Die Anwendung von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) war in einer Analyse der Nurses Health Study II nicht mit einem erhöhten Risiko für kognitive Verluste assoziiert. Diese Ergebnisse einer Auswertung aus dem großen Datenpool der Studie sind zwar beruhigend – es ist jedoch unwahrscheinlich, dass damit die Bedenken bezüglich der PPI-Langzeitverordnung vollständig ausgeräumt sind.
Dr. Paul Lochhead vom Massachusetts General Hospitals an der Harvard Medical School, Boston, und seine Kollegen haben die Studiendaten in Gastroenterology publiziert [1].
Widerspruch zu früheren Studien
In mehreren vorangegangenen Studien wurde ein Zusammenhang zwischen dem Langzeitgebrauch von PPI und Demenz beobachtet. Dazu gehörte die 2016 vorgestellte Analyse des größten deutschen Krankenversicherers (der AOK), in der ein um 44% erhöhtes Risiko der Demenzentwicklung bei Personen unter PPI gesehen wurde (wie Medscape berichtete).
Und einige präklinische Studien hatten einen möglichen pathophysiologischen Mechanismus aufgezeigt, der den Zusammenhang zwischen PPI und Kognitionsverlust erklären könnte.
Teils ausufernde Besorgnis über (vermeintliche) PPI-Nebenwirkungen
Darüber hinaus wurden diese häufig verordneten Medikamente in Beobachtungsstudien schon mit erworbener Pneumonie, Hüftfrakturen, Nährstoffmangel, chronischer Nierenerkrankung sowie mit Diarrhoe durch Clostridium difficile in Verbindung gebracht.
PPI bieten eine effektive Therapie gastrointestinaler Störungen – einschließlich Refluxkrankheit – und werden deshalb bei vielen Patienten eingesetzt. Die Berichte über ihre möglichen Nebenwirkungen haben jedoch einige Patienten und Ärzte in Sorge versetzt.
„Eine der häufigsten Fragen, die Patienten ihrem Gastroenterologen stellen, ist, ob PPI sicher in der Anwendung sind. Sie sind verunsichert durch Presseberichte, die PPI mit allem und jedem in Verbindung bringen – von der Hüftfraktur über die Demenz bis hin zum Tod“, sagte Co-Autor Dr. Andrew T. Chan, Direktor des Gastroenterologen-Trainingsprogramms am Massachusetts General Hospital, in einer Pressemitteilung. „Unsere Forschungsergebnisse bieten doch einige Beruhigung für Personen, die über längere Zeit eine Therapie mit diesen hoch effektiven Arzneimitteln benötigen.“
Breite Datenbasis der aktuellen Studie
Für die aktuelle Studie wurden die Daten von 13.864 Frauen analysiert, die an der Nurses Health Study teilnehmen. In diese sehr große repräsentative Studie wurden in fast 30 Jahren bereits mehr als 100.000 US-amerikanische Krankenschwestern aufgenommen.
Die Forscher nahmen die PPI-Einnahme als Ausgangspunkt für die Erstellung eigener Teilnehmer-Fragebögen; es wurden nur Frauen mit PPI-Konsum ausgewählt. Aber auch die Einnahme von Histamin-H2-Rezeptor-Antagonisten wurde mit erfasst. Diese Arzneimittel werden in ganz ähnlichen Indikationen wie PPI eingesetzt, etwa zur Therapie von Magenulzerationen.
Die Probandinnen waren zum Zeitpunkt der Analyse 50 bis 70 Jahre alt. Sie füllten zu Hause eine Reihe von Bögen mit neuropsychologischen Tests aus; dies nahm nur etwa 15 bis 20 Minuten in Anspruch. „Ein schlechtes Abschneiden in solchen Tests hatte sich in früheren Studien als ein Prädiktor für die Demenzentwicklung erwiesen“, so die Autoren.
Fast kein Zusammenhang von PPI und Kognition in dieser Studie
Das Ergebnis: Frauen, die schon länger PPI einnahmen, schnitten zwar bei Tests zur psycho-motorischen Geschwindigkeit und Aufmerksamkeit etwas schlechter ab. Der Unterschied war aber nicht groß.
Der Unterschied wurde noch weiter abgeschwächt, wenn man das Ergebnis hinsichtlich der Einnahme von Histamin-H2-Rezeptor-Antagonisten adjustierte. Die Autoren fanden den Zusammenhang von PPI und Kognitionsverlust „nicht überzeugend“.
Einfluss von Bildungsniveau und Fehlverschreibungen
Das Resultat der aktuellen Studie scheint also den Ergebnissen der deutschen Studie zu widersprechen. Die Autoren schreiben, dass die deutsche Studie möglicherweise durch Unterschiede im Bildungsniveau oder andere gesundheitsbezogene Begleitumstände beeinflusst worden sein könnte.
Zudem merken sie an, dass Demenz oftmals fehldiagnostiziert wird – und dass PPI oftmals auch zu Unrecht verschrieben werden. „Personen in höherem Lebensalter, die häufiger Gesundheitseinrichtungen aufsuchen, sind in einer erhöhten ‚Gefahr‘, PPI zu erhalten“, erklären sie. Dadurch könne ein Bias entstehen, der auch bei Adjustierung für Komorbiditäten und Polypharmazie nicht vollständig ausgeglichen werden kann.
Allerdings räumen die Autoren auch einige Schwächen ihrer eigenen Studie ein. Sie meinen, eine Wiederholung dieser Untersuchung in Beobachtungsstudien könnte hilfreich sein. „Unsere Studie hat einige Limitationen“, schreiben sie: „So können wir die Möglichkeit nicht ausschließen, dass der PPI-Gebrauch mit einer nur moderaten Reduktion der kognitiven Fähigkeiten assoziiert war, die wir nicht entdeckt haben, weil die statistische Power unserer Studie dafür nicht ausreichend war.“
Dieser Artikel wurde von Simone Reisdorf aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
REFERENZEN:
1. Lochhead P, et al: Gastroenterology (online) 20. Juli 2017
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Medscape Nachrichten © 2017
Diesen Artikel so zitieren: PPI und Demenz: Analyse der Nurses Health Study findet keinen Zusammenhang mit kognitiven Einschränkungen - Medscape - 3. Aug 2017.
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