Cholera: 2 Impfdosen schützen länger, aber bei drohenden Epidemien tut’s auch die Einzelimpfung

Mathias Tertilt

Interessenkonflikte

14. August 2017

Eine 2-fache Schutzimpfung mit einem oralen Cholera-Impfstoff reduziert das Infektionsrisiko für 3 Jahre. Eine einzelne Dosis des Impfstoffes bietet immerhin für bis zu 12 Monate denselben Schutz. Das könnte die Einzeldosis des Vakzins zu einer effektiven Maßnahme bei einer drohenden Cholera-Epidemie machen, schreiben die Autoren einer in Lancet Infectious Diseases publizierten Metaanalyse [1].

Quifang Bi und ihre Kollegen vom Department of Epidemiology der John Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore, USA, werteten alle bisher vorliegenden Studien zu Cholera-Impfstoffen aus, die abgetötete Zellen der Vibrio-cholerae-Serotypen Ogawa und Inaba enthalten.

Wirksamkeit in klinischen Studien und unter Realbedingungen

Die Analyse von 7 randomisiert-kontrollierten Studien mit insgesamt 695 Cholerapatienten und 6 Beobachtungsstudien mit insgesamt 217 Patienten ergab: Die durchschnittliche klinische Wirksamkeit von 2 Schluckimpfungen liegt bei 58% in klinischen Studien und 76% unter Realbedingungen. Der Schutz einer Doppelimpfung hält den Autoren zufolge für einen Zeitraum von 3 Jahren an.

Eine Einzeldosis hat unter Realbedingungen eine klinische Wirksamkeit von 69%. Der Schutz hält 12 Monate an. In der einzigen randomisiert-kontrollierten Studie, die eine einzelne Impfdosis untersuchte, lag die Wirksamkeit bei 40% – allerdings handelt es sich dabei nur um eine Schätzung über einen Zeitraum von 6 Monaten.

 
Es spricht vieles dafür, dass eine Dosis ausreicht, wenn es um die Abwägung in Krisensituationen geht. Prof. Dr. Gérard Krause
 

„Es spricht vieles dafür, dass eine Dosis ausreicht, wenn es um die Abwägung in Krisensituationen geht”, sagt Prof. Dr. Gérard Krause, Leiter der Abteilung Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Braunschweig. „Hier müsste man die geringere Wirksamkeit in Kauf nehmen, könnte aber schneller einen viel größeren Teil der Bevölkerung impfen. Das kann am Ende ein insgesamt besseres Ergebnis bedeuten.“

Wenige Studien, geringe Wirkdauer

Allerdings geben die Autoren zu bedenken, dass zum einen nur wenige Studien zur Verfügung stünden und diese sich zum anderen in Studiendesign, Nachbeobachtungszeiträumen, den verwendeten Vakzinen und den epidemiologischen Gegebenheiten unterschieden.

„Die Studie ist sorgfältig durchgeführt worden und die Autoren interpretieren die Ergebnisse sehr vorsichtig, denn die Evidenz ist nicht so stark”, sagt auch Krause. „Leider zeigt sich aber, dass die Dauer des Impfschutzes nicht so lang ist wie erhofft.”

So betrug die Wirkdauer für das Vakzin bei einer 2-fachen Dosis in klinischen Studien 4 bis 36 Monate (durchschnittlich 28 Monate), in Beobachtungsstudien 5 bis 34 Monate. Hier lag das Mittel bei nur 18 Monaten.

 
Leider zeigt sich aber, dass die Dauer des Impfschutzes nicht so lang ist wie erhofft. Prof. Dr. Gérard Krause
 

Impfung zeigt altersspezifische Wirksamkeit

Einige Studien geben zudem Hinweise auf eine altersspezifische Wirksamkeit der Cholera-Impfung. Für Kinder unter 5 Jahren beträgt diese in klinischen Studien durchschnittlich nur 30%. Doch aus den Beobachtungsstudien errechneten die Autoren eine Wirksamkeit unter Realbedingungen von 78%.

Diese Daten stammen jedoch nur aus 2 Studien – und in diesen waren gerade einmal 18 Teilnehmer unter 5 Jahre alt. Bei Kindern zwischen 5 und 15 Jahren lag die Wirksamkeit unter Realbedingungen bei 80% (95%-Konfidenzintervall: 41–93).

„Erstaunlich ist, dass bei Kindern unter 5 Jahren die Wirksamkeit in klinischen Studien niedriger ist als die Wirksamkeit unter Realbedingungen“, sagt Krause. Der Grund hierfür könnte die Entstehung einer Herdenimmunität sein. „Hier bräuchte es weitere große, systematische und vor allem vergleichbare Studien, um dieses Phänomen zu bewerten“, so Krause.

Entscheidungshilfe in Krisensituationen

In einem Kommentar bezeichnen Dr. Suman Kanungo und Pranab Chatterjee vom Indian Council of Medical Research und dem National Center of Cholera and Enteric Diseases in Kalkutta, Indien, die Studie als „bemerkenswerte Leistung“. Auch deshalb, weil die Studie die Ergebnisse eines Reviews aus dem Jahr 2011 bestätigt. Außerdem gebe sie Aufschluss über die altersspezifische Wirksamkeit des Vakzins [2].

Laut Kanungo und Chatterjee hatte die mangelnde Datenbasis bisher zur Folge, dass politische Entscheidungen und Präventionsmaßnahmen auch in endemischen Ländern verzögert worden seien.

 
Erstaunlich ist, dass bei Kindern unter 5 Jahren die Wirksamkeit in klinischen Studien niedriger ist als die Wirksamkeit unter Realbedingungen. Prof. Dr. Gérard Krause
 

Wie wichtig ein schnelles und durch die Halbierung der benötigten Impfdosen möglicherweise kostengünstigeres Eingreifen wäre, zeigt eine aktuelle Meldung der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Demnach ist die Zahl der Toten bei der momentan weltweit größten Cholera-Epidemie im Jemen mittlerweile auf fast 2.000 gestiegen. Die Zahl der Patienten mit Verdacht auf Cholera erreichte kürzlich die halbe Million. Demgegenüber steht ein laut WHO „zusammenbrechendes Gesundheitssystem“ und ein großer Mangel an Finanzmitteln für Medikamente, medizinisches Personal und Krankhäuser.



REFERENZEN:

1. Bi Q, et al: Lancet Infect Dis (online) 17. Juli 2017

2. Kanungo S, et al: Lancet Infect Dis (online) 17. Juli 2017

Kommentar

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