Historisch niedrige LDL-Werte in der FOURIER-Studie: … Und nach unten scheint es keine Grenze zu geben …

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

30. August 2017

Barcelona – Mit PCSK9-Inhibitoren wie Evolocumab in Kombination mit einem Statin kann der LDL-Cholesterin-Spiegel so tief wie nie zuvor gesenkt werden. Auch bei einer Senkung des LDL-Cholesterin-Spiegels bis zu 10 mg/dl nimmt dabei das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse linear ab. Gleichzeitig kommt es (über einen Beobachtungszeitraum von 2,2 Jahren) nicht zu vermehrten Nebenwirkungsproblemen bei den Patienten, die einen sehr niedrigen LDL-Cholesterinspiegel (< 20 mg/dl) erreichen.

Prof. Dr. Robert Patrick Giugliano

Dies ergab eine vordefinierte weitere Analyse der Daten der FOURIER-Studie, die Prof. Dr. Robert Patrick Giugliano, Abteilung für kardiovaskuläre Medizin, Brigham and Women’s Hospital, Boston, USA, beim Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) in Barcelona vorgestellt und parallel im Lancet publiziert hat [1;2].

„Diese Daten legen nahe, dass wir deutlich niedrigere LDL-Cholesterinspiegel als Zielparameter als bisher empfohlen für unsere Patienten mit atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung festlegen sollten“, so seine Schlussfolgerung: „Lowest is best.“

Kommt nach „the lower the better“ nun die „LDL-Eradikation“?

Im begleitenden Editorial im Lancet weisen Prof. Dr. G. Kees Hovingh und Kollegen von der Abteilung für Gefäßmedizin und der Abteilung für Kardiologie am Akademischen Medizinischen Zentrum, Amsterdam, darauf hin, dass es sich bei dieser Post-hoc-Analyse nicht um eine randomisierte Studie handelt, die den Effekt der PCSK9-Hemmung untersucht, sondern um eine Beobachtungsstudie, in der die Assoziation zwischen LDL-Cholesterinkonzentration und kardiovaskulärer Erkrankung betrachtet wird.

Wie erwartet seien alle Patienten mit sehr niedrigen LDL-Konzentrationen mit Evolocumab behandelt worden. „Wichtig ist, dass die hohe Zahl von Patienten mit sehr niedrigen LDL-Cholesterin-Konzentrationen eine robuste Analyse erlaubt.“ Nach Aussage von Hovingh deuten die nun vorliegenden Daten darauf hin, dass das bisherige Konzept „The lower the better“ in ein „Konzept der LDL-Eradikation“ übergeht. Und die Daten bestätigten auch, dass das Nebenwirkungsrisiko sowie das Risiko kognitiver Störungen bei sehr niedrigen LDL-Cholesterin-Werten nicht stiegen.

 
Diese Daten legen nahe, dass wir deutlich niedrigere LDL-Cholesterinspiegel als Zielparameter als bisher empfohlen … festlegen sollten. Prof. Dr. Robert Patrick Giugliano
 

In der FOURIER-Studie konnte gezeigt werden, dass der PCSK9-Hemmer Evolocumab zusätzlich zu einem Statin gegeben, die LDL-Cholesterinspiegel um 59% signifikant verringerte und das kardiovaskuläre Risiko der Patienten im Vergleich zu alleiniger Statin-Behandlung um weitere 15% senkte (wie Medscape berichtete). Giugliano und seine Kollegen untersuchten nun in einer vordefinierten Analyse der Studie die Wirksamkeit und Verträglichkeit von sehr niedrigen LDL-Cholesterinspiegeln. Die Patienten wurden dazu anhand des nach 4 Wochen Behandlung in der Studie erreichten LDL-Cholesterinspiegels in 5 Gruppen eingeteilt:

  1. < 20 mg/dl, n = 2669, 10%

  2. 20–49 mg/dl, n = 8003, 31%

  3. 50–69 mg/dl, n = 3444, 13%

  4. 70–99 mg/dl, n = 7471, 29%

  5. > 100 mg/dl Referenzgruppe, n = 4395, 17%

Diese Spiegel blieben bei den Patienten im Allgemeinen über die gesamte Studie (168 Wochen) aufrechterhalten. Analysiert wurden jeweils die gepoolten Daten aus der Verum- und der Vergleichsgruppe.

Das Risiko für den zusammengesetzten primären Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall, koronarer Revaskularisierung oder Hospitalisierung wegen instabiler Angina pectoris nahm umso mehr ab, je niedriger der LDL-Cholesterinspiegel nach 4 Wochen war. Die Kaplan-Meier-Ereignisraten nach 3 Jahren in den 5 Gruppen vom niedrigsten zum höchsten Wert betrugen 10,3%, 12,4%, 13,6%, 13,7% und 15,5% (ptrend < 0,0001).

„Es handelt sich um eine gleichmäßige progressive Abnahme des Risikos mit dem Abfall der LDL-Cholesterinspiegel“, so Giugliano. Die korrespondierenden adjustierten Hazard Ratios mit der Gruppe 5 als Referenz lagen bei 0,76 (95%-Konfidenzintervall: 0,64–0,90), 0,85 (0,76–0,96), 0,94 (0,82–1,09) und 0,97 (0,86–1,09).

 
Es handelt sich um eine gleichmäßige progressive Abnahme des Risikos mit dem Abfall der LDL-Cholesterinspiegel. Prof. Dr. Robert Patrick Giugliano
 

Die besten Ergebnisse bei denjenigen mit einem LDL unter 10 mg/dl

Eine ähnliche LDL-konzentrationsabhängige Senkung wurde beim sekundären Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall mit adjustierten HR von 0,69, 0,75, 0,87 und 0,90 für Gruppe 1 bis 4 gesehen. „Es gibt keinerlei Hinweis auf einen J-förmigen Verlauf der Kurve“, betonte der Kardiologe.

Die Nebenwirkungsrate wurde durch die LDL-Cholesterinkonzentration nicht beeinflusst. Giugliano: „Es gab keine Unterschiede zwischen den Gruppen.“ Zur Untersuchung der Kognition wurden verschiedene Tests verwendet, auch hier zeigten sich keinerlei Unterschiede zwischen den LDL-Gruppen.

Giugliano stellte zusätzlich Daten einer exploratorischen Analyse mit 504 Patienten vor, die einen LDL-Cholesterinspiegel unter 10 mg/dl nach 4 Wochen erreicht hatten. „Sie hatten die besten Ergebnisse.“ Die HR für den zusammengesetzten primären Endpunkt lag bei 0,69, für den sekundären Endpunkt bei 0,59, was einer relativen Risikosenkung um 31% bzw. 41% entspricht. Bei den schweren unerwünschten Wirkungen konnten wiederum keine Unterschiede gesehen werden.

 
Es gibt keinerlei Hinweis auf einen J-förmigen Verlauf der Kurve. Prof. Dr. Robert Patrick Giugliano
 

Die gute Verträglichkeit sehr niedriger LDL-Cholesterinwerte erklärte Giugliano damit, dass es sich um die im Blut gemessenen Konzentrationen handele. Die Werte im Gewebe würden durch die Therapie nicht beeinflusst.



REFERENZEN:

1. Jahrestagung der European Society of Cardiology (ESC), 26. bis 30. August 2017, Barcelona/Spanien 

2. Giugliano RP, et al: Lancet (online) 28. August 2017

3. Hovingh GK, et al: Lancet (online) 28. August 2017

Kommentar

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