Erhöhen Vasektomien das Prostatakrebs-Risiko? Eine aktuelle Metaanalyse entfacht erneut die Kontroverse

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

28. Juli 2017

Zwischen Vasektomien und fortgeschrittenen,  hochgradig malignen oder tödlichen Prostatakarzinomen besteht keine Assoziation.  Schwache, für die Praxis jedoch wenig relevante Assoziationen gibt es zwischen  dem Eingriff und Prostatakrebs generell. Zu diesen Ergebnissen kommt Dr. R. Jeffrey Karnes vom Department of  Urology an der Mayo Clinic Rochester [1]. Zusammen mit Kollegen hat er für eine  Metaanalyse 16 Kohortenstudien, 33 Fall-Kontroll-Studien und 4 Querschnittstudien  ausgewertet.

„Der Artikel entspricht in seinen Ergebnissen  vorangegangenen Metaanalysen“, erklärt Prof. Dr. Axel Semjonow gegenüber Medscape.  Er ist Leiter des urologischen Forschungslabors und Zentrumsleiter des  Prostatakarzinomzentrums am Universitätsklinikum Münster. „Die Ergebnisse  bestätigen erneut, dass möglicherweise ein minimal häufigeres Auftreten von  Prostatakarzinomen bei Männern mit Vasektomie bestehen könnte“, so seine  Einschätzung. „Es könnte sich jedoch auch um Folgen einer Verzerrung wie der  häufigeren Bestimmung von PSA-Werten der untersuchten Kollektive handeln.“

Durch Screenings werden generell mehr  Krebserkrankungen gefunden. Großen Erkenntnisgewinn für die Praxis sieht Semjonow  nicht: „Hier konnte keine  Kausalität zwischen Vasektomie und Prostatakarzinom-Häufigkeit nachgewiesen  oder ausgeschlossen werden.“

 
Hier konnte keine Kausalität zwischen Vasektomie und Prostatakarzinom-Häufigkeit nachgewiesen oder ausgeschlossen werden. Prof. Dr. Axel Semjonow
 

Schwacher  Zusammenhang – wahrscheinlich aber nicht kausal

Wie Karnes auf Rückfrage von Medscape schreibt, sei die Frage, ob  Vasektomien das Risiko erhöhen, später an einem Prostatakarzinom zu erkranken,  seit den 1980er Jahren Thema wissenschaftlicher Kontroversen und unzähliger  Veröffentlichungen gewesen, ohne dass ein klarer Trend erkennbar wäre. In den  letzten Jahren hätten mehrere Arbeitsgruppen Metaanalysen veröffentlicht. Aufgrund  neuer Daten habe er sich zusammen mit Kollegen entschlossen, eine weitere  Auswertung vorzunehmen.

Bei Literaturrecherchen fand der  Wissenschaftler u.a. 16 Kohortenstudien mit 2,5 Millionen Teilnehmern.  Eingriffe führten zu geringfügig erhöhen relativen Risiko (RR) von 1,08. Wählte  Karnes nur 7 methodisch hochwertige Studien, kam er auf ein RR von 1,05. Auch  die Selektion von Arbeiten, bei denen Ärzte ein Prostata-Ca per PSA-Screening  entdeckt hatten, lieferte ein leicht erhöhtes RR von 1,06. Statistische Tests  ergaben, dass der Effekt signifikant war. Signifikante Assoziationen von  Vasektomien speziell mit Hochrisiko-Karzinomen oder mit tödlichem Prostatakrebs  gab es nicht.

Anschließend wertete Karnes 33 Fall-Kontroll-Studien mit insgesamt 44.536 Teilnehmern aus. Dabei zeigte sich  ein deutlich höheres relatives Risiko von 1,31, das allerdings nicht  statistisch signifikant war. Die Autoren fanden bei ihrer Analyse ein hohes  Risiko methodischer Verzerrungen. Wählten sie nur hochwertige  Veröffentlichungen aus, kamen sie ebenfalls auf ein RR von 1,06. Signifikanz  wurde nicht erreicht.

Abschließend nahmen Forscher 4  Querschnittstudien mit 12,1 Millionen Teilnehmern unter ihre Lupe. Hier zeigte  sich keine Assoziation zwischen Vasektomien und Prostatakarzinomen.

 
Es gab eine schwache Assoziation zwischen Vasektomie und jeder Form von Prostatakrebs, die wahrscheinlich nicht kausal ist. Dr. R. Jeffrey Karnes
 

„Wir fanden keine Assoziationen zwischen  Vasektomien und hochgradigen, fortgeschrittenen oder tödlichen  Prostatakarzinomen“, fasst Karnes zusammen. „Es gab eine schwache Assoziation zwischen Vasektomie und  jeder Form von Prostatakrebs, die wahrscheinlich nicht kausal ist.“  Welche biologischen Mechanismen vermeintliche Zusammenhänge erklären könnten, weiß  Karnes aber nicht. Zwischen der Vasektomie und der Krebserkrankung liegen im  Schnitt 20 bis 30 Jahre.

Vasektomien  bleiben eine klare Empfehlung für Männer

Zusammenfassend sieht Karnes eine der  wesentlichen Stärken seiner Metaanalyse in der Größe und in der detaillierten Beurteilung  der Studienqualität. „Dies ist meines Wissens auch die erste Arbeit, bei der  Prostatakarzinome mit geringem, mittlerem und hohem Risiko untersucht wurden“,  schreibt der Forscher. Da er jedoch Zusammenhänge weder ausschließen noch  bestätigen kann,  stellt die Arbeit  keinen Endpunkt bei der kontroversen Diskussion um mögliche Gefahren einer  Vasektomie dar. 

In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeutet ein  von ihm genanntes relatives Risiko von 5%, dass auf 156 Vasektomien ein  Prostatakarzinom auftritt, falls es einen kausalen Zusammenhang gibt. Kollegen  aus der Praxis rät der Wissenschaftler deshalb, Vasektomien als langfristige  empfängnisverhütende Option für Männer aufgrund seiner Metaanalyse nicht  auszuschließen. Er verweist auf die Vorteile entsprechender Eingriffe. Diese  seien sicher, im Unterschied zu Tubenligaturen bei Frauen, wenig belastend und  hätten auch nicht die Nachteile hormoneller Kontrazeptiva.



REFERENZEN:

1. Bhindi  B, et al: JAMA Internal Med. (online) 17. Juli 2017

Kommentar

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