Gesponserte Fortbildungen sind in Verruf geraten. Ärzte, die an solchen Veranstaltungen teilnehmen, bringen sich leicht in Verdacht, sich von der pharmazeutischen Industrie kaufen zu lassen. Doch Mediziner müssen sich fortbilden und CME-Punkte sammeln – was also sollen sie tun? Medscape hat die wichtigsten Experten-Tipps zusammengestellt.
„Ärzte sollten bei ihrer Entscheidung für eine Fortbildung vor allem darauf achten, dass sie dort wirklich neutrale Informationen erhalten und Interessenkonflikte offen gelegt werden“, rät der Justiziar der Ärztekammer Niedersachsen Karsten Scholz. Auch Bundesärztekammer und MEZIS – die Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte – empfehlen, extrem vorsichtig zu sein. Denn es gibt viele Stolperfallen, die einen Arzt in Verdacht bringen können, korrupt zu sein.
Tipp 1: Prüfen Sie die Informationen
Stimmen die vor Ort gegebenen Informationen über Sponsorenleistungen mit den Angaben im Programm überein? Dies sollten Ärzte beim Besuch einer gesponserten Fortbildungsveranstaltung überprüfen, so Justiziar Scholz in den Praxisnachrichten und einem Interview der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) [1, 2]. Wenn ein Referent Interessenkonflikte angebe, müssten auch sein Vortrag und seine Handlungsempfehlungen entsprechend eingeordnet werden.
Die Initiative MEZIS vertritt einen radikaleren Ansatz: Sie rät ganz davon ab, an gesponserten Fortbildungen teilzunehmen. „Wir halten gesponserte Veranstaltungen für moralisch nicht legitim, weil das Verschreibungsverhalten dadurch beeinflusst werden kann“, betont MEZIS-Sprecherin Dr. Christiane Fischer. „Wer sich einladen lässt, verliert seinen neutralen Blick“, warnt sie. Auch andere Berufsgruppen – etwa Lehrer – finanzierten ihre Fortbildungen und Übernachtungen schließlich selbst. „Ärzte sind ja nicht gerade Hungerleider“, meint sie.
Wenn allerdings ein Arzt in ein bestimmtes Gerät durch den Hersteller eingewiesen werden müsse, dann könne es schon wichtig sein, diese Veranstaltung zu besuchen, meint MEZIS-Mitglied und Allgemeinmediziner Dr. Niklas Schurig: „Dann sollte es aber auch keine CME-Punkte dafür geben“, betont er. Die Bundesärztekammer (BÄK) hält in ihren Empfehlungen produktbezogene Informationsveranstaltungen von pharmazeutischen Unternehmen nicht für anerkennungsfähig.
Tipp 2: Achten Sie auf Veranstaltungsort und Anbieter
„Große Zurückhaltung ist geboten, wenn die Veranstaltung an einem für seinen Unterhaltungswert bekannten Ort stattfindet“, betont Justiziar Scholz. „Wir haben kürzlich einer Hausärztin von der Teilnahme an einem Masterclass-Meeting in Madrid abgeraten“, berichtet Scholz. Die Ärztin sollte sich 3 Tage in der Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern fortbilden lassen. „Wir haben uns gefragt, ob man das nicht auch vor Ort lernen kann“, so Scholz. Zudem habe der Vertrag merkwürdige Klauseln gehabt. Seien sich Ärzte unsicher, ob sie an einer Fortbildung teilnehmen sollen, könnten sie sich auch Rat bei der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung oder ihrer Ärztekammer holen, empfiehlt Scholz.
Er weist darauf hin, dass man sich auf Veranstaltungen der Fachgesellschaften eher keine Sorgen machen müsse. MEZIS-Mitglied Schurig sieht das etwas anders: Manche Fachgesellschaften seien eng mit der pharmazeutischen Industrie verbunden, was sich auch in den Leitlinienempfehlungen zeige. Schurig empfiehlt daher einen Blick auf das Portal leitlinienwatch.de, das MEZIS zusammen mit Transparency International und NeurologyFirst initiiert hat.
Die Mitglieder der Fachgesellschaften könnten selbst dafür sorgen und eintreten, dass deren Fortbildungen fachlich auswogen konzipiert seien, meinen Fischer und Schurig. Ein positives Beispiel sei die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM), die ganz auf Sponsoring durch die pharmazeutische Industrie und Hersteller medizinischer Produkte verzichtet, „um eine inhaltliche Integrität des Programmes zu dokumentieren“, wie es auf der Kongress-Website der DEGAM heißt. Auch die Deutsche Gesellschaft für Neurologie habe eine entsprechende Kehrtwende vollzogen.
Tipp 3: Überprüfen Sie, ob Sie sich beeinflussen lassen
Bei gesponserten Veranstaltungen stellt sich die Frage, ob es eine versteckte Gegenleistung gibt, etwa ein bestimmtes Präparat häufiger zu verordnen. Dies könnte für den Arzt riskant sein: „Krankenkassen können gerade bei teuren Originalpräparaten auf die Idee kommen, sich Vielverordner in den Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen genauer anzusehen“, warnt Justiziar Scholz. Wenn sich dann auch noch ein Außendienstmitarbeiter der pharmazeutischen Industrie entsprechend äußere, könne es sogar zu Praxisdurchsuchungen kommen.
Auch über Betriebsprüfungen seien schon zahlreiche Korruptionsverfahren angestoßen worden, erläutert der Jurist „Selbst wenn das Verfahren gegen eine Geldbuße eingestellt wird, ist ein bleibender Schaden eingetreten“, so Scholz. Der Jurist rät Ärzten deshalb zum ehrlichen Selbstcheck. Sie sollten sich fragen, ob sich ihr Verordnungsverhalten nach der Veranstaltung verändert hat und worauf sie dies zurückführen.
Tipp 4: Lassen Sie sich nicht alle Ausgaben erstatten
„Heikel und strafrechtlich relevant kann es werden, wenn einem Arzt die Tagungsgebühr, Hotel und Anreisekosten erstattet werden, ohne dass dafür eine Gegenleistung wie etwa ein Vortrag oder die Moderation eines Teils der Fortbildung erkennbar ist“, betont Scholz. Dann stelle sich die Frage nach einer versteckten Gegenleistung, etwa ein bestimmtes Präparat zu verordnen. Hier sprechen Juristen von einer so genannten „Unrechtsvereinbarung“.
Es dürfen nicht alle Ausgaben erstattet werden, sondern nur Teilnahmegebühren. Kosten für An- und Abreise sowie (notwendige) Übernachtungen inklusive Frühstück müssen sich im angemessenen Rahmen halten. „Niemand wird Verständnis haben, wenn ein Arzt zweimal oder noch häufiger an derselben Veranstaltung an jeweils anderen Orten teilnimmt. Das spricht dann eindeutig dafür, dass die Reise eher der Freizeitgestaltung dient“, betont der Justiziar.
Scholz weist darauf hin, dass es früher durchaus üblich gewesen sei, dass die Firmen auch die Kosten für Begleitpersonen und das sogenannte „Damenprogramm“ übernommen hätten. Heute sei klargestellt, dass sich die Einladung und die Übernahme von Kosten, auch Bewirtungskosten, nicht auf Begleitpersonen erstrecken darf. Wenn die Zusatzkosten selbst getragen werden und keine Abwicklung über das Kongressbüro erfolgt, ergeben sich keine zusätzlichen Risiken, so Scholz.
Tipp 5: Checken Sie, wie ausgewogen die Präsentationen sind
Auf den Fortbildungen müsse der Wissensstand ausgewogen präsentiert werden – mit entsprechenden diagnostischen und therapeutischen Alternativen, fordert die Bundesärztekammer. Präsentierte Studienergebnisse sollten nur aus Studien stammen, die in einem anerkannten Register (EudraCT; EMA) registriert sind. Zusätzlich sollten Cochrane-Analysen präsentiert werden. Nur der Wirkstoff- und nicht der Produktname sollen genannt werden.
Tipp 6: Sehen Sie sich die Interessenkonflikte an
Zeigt der Referent die Vortragsfolie mit Hinweisen zum Sponsoring nur für Bruchteile von Sekunden? „Das wäre nicht in Ordnung“, betont Justiziar Scholz. Die BÄK fordert zudem in Bezug auf Interessenkonflikte, dass es nicht als Marketingmittel missbraucht werden darf, wenn ein Sponsor genannt wird. Zudem darf sich der Sponsor nicht am wissenschaftlichen Teil der Fortbildung beteiligen, noch darf er über den Veranstalter oder wissenschaftlichen Leiter das Programm gestalten oder Einfluss auf die Fortbildung oder die Auswahl der Referenten nehmen.
Tipp 7: Entscheiden Sie sich selbst für Transparenz
„Ein wichtiges Mittel gegen Korruption ist Transparenz. Ich persönlich kann Ärzten daher nur empfehlen, sich an der Transparenzinitiative der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSA) zu beteiligen und das Einverständnis zur Veröffentlichung der Zuwendungen für die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen zu geben“, rät Jurist Scholz.
MEZIS-Mitglied Schurig findet jedoch, dass eine freiwillige Selbstverpflichtung nicht ausreiche. Der Ansatz, man müsse nur seine Interessenkonflikte darlegen und dann sei alles ethisch einwandfrei, sei nicht konsequent genug. „Wir brauchen ein Management der Interessenkonflikte – wer gravierende Interessenkonflikte hat, sollte gar nicht als Referent auf Fortbildungsveranstaltungen auftreten können“, fordert er.
Zu prüfen ist auch die Verhältnismäßigkeit des Honorars, wenn man Aufgaben auf der Fortbildung übernimmt. „Wir finden es selbstverständlich, dass ein Referent seine Fahrtkosten und die Übernachtung erstattet bekommt. Wir finden es aber verwerflich, wenn jemand fünfstellige Beträge bekommt. Das ist völlig überzogen“, meint MEZIS-Sprecherin Fischer.
Korruption und Unrechtsvereinbarung
Der rechtliche Hintergrund: „Bei Korruption gibt es mindestens 2 Täter: der eine gibt, der andere nimmt“, betont der Justiziar der Ärztekammer Niedersachen Karsten Scholz. Im juristischen Sinn ist Korruption der Missbrauch einer Vertrauensstellung in Verwaltung, Justiz, Wirtschaft oder Politik, um für sich oder Dritte einen materiellen oder immateriellen Vorteil zu erlangen. Die Täter haben eine sogenannte Unrechtsvereinbarung. Laut Strafgesetzbuch sind bei Korruption im Gesundheitswesen Geldstrafen und Freiheitsentzug von bis zu 3 Jahren, in besonders schweren Fällen von bis zu 5 Jahren möglich.
REFERENZEN:
1. KBV-Praxisnachrichten vom 27. Juli 2017: Gesponserte Fortbildungen: Darauf sollten Ärzte achten
2. Interview der KBV mit Karsten Scholz, Justiziar der Ärztekammer Niedersachsen vom 19. Juli 2017
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Diesen Artikel so zitieren: 7 Tipps für gesponserte Fortbildungen: So behalten Sie eine weiße Weste und geraten nicht in Korruptionsverdacht - Medscape - 8. Aug 2017.
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