Unter einer Therapie mit Statinen klagen relativ viele Patienten über Nebenwirkungen: Doch wird die Behandlung beendet, kann dies schwere Folgen haben – das kardiovaskuläre Risiko steigt hierdurch wieder an. Dies ist das Ergebnis einer retrospektiven Kohortenstudie, die Dr. Huabing Zhang, Abteilung für Endokrinologie, Peking Union Medical College Hospital, Peking, und Kollegen an 2 Kliniken in Boston unternommen hat.

Prof. Dr. Steven Nissen
Patienten, die innerhalb von 12 Monaten nach dem Auftreten einer Statin-bedingten Nebenwirkung ihre Behandlung weiterführten, hatten danach innerhalb der nächsten 4 Jahre signifikant um absolut 1,7% weniger kardiovaskuläre Ereignisse – wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Tod – als Patienten, die die Statine absetzen (12,2% vs. 13,9%, p < 0,001), schreiben die Autoren in Annals of Internal Medicine [1].
„An dieser Studie werden die Folgen der weit verbreiteten Leugnung der positiven Effekte einer Statin-Therapie gut sichtbar“, kommentiert Prof. Dr. Steven Nissen, Cleveland Clinic Ohio, im begleitenden Editorial [2]. Statine haben bekanntlich bei vielen Patienten einen schlechten Ruf. Nissen führt dies vor allem darauf zurück, dass im Internet bizarre und unwissenschaftliche, aber offenbar überzeugend klingende, Argumente gegen die Lipidsenker verbreitet werden.
Ein zusätzliches Ereignis pro 59 Patienten, die ihre Statintherapie absetzen
„Wir verlieren den Kampf für die Herzen und Seelen unserer Patienten an Webseiten, die von Menschen mit wenig oder keiner wissenschaftlichen Expertise stammen und die sich häufig für ‚natürliche‘ oder ‚Arzneimittel-freie‘ Mittel zur Behandlung erhöhter Cholesterinspiegel einsetzen“, so Nissen. Die Folgen für die Gesellschaft durch diesen „Kult der Statin-Ablehnung“ hätten Zhang und Kollegen nun in ihrer Arbeit dokumentiert. „Der Unterschied von 1,7 Prozentpunkten lässt sich in eine Number-Needed-To-Harm von einem zusätzlichen Ereignis pro 59 Patienten, die ihre Statintherapie abgesetzt haben, übersetzen.“
In der Studie wurden retrospektiv die Daten von 28.266 Patienten analysiert, die zwischen den Jahren 2000 bis 2011 ein Statin verordnet bekommen und unter Nebenwirkungen gelitten hatten, die in der Patientenaktie dokumentiert worden waren. Am häufigsten waren Myalgie oder Myopathie sowie hepatobiliäre oder gastrointestinale Störungen. Bei Auftreten der unerwünschten Wirkung:
brachen 8.277 Patienten die Behandlung ab,
setzten 19.989 Patienten (70,7%) aber ihre Behandlung fort,
von diesen nahmen 12.385 Patienten (43,8%) dasselbe Statin weiter, 7.604 Patienten (26,9%) wechselten auf ein anderes Statin.
Die Nachbeobachtung betrug im Durchschnitt 4,4 Jahre. Der zusammengesetzte primäre Endpunkt aus Herzinfarkt, Schlaganfall oder Tod – trat bei 12,2% der Patienten ohne Absetzen und bei 13,9% mit Absetzen des Lipidsenkers auf (p < 0,001). Nach 4 Jahren waren bei weitergeführter Behandlung 5,4% der Patienten gestorben, in der Absetzgruppe waren es 6,6% (p < 0,001). 7,6% mit weitergeführter und 8,5% ohne Statin-Therapie hatten ein kardiovaskuläres Ereignis erlitten (p = 0,024).
„Die Weiterführung der Statin-Behandlung nach einer Nebenwirkung dürfte aber nicht für jeden optimal sein“, räumen die Autoren ein. Sie raten, Nutzen und Risiken der Therapie sowie Nutzen und Risiken des Absetzens mit dem Patienten zu diskutieren.
Die Autoren weisen außerdem darauf hin, dass in diese Studie nur Hochrisiko-Patienten aufgenommen worden waren. Unklar sei, ob Patienten mit einem niedrigeren Risiko ebenfalls profitierten, wenn die Therapie weitergeführt werde.
Nissen sieht das retrospektive Design der Studie ebenfalls als wichtige Limitation an. Dennoch sei das Ergebnis überzeugend: „Das Absetzen einer Statintherapie hat schwere negative Folgen.“
REFERENZEN:
1. Zhang H, et al: Ann Intern Med. (online) 25. Juli 2017
2. Nissen SE: Ann Intern Med. (online) 25. Juli 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Statin-Nebenwirkungen: Wer die Therapie absetzt, steigert sein kardiovaskuläres Risiko - Medscape - 7. Aug 2017.
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