Ambulant und stationär war gestern – 2 Beispiele wie sich die Schnittstelle optimieren (und dabei sparen) lässt

Christian Beneker

Interessenkonflikte

19. Juli 2017

Berlin – Die Sektor-übergreifende Versorgung ist nicht gerade leichter geworden, meint Michael Schmidt vom Marienkrankenhaus Kassel GmbH: „Seit es den neuen Antikorruptionsparagrafen 299 StGB gibt, sind die Kollegen sehr zurückhaltend mit innovativen Kooperationsformen“, sagt er. Sie fürchten, in die Strafbarkeit abzurutschen.“ Dies sei auf dem Workshop „Ambulant und stationär war gestern” auf dem Berliner Hauptstadtkongress allenthalben Thema gewesen, berichtet Schmidt [1]. Dennoch gibt es funktionierende Konzepte, wie  2 auf dem Kongress vorgestellte Beispiele zeigen.

Die Patienten über die Sektorengrenzen hinweg begleiten

Im Marienkrankenhaus in Kassel hat man sich auf Bordmittel besonnen, um die Mauern zwischen der ambulanten und der stationäre Versorgung zu schleifen. „Wir haben uns intensiv mit uns selbst beschäftigt und uns gefragt: Was können wir selbst tun?“, so Schmidt. Das Ergebnis der Überlegungen: eine rund 30-köpfige multiprofessionelle Abteilung im Krankenhaus, die ausschließlich die Behandlung jedes einzelnen Patienten koordiniert und die Patienten im ambulanten Sektor abholt und ihn auch wieder dorthin überführt.

Das katholische 120-Betten-Haus versorgt im Jahr 12.500 Patienten. Alle elektiven Patienten sollen nach dem Willen der Organisatoren reibungslos von der Aufnahme bis in die Nachsorge begleitet werden. Dazu gehört vor allem die rechtzeitige Information der Patienten über den Behandlungsverlauf. Die Koordinierungsstelle hat dann längst die Befunde gesichtet, Termine gemacht, Fragen des Versicherungsstatus geklärt und mögliche Versorgungsrisiken nach dem Krankenhausaufenthalt bewertet.

„Wir kümmern uns gleich zu Anfang auch um die Fragen der Wohnsituation der Patienten, ihre soziale Situation“, sagt Schmidt. „Welche Nachsorge, welchen Pflegedienst, gegebenenfalls welche Hilfsmittel braucht der Patient, wenn er unser Haus wieder verlässt? Und hat er den Arztbrief dabei?“

Vielen Ärzten sei es anfangs schwergefallen, z.B. die Aufklärungsgespräche an die Koordinationsstelle abzugeben, so Schmidt. Inzwischen seien aber die meisten Kollegen begeistert, weil sie sich mehr auf die Medizin konzentrieren können.

 
Seit es den neuen Antikorruptionsparagrafen 299 StGB gibt, sind die Kollegen sehr zurückhaltend mit innovativen Kooperationsformen. Michael Schmidt
 

„Außerdem hing es vom Arzt ab, ob das Gespräch detailliert oder oberflächlich ablief“, so Schmidt. „Das ist jetzt nicht mehr so.“ Obwohl es nicht das Ziel war, Geld zu sparen, sank die durchschnittliche Verweildauer in den ersten 18 Monaten des 3-jährigen Projektes um einen halben Tag auf 5 Tage.

Zwischen den Sektoren: Teilstationäre OPs

Anders die C3-Klinikholding aus Krefeld, die sich mit ihrer Arbeit quasi zwischen den Sektoren bewegt. Die 18 Operateure in den C3 Kliniken versorgen an 6 Standorten in Nordrhein-Westfalen jährlich 12.000 gynäkologische Patientinnen. Die Holding setzt auf 3-seitige Verträge zwischen niedergelassenen Ärzten, der Kassenärztlichen Vereinigung und den C3-Kliniken nach § 115 SGB V: „ambulantes Operieren”. „Wir erbringen das gesamte Spektrum gynäkologischer OP-Leistungen außer Abtreibungen und Geburtshilfe“, sagt C3-Geschäftsführer Sebastian Warweg.

Der § 115 SGB V legt fest, welche OPs zwingend ambulant (Kategorie 1) und welche fakultativ stationär (Kategorie 2) gemacht werden sollen. Aber: Die Leistungen nach § 115 SGB V werden nach EBM bezahlt. Für viele Krankenhäuser Grund genug, die Finger von ambulanten Operationen zu lassen. „Gerade von der 2. Kategorie werden in den Krankenhäusern deshalb immer noch viele OPs stationär gemacht und nicht ambulant nach § 115 SGB V“, sagt Warweg, denn es sei „finanziell interessanter, die Patienten 3 oder 4 Tage im Krankenhaus zu halten“.

Hier setzen die C3-Kliniken an und bieten den Patienten viele Leistungen nach Kategorie 2 ambulant oder kurzzeitstationär an. Hinzu kommen schwere Operationen, z.B. die Entfernung der Gebärmutter, die der § 115 SGBV gar nicht erfasst, bei den C3-Klinken Leistungen der Kategorie 3 genannt. Sie werden in dem Versorgungskonzept ausschließlich stationär vorgenommen und zwar kostengünstig in einer Tagesklinik mit kurzeitstationärem Aufenthalt.

Allerdings werden Leistungen der Kategorien 2 und 3 nur als ambulante oder teilstationäre Operationen vorgenommen, wenn die Krankenkassen der Patienten mit den C3-Kliniken einen Vertrag zur Integrierten Versorgung (IV-Vertrag) geschlossen haben. Denn allein aus dem EBM-Honorar für die § 115-Leistungen ließen sich diese Leistungen eben nicht bezahlen, sagt Warweg. Die IV-Erlöse liegen so über dem EBM-Honorar und dienen damit den C3-Kliniken. Und sie liegen unterhalb der DRGs der Krankenhäuser und dienen so den Kassen.

 
Bei uns liegen die Patienten 1 Nacht, maximal 2 Nächte. Im Krankenhaus haben sie dagegen eine Verweildauer von 3 bis 8 Tagen. Sebastian Warweg
 

So dient die Konstruktion dazu, die organisatorische Trennung zwischen ambulanten und stationären Operationen aufzubrechen. „Bei Kassen, mit denen wir keinen IV-Vertrag haben, müssen wir gegebenenfalls einzeln die Kostenübernahme beantragen“, sagt Warweg. Allerdings genehmigen die Kassen die Kostenübernahme nur ungern, weil sie damit teure Präzedenzfälle schaffen, meint der Geschäftsführer.

Wo die Kasse die Operationen der Kategorien 2 und 3 weder über einen IV-Vertrag noch im Rahmen einer Kostenübernahme bezahlt, geht das OP-Team der C3-Klinik mitunter direkt in den OP des Krankenhauses und operiert dort. Die OP wird dann allerdings nach DRG bezahlt, ein Honorar, das sich Klinik und C3 teilen. „Diese Alternative ist für die Kassen zwar die teuerste, aber wenn es keinen IV-Vertrag gibt und keine Kostenübernahme, dann gibt es für die Kassen auch nur diese teure Alternative“, sagt Warweg.

Die Erfolge der C3-Strategie liegen auf der Hand. Die Zeit von der Zuweisung des Arztes bis zur postoperativen Kontrolle habe sich „dramatisch verkürzt“, sagt Warweg. „Bei uns liegen die Patienten 1 Nacht, maximal 2 Nächte. Im Krankenhaus haben sie dagegen eine Verweildauer von 3 bis 8 Tagen.”



REFERENZEN:

1. Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit, 20. bis 22. Juni 2017, Berlin

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....