Zwischen Vasektomien und fortgeschrittenen, hochgradig malignen oder tödlichen Prostatakarzinomen besteht keine Assoziation. Schwache, für die Praxis jedoch wenig relevante Assoziationen gibt es zwischen dem Eingriff und Prostatakrebs generell. Zu diesen Ergebnissen kommt Dr. R. Jeffrey Karnes vom Department of Urology an der Mayo Clinic Rochester [1]. Zusammen mit Kollegen hat er für eine Metaanalyse 16 Kohortenstudien, 33 Fall-Kontroll-Studien und 4 Querschnittstudien ausgewertet.
„Der Artikel entspricht in seinen Ergebnissen vorangegangenen Metaanalysen“, erklärt Prof. Dr. Axel Semjonow gegenüber Medscape. Er ist Leiter des urologischen Forschungslabors und Zentrumsleiter des Prostatakarzinomzentrums am Universitätsklinikum Münster. „Die Ergebnisse bestätigen erneut, dass möglicherweise ein minimal häufigeres Auftreten von Prostatakarzinomen bei Männern mit Vasektomie bestehen könnte“, so seine Einschätzung. „Es könnte sich jedoch auch um Folgen einer Verzerrung wie der häufigeren Bestimmung von PSA-Werten der untersuchten Kollektive handeln.“
Durch Screenings werden generell mehr Krebserkrankungen gefunden. Großen Erkenntnisgewinn für die Praxis sieht Semjonow nicht: „Hier konnte keine Kausalität zwischen Vasektomie und Prostatakarzinom-Häufigkeit nachgewiesen oder ausgeschlossen werden.“
Schwacher Zusammenhang – wahrscheinlich aber nicht kausal
Wie Karnes auf Rückfrage von Medscape schreibt, sei die Frage, ob Vasektomien das Risiko erhöhen, später an einem Prostatakarzinom zu erkranken, seit den 1980er Jahren Thema wissenschaftlicher Kontroversen und unzähliger Veröffentlichungen gewesen, ohne dass ein klarer Trend erkennbar wäre. In den letzten Jahren hätten mehrere Arbeitsgruppen Metaanalysen veröffentlicht. Aufgrund neuer Daten habe er sich zusammen mit Kollegen entschlossen, eine weitere Auswertung vorzunehmen.
Bei Literaturrecherchen fand der Wissenschaftler u.a. 16 Kohortenstudien mit 2,5 Millionen Teilnehmern. Eingriffe führten zu geringfügig erhöhen relativen Risiko (RR) von 1,08. Wählte Karnes nur 7 methodisch hochwertige Studien, kam er auf ein RR von 1,05. Auch die Selektion von Arbeiten, bei denen Ärzte ein Prostata-Ca per PSA-Screening entdeckt hatten, lieferte ein leicht erhöhtes RR von 1,06. Statistische Tests ergaben, dass der Effekt signifikant war. Signifikante Assoziationen von Vasektomien speziell mit Hochrisiko-Karzinomen oder mit tödlichem Prostatakrebs gab es nicht.
Anschließend wertete Karnes 33 Fall-Kontroll-Studien mit insgesamt 44.536 Teilnehmern aus. Dabei zeigte sich ein deutlich höheres relatives Risiko von 1,31, das allerdings nicht statistisch signifikant war. Die Autoren fanden bei ihrer Analyse ein hohes Risiko methodischer Verzerrungen. Wählten sie nur hochwertige Veröffentlichungen aus, kamen sie ebenfalls auf ein RR von 1,06. Signifikanz wurde nicht erreicht.
Abschließend nahmen Forscher 4 Querschnittstudien mit 12,1 Millionen Teilnehmern unter ihre Lupe. Hier zeigte sich keine Assoziation zwischen Vasektomien und Prostatakarzinomen.
„Wir fanden keine Assoziationen zwischen Vasektomien und hochgradigen, fortgeschrittenen oder tödlichen Prostatakarzinomen“, fasst Karnes zusammen. „Es gab eine schwache Assoziation zwischen Vasektomie und jeder Form von Prostatakrebs, die wahrscheinlich nicht kausal ist.“ Welche biologischen Mechanismen vermeintliche Zusammenhänge erklären könnten, weiß Karnes aber nicht. Zwischen der Vasektomie und der Krebserkrankung liegen im Schnitt 20 bis 30 Jahre.
Vasektomien bleiben eine klare Empfehlung für Männer
Zusammenfassend sieht Karnes eine der wesentlichen Stärken seiner Metaanalyse in der Größe und in der detaillierten Beurteilung der Studienqualität. „Dies ist meines Wissens auch die erste Arbeit, bei der Prostatakarzinome mit geringem, mittlerem und hohem Risiko untersucht wurden“, schreibt der Forscher. Da er jedoch Zusammenhänge weder ausschließen noch bestätigen kann, stellt die Arbeit keinen Endpunkt bei der kontroversen Diskussion um mögliche Gefahren einer Vasektomie dar.
In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeutet ein von ihm genanntes relatives Risiko von 5%, dass auf 156 Vasektomien ein Prostatakarzinom auftritt, falls es einen kausalen Zusammenhang gibt. Kollegen aus der Praxis rät der Wissenschaftler deshalb, Vasektomien als langfristige empfängnisverhütende Option für Männer aufgrund seiner Metaanalyse nicht auszuschließen. Er verweist auf die Vorteile entsprechender Eingriffe. Diese seien sicher, im Unterschied zu Tubenligaturen bei Frauen, wenig belastend und hätten auch nicht die Nachteile hormoneller Kontrazeptiva.
REFERENZEN:
1. Bhindi B, et al: JAMA Internal Med. (online) 17. Juli 2017
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Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Erhöhen Vasektomien das Prostatakrebs-Risiko? Eine aktuelle Metaanalyse entfacht erneut die Kontroverse - Medscape - 28. Jul 2017.
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