Bei schwerer Blutung oder vor Not-OP: Dabigatran-Antidot Idarucizumab bestätigt in REVERSE-AD, wie schnell es wirkt

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

19. Juli 2017

Berlin – Der Antikörper Idarucizumab, der als Dabigatran-Antidot entwickelt worden ist, kann in Notfallsituationen die antikoagulatorische Wirkung des NOAK rasch, anhaltend und sicher aufheben, so die finalen Ergebnisse der Phase-3-Studie RE-VERSE AD.

Prof. Dr. Charles V. Pollack

Prof. Dr. Charles V. Pollack, Sidney Kimmel Medical College der Thomas Jefferson Universität, Philadelphia, hat die Studie beim Jahreskongress der International Society on Thrombosis and Hemostasis (ISTH) vorgestellt [1]. Parallel wurde sie im New England Journal of Medicine publiziert [2]. Das spezifische Dabigatran-Antidot wirkte sowohl bei Patienten, die eine Notoperation oder -intervention benötigten, als auch bei Patienten mit einer nicht beherrschbaren oder lebensbedrohlichen Blutung.

„RE-VERSE AD zeigt, dass Idarucizumab die Dabigatran-induzierte Antikoagulation innerhalb von Minuten aufheben konnte und eine sofortige, vollständige und anhaltende Antagonisierung ermöglicht. Behandelnde Ärzte können sich dadurch vollständig auf den vorliegenden Notfall konzentrieren“ erläuterte Pollack. „Es scheint, dass diese Substanz außergewöhnlich wirksam und extrem sicher ist.“ Man könne sicher sein, dass das Antidot in den seltenen Fällen, in denen es gebraucht werde, auch wirke.

 
RE-VERSE AD zeigt, dass Idarucizumab die Dabigatran-induzierte Antikoagulation innerhalb von Minuten aufheben konnte. Prof. Dr. Charles V. Pollack
 

Idarucizumab bindet mit hoher Affinität und Spezifität an den Thrombininhibitor Dabigatran und hebt damit dessen Wirkung auf, ohne in die Gerinnungskaskade einzugreifen. Idarucizumab war im November 2015 von der EU-Kommission beschleunigt aufgrund von Zwischenergebnissen der RE-VERSE-AD-Studie mit den Daten der ersten 90 behandelten Patienten zugelassen worden. Ergebnisse von 500 Patienten hatte Pollack bei der AHA-Jahrestagung im November 2016 in New Orleans präsentiert (wie Medscape berichtete).

Bei allen 503 Patienten wirksam

In die finale Analyse der Phase-3-Studie waren 503 Patienten an 173 Zentren in 39 Ländern aufgenommen worden:

  • Gruppe A umfasste 301 Patienten (60%) mit nicht beherrschbarer oder lebensbedrohlicher Blutung (z.B. gastrointestinale und intrakranielle Blutungen).

  • Gruppe B umfasste 202 Patienten (40%), die eine invasive Prozedur bzw. eine Notoperation oder -intervention benötigen (z. B. aufgrund eines Oberschenkelhalsbruchs).

Primärer Endpunkt war die Aufhebung der Dabigatran-induzierten Antikoagulation innerhalb von 4 Stunden, was anhand der verdünnten Thrombinzeit (dTT) und der Ecarin-Clotting-Zeit (ECT) bestimmt wurde. Der Endpunkt wurde – wie schon in den Interimsanalysen – bei allen Patienten (100%) erreicht. Der Effekt war sofort nach Gabe von Idarucizumab messbar und blieb beim Großteil der Patienten bis zu 24 Stunden erhalten.

Dabei zeigten sich keine Unterschiede in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht, Leberfunktion oder der ursprünglich vorliegenden Dabigatran-Konzentration. In 98% der Fälle war eine Dosis von 5 g Idarucizumab ausreichend.

 
Es scheint, dass diese Substanz (Idarucizumab) außergewöhnlich wirksam und extrem sicher ist. Prof. Dr. Charles V. Pollack
 

Bei den Patienten mit akuter Blutung (Gruppe A) dauerte es im Median 2,5 Stunden, bis die Blutung gestoppt war. Bei Patienten, die eine Notoperation oder Notintervention benötigten (Gruppe B), konnte der Eingriff im Median nach 1,6 Stunden durchgeführt werden. Dabei zeigten 93,4% eine normale intraprozedurale Hämostase, „als ob sie nie antikoaguliert worden wären“, so Pollack. Es wurden keine schweren unerwünschten Wirkungen beobachtet.



REFERENZEN:

1. Kongress der International Society on Thrombosis and Hemostasis (ISTH), 8. bis 13. Juli 2017, Berlin

2. Pollack CV, et al: NEJM (online) 11. Juli 2017

Kommentar

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