Große US-Analyse vergleicht 3 Ernährungsstrategien: Mit welcher Kost lebt man am längsten?

Dr. Jürgen Sartorius

Interessenkonflikte

8. August 2017

Wie wir uns ernähren, bestimmt (auch) darüber, wie lange wir leben. Eine aktuelle große US-amerikanische Kohortenstudie mit 75.000 Teilnehmern und bis zu 12 Jahren Follow-up hat dies nun bestätigt. Die Autoren haben verschiedene Ernährungsansätze verglichen und das Ergebnis im New England Journal of Medicine veröffentlicht [1]. Das Fazit: Gesunde Ernährung lohnt immer, aber am besten schnitt (wieder einmal) eine mediterrane Kost ab. 

Prof. Dr. Martin Middeke

Wer sich gesund ernährt, hat ein niedrigeres Sterberisiko, speziell an kardiovaskulären Ursachen, ergab die Analyse. Je konsequenter und länger die Befragten den gesunden Ernährungsregeln folgten, umso stärker verringerte sich ihr Risiko im Follow-up-Zeitraum von bis zu 12 Jahren.

„Diese Kohortenstudie mit ihrer hohen Teilnehmerzahl über lange Zeit belegt die Vorteile gesunder Ernährung, die bisher nur in kleineren Studie gezeigt werden konnte“, betont auch der Internist Prof. Dr. Martin Middeke, Leiter des Hypertoniezentrums München (HZM), gegenüber Medscape.

Verschiedene Ernährungsempfehlungen, aber gleiche Tendenzen

Im Vergleich zu denjenigen, deren Ernährungsdisziplin sich im Dokumentationszeitraum nicht verbessert hatte, sank die Sterberate der diszipliniertesten Teilnehmer je nach Art der Diät um 9 bis 16%. Dabei wurden 3 in den USA weitverbreitete „Diäten“ verglichen:

  • Bei Teilnehmern, die sich nach den Regeln des Alternate Healthy Eating Index (AHEI) ernährt hatten, verringerte sich das Sterberisiko um 0,91 (95% Konfidenzintervall (KI) 0,85 – 0,97). Der AHEI ist eine Ernährungsempfehlung der US-amerikanischen Regierung und favorisiert Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, Fisch, weißes Fleisch, Soja, Hülsenfrüchte, Tofu, ungesättigte Fettsäuren und ungesüßte Getränke.

  • Unter den Dietary Approaches to Stop Hypertension (DASH) – einer speziell für Hypertoniker empfohlenen Ernährung – verringerte sich das Sterberisiko der Teilnehmer um 0,89 (95% KI 0,84 – 0,95). Die DASH-Diät entspricht in weiten Teilen der AHEI, legt aber besonderen Wert auf die Verringerung von Kochsalz durch die alternative Verwendung von Kräutern und Gewürzen.

  • Unter der Alternate Mediterranean Diet (AMD) schnitten die Teilnehmer mit Verringerungen des Sterberisikos um 0,84 (95% KI, 0,78 – 0,91) noch besser ab. Die AMD ist eine für Mittelmeerländer typische Ernährung mit viel Fisch und Käse, aber auch Rotwein.

Die Studie wertete die Daten von 48.000 Frauen und 26.000 Männern der Nurses Health Study und der Health Professionals Follow-up Study aus den Jahren 1986 bis 2010 in den USA aus. Bei diesen Teilnehmern war von 1986 bis 1998 alle 4 Jahre die Einhaltung der 3 verschiedenen Ernährungsempfehlungen abgefragt worden. Anschließend setzten die Epidemiologen um Dr. Mercedes Sotos-Prieto und Prof. Dr. Frank B. Hu die Todesfälle in diesen Gruppen von 1998 bis 2010 mit der zuvor dokumentierten Einhaltung dieser Empfehlungen ins Verhältnis.

„Alle diese Beobachtungen in den USA lassen sich sicher auch auf Deutschland übertragen“, sagt dazu Middeke. „Die Daten bestätigen die Erfahrungen aus der Praxis, dass eine insgesamt gesunde Ernährungsweise, ergänzt durch sowohl eine Einschränkung des Kochsalzkonsums als auch einem moderaten Genuss von Rotwein die Alterung der Gefäße verlangsamen kann.“ Verschiedene Studien haben außerdem bereits gezeigt, dass die Einhaltung der DASH-Diät eine entscheidende Senkung des Blutdrucks bewirkt.

Die Disziplin macht den Unterschied

Sotos-Prieto und ihre Kollegen konzentrierten sich besonders darauf, den graduellen Zusammenhang zwischen der Veränderung der Ernährungsgewohnheiten und dem Sterberisiko zu zeigen. Dazu teilten sie anhand von Scores die Disziplin der Teilnehmer bei der Einhaltung der Diät in je 5 Quintilen. Das Ausmaß des Sterberisikos der Teilnehmer der mittleren Quintile verwendeten sie als Referenz.

Tatsächlich verringerte sich das Sterberisiko linear bei den Teilnehmern der 4. und 5. Quintile und erhöhte sich für die 1. und 2. Quintile, also den Teilnehmern mit schlechter Diätdisziplin. Diese Tendenz galt für alle 3 untersuchten Ernährungsempfehlungen.

Auch in der Verlängerung des Follow-ups bestätigte sich die positive Tendenz: Mit allen 3 Diätvorschriften gewannen die Teilnehmer der diszipliniertesten Quintile mit der Zeit immer mehr an zusätzlicher Lebenszeit hinzu (von 8 über 12 bis zu 16 Jahren Follow-up).

„Durch ihren langen Zeitraum und große Teilnehmerzahl kann diese Studie deutlich zeigen, dass eine langfristige Ernährungsumstellung den größten Nutzen bringt“, bestätigt Middeke. „Gegen den kumulativen Effekt von ernährungsbedingten Risikofaktoren für die Gefäßgesundheit, wie z.B. einem langjährigen Zuviel an Kochsalz oder an LDL-Cholesterin, ist eine lebenslange Umstellung der Ernährung am wirksamsten.“

 
Durch ihren langen Zeitraum und große Teilnehmerzahl kann diese Studie deutlich zeigen, dass eine langfristige Ernährungsumstellung den größten Nutzen bringt. Prof. Dr. Martin Middeke
 

Am meisten profitierte, wer „schlecht“ begann, sich dann aber dauerhaft gesund ernährte

Die größten Abnahmen des Sterberisikos berechneten die Epidemiologen für Teilnehmer, die zu Beginn der Dokumentation eine niedrige Diätdisziplin aufwiesen, sich aber im Laufe der Zeit in die Quintile der Diszipliniertesten steigerten: Unter AHEI reduzierte sich das Sterberisiko dann um 15%, unter AMD um 23% und unter DASH sogar um 28% gegenüber denen, die ihre Disziplin nicht gesteigert hatten.

Wer von Anfang an eine hohe Disziplin zeigte und diese durchhielt, verringerte sein Sterberisiko rechnerisch um durchschnittlich 14% (AHEI), 11% (AMD) und 9% (DASH) gegenüber denen, deren initial hohe Disziplin im Lauf der Beobachtungszeit sank.

Nicht das „was“ ist entscheidend, sondern das „wie“

Weiterhin differenzierten die Forscher um Sotos-Prieto und Hu nach den Todesursachen kardiovaskulär, krebsbedingt oder allgemein. Die deutlichsten Effekte zeigten sich dabei in der Abnahme des Risikos für allgemeine Todesursachen. Bezogen auf die Verringerung der spezifischen Todesursachen kardiovaskulär und krebsbedingt fielen die Ergebnisse weniger deutlich aus. Für die Abnahme des Risikos krebsbedingter Todesfälle konnte die Studie keinen signifikanten Zusammenhang mit der betrachteten Ernährungsweisen zeigen. Diese Ergebnisse stehen teils im Gegensatz, teils im Einklang zu manchen anderen Veröffentlichungen, wie die Autoren in ihrer Diskussion darlegen.

Sie kommen zu dem Schluss, dass es eher weniger auf die Art der 3 hier untersuchten Ernährungsweisen ankommt als auf die Disziplin bei ihrer Anwendung über lange Zeit. Je länger und disziplinierter diese Empfehlungen befolgt werden, desto mehr reduziert sich das Sterberisiko in den folgenden Jahrzehnten. Signifikant konnte dies allerdings nicht für krebsbedingte, sondern nur für kardiovaskulär bedingte sowie am deutlichsten für die Gesamtzahl der Todesfälle gezeigt werden.

„Der Zusammenhang zwischen Ernährungsfaktoren und Sterberisiko braucht noch viel Forschungsarbeit, etwa zur Funktion und zur Speicherung von Kochsalz im Körper“, ergänzt Middeke. „Allerdings bin ich wie viele meiner Fachkollegen davon überzeugt, dass alle Menschen von einem nur moderaten Kochsalzkonsum profitieren, besonders natürlich die Patienten mit Hypertonie“, bricht der Hochdruck-Experte eine Lanze für die DASH-Diät. 



REFERENZEN:

1. Sotos-Prieta M, et al: NEJM 2017;377;143-153

Kommentar

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