STI oder nicht – das ist hier die Frage: Sollte bei bakterieller Vaginose der Partner mitbehandelt werden?

Anke Brodmerkel

Interessenkonflikte

29. August 2017

Obwohl die bakterielle Vaginose die häufigste Erkrankung der weiblichen Scheide ist, gestaltet sich ihre Behandlung schwierig und ist bei rund jeder 2. Frau mit Rückfällen verbunden. Das konstatiert ein Expertengremium der Weltgesundheitsorganisation WHO in einer Übersichtsarbeit zu sexuell übertragbaren Erkrankungen (STI), die in der Fachzeitschrift The Lancet Infectious Diseases veröffentlicht ist [1].

Das häufige Wiederauftreten der bakteriellen Vaginose nach zunächst erfolgreicher antibiotischer Behandlung deute – neben einer Reihe weiterer Aspekte – daraufhin, dass die Erkrankung womöglich anders als angenommen doch zwischen 2 Geschlechtspartnern übertragen werden könne, schreibt das Team um Prof. Dr. Magnus Unemo von der schwedischen Universität Ørebro, der dem WHO Collaborating Centre for Gonorrhoea and Other Sexually Transmitted Infections vorsteht.

In Deutschland werden Sexualpartner selten mitbehandelt

„Die Frage, ob die bakterielle Vaginose sexuell übertragbar ist oder nicht, ist natürlich von entscheidender therapeutischer Bedeutung“, bestätigt Dr. Klaus Jansen von der Abteilung für Infektionsepidemiologie am Berliner Robert Koch-Institut (RKI) im Gespräch mit Medscape. Denn würde die Erkrankung zu den klassischen STIs gehören, müssten Sexualpartner für eine langfristig erfolgreiche Behandlung mittherapiert werden. Das aber sei in Deutschland bislang selten oder gar nicht der Fall, sagt Jansen.

Prof. Dr. Ioannis Mylonas

„Ich sehe bisher allerdings auch keine hinreichenden Belege, die eine Behandlung der Männer grundsätzlich rechtfertigen würde“, kommentiert Prof. Dr. Dr. Ioannis Mylonas, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Infektionen und Infektionsimmunologie (AGII) der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), gegenüber Medscape. Die Krankheit stelle diesbezüglich sicherlich einen Ausnahmefall unter den STI dar – sofern man sie überhaupt zu den STI zähle, was in den USA der Fall sei, aber in Europa kontrovers diskutiert werde.

Klassischerweise orale antibiotische Behandlung

Die bakterielle Vaginose ist durch eine verstärkte Besiedlung mit dem Bakterium Gardnerella vaginalis und anderen anaeroben Keimen gekennzeichnet. Dabei verschiebt sich das mikrobiologische Gleichgewicht der Scheide zu Ungunsten der Laktobazillen. Etwa die Hälfte der Patientinnen leidet dadurch an einem grau-weißen homogenen Ausfluss, der vermehrt, schaumig oder dünnflüssig sein kann. Ihm haftet ein unangenehmer, meist fischiger Geruch an, der durch die gebildeten Amine entsteht.

Im äußeren Scheidenbereich können zudem Juckreiz und Hautreizungen auftreten. Manche Frauen verspüren auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder Wasserlassen. Darüber hinaus ist die Erkrankung mit der Möglichkeit aufsteigender Infektionen und einem erhöhten Risiko für andere STIs verbunden.

 
Die Frage, ob die bakterielle Vaginose sexuell übertragbar ist oder nicht, ist natürlich von entscheidender therapeutischer Bedeutung. Dr. Klaus Jansen
 

„Ich empfehle den Patientinnen eine orale Therapie mit dem Antibiotikum Metronidazol, 2 x 500 mg, über 7 Tage hinweg“, sagt Mylonas. „Damit lassen sich meiner Erfahrung nach die besten Heilungsraten erzielen.“ Lokale Antibiotika hingegen, etwa mit dem Wirkstoff Clindamycin oder mit Metronidazol, hätten schlechtere Ansprechraten, sagt der DGGG-Experte. Auch der Erfolg einer sich anschließenden Behandlung mit Laktobazillen sei nicht hinreichend durch Studien belegt – wenngleich ein solcher Heilversuch natürlich, soweit bekannt sei, wenig Schaden anrichten könne.

Auch sehr junge Mädchen können erkranken

Man wisse einfach noch immer viel zu wenig über die Erkrankung, sagt der RKI-Experte Jansen. Genaue Zahlen zu ihrer Häufigkeit gebe es wegen der fehlenden Meldepflicht nicht. Sicher sei, dass es sich auch hierzulande um ein ganz übliches klinisches Bild handele. Und als behandelnder Arzt stochere man leider derzeit noch ein bisschen im Nebel, sagt Jansen.

Klar sei, dass auch junge Mädchen, die noch keinen Geschlechtsverkehr gehabt hätten, an einer bakteriellen Vaginose erkranken könnten. „Dennoch spricht inzwischen vieles dafür, dass sich die sexuelle Aktivität der Frau auf die Krankheit auswirken kann – und sich somit eine Behandlung der jeweiligen Sexualpartner lohnen könnte, auch wenn diese keine Symptome zeigen“, sagt Jansen.

 
Ich sehe bisher allerdings auch keine hinreichenden Belege, die eine Behandlung der Männer grundsätzlich rechtfertigen würde. Prof. Dr. Dr. Ioannis Mylonas
 

Bei beschnittenen Partnern sinkt Erkrankungsrisiko der Frauen

Unemo und sein Team verweisen diesbezüglich in ihrer Publikation beispielsweise auf mikrobiologische Untersuchungen, die gezeigt haben, dass bei Männern unter der Vorhaut und in der distalen Harnröhre eine Vielzahl an Bakterien zu finden ist, die auch mit einer bakteriellen Vaginose der Frau in Verbindung gebracht werden.

Zugleich sind diese Bakterien verbreiteter bei Männern, deren Frauen an der Erkrankung leiden, als bei den Partnern gesunder Frauen. Bei monogamen Paaren fand sich zudem eine hohe Übereinstimmung der gefundenen Bakterienarten. Die Wissenschaftler um Unemo sprechen sich daher gerade bei wechselnden Sexualpartnern für den Gebrauch von Kondomen aus.

Des Weiteren verweisen die Autoren auf Studien, die gezeigt haben, dass bei beschnittenen Männern geringere Mengen der für die bakterielle Vaginose typischen Keime zu finden sind – und dass eine Beschneidung der Männer das Erkrankungsrisiko der Frauen um 40 bis 60% reduzieren kann. Dies sei konsistent mit der Beobachtung, dass beispielsweise in Afrika südlich der Sahara, wo Männer kaum beschnitten würden, bei den Frauen eine besonders hohe Krankheitslast von bis zu 50% zu verzeichnen sei, schreiben die WHO-Experten.

Biofilm erschwert die Therapie

Dass die Therapie der bakteriellen Vaginose bislang so wenig zufriedenstellend ist, liegt allerdings womöglich nicht nur an der fehlenden Mitbehandlung des Mannes – auch eine Mitbehandlung des Partners habe keine besseren Heilungsraten ergeben, so Mylonas.

„Inzwischen weiß man, dass sich die Bakterien als Biofilm auf der Schleimhaut der Vagina ablagern können und dass dieser Film mit den bisher verabreichten Medikamenten offenbar nur sehr schwer aufzubrechen ist“, sagt Jansen.

 
Dennoch spricht inzwischen vieles dafür, dass sich die sexuelle Aktivität der Frau auf die Krankheit auswirken kann – und sich somit eine Behandlung der jeweiligen Sexualpartner lohnen könnte … Dr. Klaus Jansen
 

Auch Unemo und sein Team verweisen auf die Notwendigkeit, Wirkstoffe zu erforschen, die in der Lage sind, den Biofilm zu zerstören. Denn die einzigen Substanzen, die zu diesem Zwecke bereits in klinischen Studien untersucht worden seien, Octenidin und Borsäure, hätten bislang keine überzeugenden Ergebnisse hervorgebracht, schreiben die Wissenschaftler.

„Tatsächlich ist dieses spezifische Forschungsfeld noch sehr jung“, sagt Jansen. Er persönlich verspreche sich allerdings recht viel davon. „Vielleicht ist die Situation ein wenig vergleichbar mit der von Hepatitis C“, sagt der RKI-Experte. „Vor 30 Jahren kannten wir noch nicht einmal deren Erreger und heute ist die Krankheit gut behandelbar.“ Es bleibe somit zu hoffen, dass es für die bakterielle Vaginose in absehbarer Zeit ebenfalls deutlich effektivere Therapien als heute geben werde.



REFERENZEN:

1. Unemo M, et al: Lancet Infect Dis (online) 9. Juli 2017

Kommentar

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