Erwachsene Asthmapatienten mit schlechter Kontrolle der Symptome haben unter Azithromycin weniger Exazerbationen. Gleichzeitig erhöht sich die Lebensqualität. Zu diesen Ergebnissen kommen Prof. Dr. Peter G. Gibson vom Hunter Medical Research Institute in Newcastle, Australien, und seine Kollegen auf Basis einer randomisierten, placebokontrollierten, doppelt verblindeten Studie [1].
Ärzte setzen bei therapierefraktärem Asthma heute eher Biologicals ein, diese waren beim Start der aktuellen Studie noch nicht verfügbar. Auch gibt es immense Preisunterschiede: Pro Monat kostet Azithromycin in der eingesetzten Dosis etwa 50 Euro. Mepolizumab oder Reslizumab schlagen im gleichen Zeitraum mit 1.400 bis 1.500 Euro zu Buche.

Prof. Dr. Tobias Welte
„Das Thema wird bereits sehr lange diskutiert – insofern liefert die Arbeit interessante Daten“, kommentiert Prof. Dr. Tobias Welte, Direktor der Klinik für Pneumologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, gegenüber Medscape. „Angesichts neuer Entwicklungen ist diese therapeutische Option jedoch von der Wirklichkeit überholt worden.“
Effekt von Azithromycin systematisch untersucht
Dass Azithromycin Effekte bei Asthma zeigt, überrascht Welte nicht. Allerdings wisse man nicht, wie der Arzneistoff genau wirke.Hier setzt Gibson mit seiner Studie an: „Makrolid-Antibiotika wie Azithromycin haben antiinflammatorische, antibakterielle und antivirale Eigenschaften, die Asthma möglicherweise beeinflussen.“ Zusammen mit Kollegen hatte er in PubMed nach randomisierten klinischen Studien gesucht. Aufgrund unterschiedlicher Designs ließ sich jedoch keine schlüssige Aussage zum Mehrwert dieser Pharmaka treffen.
Gibson rekrutierte deshalb 420 erwachsene Asthma-Patienten. Sie waren im Median 60 Jahre alt, und der Männeranteil lag bei 40%. Zu Beginn erhielten Teilnehmer inhalative Kortikosteroide plus LABA (Long-acting beta-2 agonists, 98%) bzw.LAMA (Long-acting muscarinic antagonists, 17%), ohne dass es gelang, die Symptome vollständig zu kontrollieren.
Ausschlusskriterium waren abnorme Verlängerung des QT-Intervalls, da es bei dieser Gruppe Hinweise auf eine erhöhte Mortalität durch kardiale Ereignisse unter Azithromycin gibt. Aufgrund der möglichen Ototoxizität von Makroliden nahm Gibson Personen mit Erkrankungen des Gehörs ebenfalls nicht in die Studie auf.
Für schwere Exazerbationen galten folgende Kriterien: mindestens 3 Tage systemische Kortikosteroid-Behandlung von mindestens 10 mg/Tag oder vorübergehend eine Erhöhung der stabilen oralen Kortikosteroid-Erhaltungsdosis von mindestens 10 mg/Tag für mindestens 3 Tage; ein Krankenhausaufenthalt oder eine Behandlung in der Notfallambulanz mit systemischen Kortikosteroiden.
Moderate Exazerbationen wurden definiert als vorübergehende Zunahme der Menge inhalierter Kortikosteroide und/oder Antibiotika in Verbindung mit einer Verschlechterung der Asthma-Symptome oder einer Erhöhung der Dosis von Beta2-Agonisten für mindestens 2 Tage oder einer Notfallbehandlung ohne systemische Kortikosteroide.
Weniger schwere Exazerbationen, mehr Lebensqualität
Insgesamt wurden 213 (51%) Patienten der Azithromycin-Behandlung und 207 (49%) der Placebo-Gruppe zugewiesen. Sie erhielten 48 Wochen lang 3 Mal pro Woche je 500 mg Azithromycin oder Placebo. Endpunkte waren die Gesamtrate schwerer beziehungsweise moderater Asthma-Exazerbationen und die Lebensqualität.
Azithromycin-reduzierte Asthma-Exazerbationen (1,07 pro Patientenjahr) im Vergleich zu Placebo (1,86 pro Patientenjahr). Der Anteil an Patienten mit mindestens einer Asthma-Exazerbation wurde von 127 (61%) auf 94 (44%) verringert. Bei nicht eosinophilem Asthma kam im gleichen Zeitraum zu 1,15 versus1,74 Exazerbationen. Litten Studienteilnehmer an eosinophilem Asthma, waren es 1,98 versus 0,96 Exazerbationen. Alle Unterschiede erwiesen sich als statistisch signifikant.
Darüber hinaus interessierte sich Gibson für die asthmabezogene Lebensqualität. Er setzte den Asthma Quality of Life Questionnaire (AQLQ) mit Bandbreiten zwischen 7 Punkten (keine Einschränkungen) und einem Punkt (schwere Einschränkungen) ein. Unter Azithromycin verbesserte sich der Wert um 0,36 Punkte.
Schwerwiegende Nebenwirkungen traten nicht auf. Bleibt als Nachteil, dass es unter dem Pharmakon häufiger zu Diarrhoe kam. Darunter litten 72 Patienten (34%) versus 39 (19%), die nur wirkstofffreie Tabletten erhalten hatten. Im Sputum fanden sich bei Patienten mit Makrolidantibiotikum häufiger resistente Keime. Der Unterschied war jedoch nicht signifikant.
Biologicals – die modernen Alternativen
Welte merkt die geringe Probandenzahl an: „In 6,5 Jahren haben die Autoren nur 420 Patienten eingeschlossen.“ Für eine Volkskrankheit wie Asthma sei das eher wenig. Dies lege zumindest den Verdacht einer gewissen Selektion nahe.
In einem Editorial bezeichnen Prof. Dr. Guy Brusselle und Prof. Dr. Ian Pavord vom Ghent University Hospital die Veröffentlichung als „richtungsweisend“ [2]. Sie führen im Unterschied zu Welte die große Zahl an Patienten, die gute Charakterisierung des Krankheitsbildes und den großen Zeitraum als Stärken an. Gleichzeitig warnen sie Ärzte, Antibiotika freizügig einzusetzen und weitere Resistenzen zu erzeugen. „Deshalb sollten nur Patienten mit dem größten therapeutischen Bedarf, etwa bei häufigen Exazerbationen, Azithromycin erhalten“, konstatieren Brusselle und Pavord. Sie können sich auch vorstellen, die Gabe auf besonders riskante Jahreszeiten wie den Winter einzuschränken.
Welte relativiert die Aussagekraft der Studie für die Praxis: „Man hat die Studie zu einem Zeitpunkt begonnen, als neue Asthmatherapien mit Mepolizumab oder Reslizumab noch nicht verfügbar waren.“ Eosinophile Asthmapatienten, und diese seien die Mehrheit in der Studie gewesen, würde man heute eher mit neuen Biological behandeln. Hier seien die Effekte ausgeprägter als bei Azithromycin. „Aus Sicht eines Infektiologen bin ich mit Antibiotika-Dauertherapien ohnehin nicht glücklich“, sagt er mit Verweis auf Resistenzen.
REFERENZEN:
1. Gibson PG, et al: The Lancet (online) 04. Juli 2017
2. Brusselle G, et al: The Lancet (online) 04. Juli 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: „Richtungsweisend“ oder „überholt“ – Azithromycin als Add-on für weniger Asthma-Exazerbationen? - Medscape - 21. Jul 2017.
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