentrieren, um das Outcome von Vorhofflimmern zu verbessern“, so die Schlussfolgerung der niederländischen Kardiologin.
Stärkere Effekte bei strengerem Rehabilitationsprogramm?
Diskutant Prof. Dr. Josep Brugada, Medizinische Klinik der Universität von Barcelona, wies darauf hin, dass die bisherigen Therapieansätze zur Behandlung des Vorhofflimmerns wenig erfolgreich gewesen seien. Zugrunde liegende Risikofaktoren würden häufig zu wenig beachtet. Daher begrüßte er den Studienansatz der RACE-3-Studie mit einer Risikofaktor-assoziierten Therapiestrategie.

Prof. Dr. Josep Brugada
Enttäuschend war für ihn allerdings, dass sich in der ‚Upstream‘-Gruppe trotz entsprechenden Rehabilitationsprogrammen das Körpergewicht nicht veränderte: „Es gab keine Verminderung des Körpergewichts. Das bedeutet, dass möglicherweise das Rehabilitationsprogramm nicht strikt genug war.“ Möglicherweise sei der Effekt der ‚Upstream‘-Therapie noch ausgeprägter, wenn noch stärker auf eine Senkung des Körpergewichts geachtet würde.
Außerdem vermisste Brugada in der Studie Informationen zum Alkoholkonsum, denn Alkohol kann bekanntlich ein wichtiger Trigger von Vorhofflimmern sein. Dennoch zeige die Studie, dass „eine aggressive ‚Upstream‘-Therapie bei Patienten mit Vorhofflimmern wirksam ist“. Vielleicht könne man künftig auch einen präventiven Upstream-Ansatz etablieren, um die Zahl der Patienten mit Vorhofflimmern zu senken.
Frühe Kontrolle von Risikofaktoren
Die Aufrechterhaltung eines Sinusrhythmus bei Patienten mit Vorhofflimmern ist aufgrund von früh einsetzenden Umbauprozessen am Vorhof erschwert. Diese werden durch verschiedene Risikofaktoren und durch mit dem Vorhofflimmern assoziierte Erkrankungen sowie das Vorhofflimmern selbst ausgelöst. Die Hypothese der RACE-3-Studie lautete daher, dass eine Risiko-assoziierte Upstream-Therapie einer konventionellen leitlinienorientierten Rhythmuskontrolle in der Erhaltung des Sinusrhythmus bei Patient mit frühem persistierendem Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz überlegen ist.
In die Untersucher-initiierte, prospektive, randomisierte offene Studie wurden zwischen 2009 und 2015 in 14 niederländischen und 3 britischen Zentren 245 Patienten im Alter ab 40 Jahren eingeschlossen, die für eine Kardioversion vorgesehen waren. Sie litten seit mindestens 7 Tagen und höchstens 6 Monaten an einem Vorhofflimmern und an einer Herzinsuffizienz im frühen Stadium.
„Dies ist eine Art ‚De-novo-Patient‘, um die Hypothese zu beweisen, dass durch aggressive Therapie die Progression vermieden werden kann“, erklärte Brugada. Erwies darauf hin, dass es schwierig gewesen sei, solche Patienten zu finden, dies erkläre die lange Rekrutierungszeit von 6 Jahren in 17 Zentren.
Bei allen Patienten wurden Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz leitliniengerecht therapiert. Randomisiert wurden sie entsprechend den Leitlinien mit einer Rhythmuskontrolle ohne (n = 126) und mit zusätzlicher Risikofaktor-assoziierten Upstream-Therapie (n = 119) behandelt.
Die Dosierung jedes Medikaments wurde möglichst optimal eingestellt. Als Zielblutdruck galt ein Wert unter 120/80 mmHg. Bei erneutem Vorhofflimmern waren ein erneute Kardioversion, Antiarrhythmika und Ablation erlaubt.
Nach einem Jahr mehr Patienten im Sinusrhythmus
Primärer Endpunkt war die Erhaltung eines Sinusrhythmus nach einem Jahr, erfasst mit Holter-Monitoring über 7 Tage in der letzten Studienwoche. In der Upstream-Gruppe konnte dieser Endpunkt bei 89 von 119 Patienten (75%), in der Kontrollgruppe bei 79 von 126 Patienten (63%) erreicht werden. Van Gelder: „Das bedeutet, dass die Odds Ratio 1,8 beträgt und dass die Überlegenheitshypothese bewiesen ist“ (p = 0,021). Der Gebrauch von Antiarrhythmika (45% vs 43%) und die Zahl der elektrischen Kardioversionen (56% vs 51%) unterschieden sich in den beiden Gruppen nicht.
Unter den sekundären Endpunkten sanken in der Upstream-Gruppe der systolische und diastolische Blutdruck, der NT-proBNP-Wert und der LDL-Cholesterin-Wert signifikant stärker als in der Kontrollgruppe. Keine Unterschiede ergaben sich beim Body-Mass-Index und bei der Auswurffraktion. Auch das kardiale Remodelling konnte nicht beeinflusst werden. Van Gelder erklärte dies damit, dass die Umbauvorgänge im Herz schon sehr früh einsetzen: „Obwohl wir früh begonnen haben, waren wir wahrscheinlich doch nicht früh genug dran.“
Therapiebedingte unerwünschte Wirkungen waren in der Upstream-Gruppe häufiger, erforderten jedoch nur selten einen Therapieabbruch.
Eine Analyse der Ergebnisse nach weiteren 4 Jahren soll klären, ob kardiovaskuläre Letalität und Morbidität durch den neuen Therapieansatz ebenfalls gebessert werden.
REFERENZEN:
1. Kongress der European Society of Cardiology (ESC), 26. bis 30. August 2017, Barcelona/Spanien
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: RACE 3 bei „frühem“ persistierendem Vorhofflimmern: Wie sich der Sinusrhythmus nach Kardioversion länger erhalten lässt - Medscape - 31. Aug 2017.
Kommentar