Das Epstein-Barr-Virus (EBV) ist ein guter Biomarker für Nasopharynx-Karzinome: Mit einer Sensitivität von 97,1% und einer Spezifität von 98,6% zeigt virale DNA in Plasmaproben von asymptomatischen Patienten Nasenrachenkrebs an. Das ist das Ergebnis einer Studie von Dr. K.C. Allen Chan vom Li Ka Shing Institute of Health Sciences in Hong Kong [1].
Chan und seine Kollegen haben 20.174 Männer in ein Screening aufgenommen und das Plasma der Teilnehmer auf EBV-DNA untersucht. Insgesamt 34 Nasopharynx-Karzinome konnten so entdeckt werden – und viele davon in einem frühen Stadium.
„Das ist eine sehr interessante Studie mit erfreulichen Ergebnissen. Wichtig sind die Studienergebnisse auch vor dem Hintergrund, dass Viren-assoziierte Tumoren weltweit zunehmen – wie beispielsweise Tumoren, die mit humanen Papilloma-Viren assoziiert sind“, sagt dazu Prof. Dr. Andreas Dietz.
„Die Ergebnisse weisen eine hohe Relevanz vor allem für die asiatische Bevölkerung auf. Für Europäer bzw. Kaukasier sind die Studienergebnisse weniger relevant, weil diese Tumoren unter Kaukasiern selten auftreten“, erklärt der Direktor der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde und medizinisch-wissenschaftliche Leiter des Department der Kopf- und Zahnmedizin am Universitätsklinikum Leipzig.
Die Unterschiede in der Verbreitung des Tumors zwischen Europa und China sind beträchtlich: In China und speziell in der Gegend um Hongkong machen Nasopharynx-Karzinome 18 bis 20% der Krebserkrankungen aus (Inzidenz ca. 30/100.000 Einwohner), in Europa liegt ihr Anteil bei 0,2% aller Krebserkrankungen. „Nasopharynx-Karzinome haben in Deutschland unter den Kopf-Hals-Tumoren einen Anteil von 5 Prozent“, so Dietz.
Screening ermöglicht die Detektion in frühem Krankheitsstadium …
Das Durchschnittsalter der von Chans Team aufgenommenen Probanden (n = 20.174) lag bei 52 Jahren. Gescreent und nachbeobachtet wurden die Teilnehmer von Juli 2013 bis Februar 2016. Virale DNA wurde initial bei 1.112 Probanden (das entspricht 5% der Studienteilnehmer) gefunden.
Teilnehmer mit positivem Befund wurden 4 Wochen später noch einmal getestet. Bei 309 Patienten war der Befund wiederum positiv – das entspricht 1,5% aller Patienten und 27,8% der initial positiv getesteten Probanden.
Von diesen 309 Patienten unterzogen sich 300 einer Endoskopie und 275 sowohl einer Endoskopie als auch Magnetresonanztomografie (MRT). 34 dieser Patienten wiesen ein Nasopharynx-Karzinom auf.
Chan und seine Kollegen verglichen die mittels EBV-Screening gefundenen Krankheitsstadien mit den Krankheitsstadien aus einer historischen Kohorte. Sie fanden heraus, dass ein signifikant höherer Anteil von Screening-Teilnehmern ein frühes Krankheitsstadium (Stadium I oder II) aufwies als die Probanden der Vergleichskohorte: 71% vs 20% (p < 0,001). Die Sensitivität und Spezifität des EBV-Screenings lag bei 97,1% resp. 98,6%.
„Nasopharynx-Karzinome konnten durch das Screening signifikant früher entdeckt werden. Die Männer, die wir gescreent haben, wiesen im Vergleich zu den Probanden der historischen Kohorte ein deutlich früheres Krankheitsstadium auf“, schreibt Chan. „Unsere Studie zeigt, dass die Analyse der Viren-DNA das Potenzial aufweist, Nasopharynx-Karzinome sehr frühzeitig zu entdecken. Denn schon kleine Tumoren setzen suffiziente Mengen von Viren-DNA frei, das erlaubt eine sensitive Detektion“, so Chan.
Für asiatische Bürger sind die Studienergebnisse und ein mögliches früheres Erkennen der Erkrankung hoch relevant. Tatsächlich werden Nasopharynx-Karzinome seltener in einem sehr frühen Stadium erkannt: „Das Problem ist: Diese Tumoren merken Sie nicht, irgendwann ist die Nase zu oder es kommt zu Nasenbluten, das können Frühsymptome sein“, zählt Dietz auf.
Allerdings lassen sich vor allem die EBV-assoziierten Nasopharynx-Karzinome mit Bestrahlung und Chemotherapie gut behandeln: Die Heilungsrate liegt bei über 80%, nur sehr selten sterben Patienten an einem Nasopharynx-Karzinom.
… dennoch ist das Screenen asymptomatischer Patienten in Deutschland wenig sinnvoll
Aus Sicht von Chan und Kollegen rechnet sich ein Screening: „Die Kosten für jede EBV-DNA-Analyse, für Endoskopie und MRT liegen bei 30, 80 und 1.000 US-Dollar. Legen wir die Ergebnisse unserer Studie zugrunde, dann müssen 593 Teilnehmer gescreent werden, um ein Nasopharynx-Karzinom zu entdecken.“
Das kostet zwar insgesamt 28.600 US-Dollar. Doch zieht man den potenziellen Rückgang der Sterblichkeit und Morbidität in Betracht und nimmt die eingesparten Behandlungskosten aufgrund der Verschiebung hin zu früheren Krankheitsstadien hinzu, dann scheint ein Screening auf Nasopharynx-Karzinome eine praktikable Methode in Regionen mit hoher Inzidenz zu sein, schreiben die Autoren.
„Ein Screening für die Bevölkerung in Hongkong wäre eine gute und sinnvolle Sache“, meint auch Dietz und fährt fort: „Für uns in Europa bzw. Deutschland wäre ein Screening von asymptomatischen Patienten aufgrund der Seltenheit der Tumoren hingegen wenig sinnvoll.“
Noch ein weiterer Grund spricht gegen ein Screening in Deutschland bzw. Europa: „Epstein-Barr-Viren treten bei uns endemisch auf, das Virus löst häufig Pfeiffersches Drüsenfieber aus. Werden Patienten, die einmal daran erkrankt waren, getestet, wird man viele positive Proben finden. Doch die wenigsten dieser Patienten erkranken als Folge eines Pfeifferschen Drüsenfiebers an einem Nasopharynx-Karzinom – das ist eine Rarität. Häufiger tritt im Rahmen des Pfeifferschen Drüsenfiebers ein Milzriss auf.“
Die Rolle von EBV bei der Diagnostik von Nasen-Rachenraum-Karzinomen ändert sich in Deutschland durch die Studienergebnisse nicht, bestätigt Dietz. Liegt ein Nasopharynx-Karzinom vor, wird geschaut, ob die Erkrankung EBV-assoziiert ist – das wurde bislang schon so gehandhabt.
REFERENZEN:
1. Chan KCA, et al: NEJM (online) 10. August 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Epstein-Barr-Virus-DNA im Plasma als Biomarker für Nasopharynx-Karzinome: Wann lohnt das EBV-Screening? - Medscape - 17. Aug 2017.
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