Traumberuf mit Schattenseiten: Laut MB-Monitor erwägt jeder 5. Arzt, den Beruf an den Nagel zu hängen

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

14. Juli 2017

Mehr Zeit für Privatleben und Familie, viel weniger Bürokratie und mehr Personal im ärztlichen wie pflegerischen Dienst – das fordern angestellte Ärzte im Monitor 2017 des Marburger Bundes [1]. An der Online-Befragung beteiligten sich im April 6.200 Ärzte.

Über die schlechte Personalsituation, den hohen Arbeitsdruck und bürokratische Lasten klagen viele Befragte. 2 Drittel (66%) geben an, dass ihnen für die Behandlung ihrer Patienten nicht ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Ihre Arbeitsbedingungen stufen 46% als „mittelmäßig“ ein, 19% als „schlecht“ und 5% als „sehr schlecht“. 26% beurteilen sie als „gut“ und nur 4% als „sehr gut“. Jeder 5. Befragte (19%) überlegt, seinen Job als Arzt an den Nagel zu hängen. Als Gründe werden genannt: hohe Arbeitsbelastung, ökonomischer Druck, Personaleinsparungen und ausufernde Bürokratie.

„Die Befragung des Marburger Bundes hinsichtlich empfundener Arbeitsbelastung muss auch vor dem Hintergrund des bereits stattgefundenen Personalaufbaus bewertet werden. Allein in den letzten 10 Jahren ist die Zahl der Ärzte in den Kliniken um rund 43.000 gestiegen. Keine Berufsgruppe hat so hohe Personalzuwächse erfahren. Gleichwohl sind die Kliniken bemüht, die Arbeitsbelastung so gering wie möglich zu halten“, relativiert Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), die Umfrageergebnisse.

49% der Ärzte ist die Personalaufstockung in der eigenen Berufsgruppe „sehr wichtig“, 23% „am wichtigsten. Doch die Befragten messen nicht nur dem Personalaufbau im ärztlichen Dienst, sondern auch dem in der Pflege hohe Bedeutung zu. 3 Viertel der Befragten halten mehr Personal im pflegerischen Dienst für „sehr wichtig“ (52%) oder „am wichtigsten“ (23%).

Zu viel Bürokratie: Ärzte, Marburger Bund und Krankenhausgesellschaft sind sich einig

Jeder 4. Arzt im Krankenhaus (26%) verbringt inzwischen mehr als 3 Stunden pro Tag mit Verwaltungstätigkeiten, die über rein ärztliche Aufgaben hinausgehen. Ein Drittel schätzt den täglichen Zeitaufwand für administrative Tätigkeiten auf 1 bis 2 Stunden (33%) oder 2 bis 3 Stunden (29%). Nur 11% geben den Zeitaufwand für Datenerfassung, Dokumentation und Organisation mit weniger als einer Stunde täglich an. Der Abbau von Bürokratie ist den meisten Ärzten sehr wichtig: Für 70% der Ärzte im Krankenhaus ist eine solche Entbürokratisierung „sehr wichtig“ (44%) oder sogar „am wichtigsten“ (26%).

Dr. Rudolf Henke

„Die Bürokratie erstickt die ärztliche Arbeit. Durch den grassierenden Kontroll- und Dokumentationswahn wird ungeheuer viel ärztliche Arbeitskraft gebunden und wertvolle Arbeitszeit verschwendet, die wir für die Patientenbehandlung brauchen. Ich verstehe die Ergebnisse des MB-Monitors 2017 deshalb auch als Auftrag an Politik und Selbstverwaltung, die Entbürokratisierung der ärztlichen Tätigkeit endlich stärker voranzutreiben“, betont Dr. Rudolf Henke, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes.

Das sieht auch Baum so: „Übereinstimmung besteht bei der Entbürokratisierung. Auch in dieser Legislaturperiode ist die Bürokratielast durch Dokumentation und kleinteilige Auseinandersetzungen mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) unerträglich hoch und ist von der Gesetzgebung durch neu installierte Vorgaben noch weiter gesteigert worden. Die Krankenhäuser fordern in der neuen Legislaturperiode eine konzertierte Aktion zum Abbau der Bürokratie im Gesundheitswesen.“

Die Bürokratie erstickt die ärztliche Arbeit. Dr. Rudolf Henke

Bei der Arbeitszeit driften Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander

Mehr als ein Drittel der angestellten Ärzte (38%) hat einen befristeten Arbeitsvertrag. Unter den jungen Ärzten in der Weiterbildung zum Facharzt sind es sogar 84%, deren Arbeitsverhältnis zeitlich befristet ist, meist weniger als 3 Jahre.

76% der befragten Ärzte arbeiten Vollzeit, 24% arbeiten Teilzeit, 2013 waren es noch 15%. Besonders hoch ist der Teilzeitanteil unter Frauen: 37% der Ärztinnen haben aktuell eine Teilzeitstelle (Ärzte: 12%). Häufig sind es Fachärzte, die eine Teilzeitbeschäftigung wählen (41%). Der Umfang der Teilzeitarbeit beträgt in der Regel 51 bis 75% einer Vollzeitstelle (41% aller Befragten), bei einem Drittel sind es 76 bis 95%. Die tarifvertraglich vereinbarte Regelarbeitszeit beträgt für vollzeitbeschäftigte Ärzte in kommunalen Krankenhäusern 40 Stunden pro Woche.

Aufgrund des Personalmangels müssen Ärzte mehr arbeiten, als sie eigentlich wollen. Überstunden und Zusatzdienste sind an der Tagesordnung. Dabei wünschen sich 90% der angestellten Ärzte eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von maximal 48 Stunden. Die tatsächliche Wochenarbeitszeit liegt aber wesentlich höher: Die meisten Ärzte (40%) sind 49 bis 59 Stunden pro Woche im Einsatz, jeder 5. hat sogar eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 60 bis 80 Stunden inklusive aller Dienste und Überstunden.

Ärzte legen deswegen auch mehr Wert auf eine bessere Work-Life-Balance. Allerdings wird diese durch ungeplante Dienste zusätzlich erschwert. „Die Dienstplangestaltung ist alles andere als verlässlich. Die kurzfristigen Inanspruchnahmen von Ärzten, die eigentlich dienstfrei haben, nehmen überhand. Wenn etwa die Hälfte der Ärzte immer wieder bis zu 2 Mal im Monat zu solchen außerplanmäßigen Einsätzen gerufen wird, bleibt von den freien Wochenenden nicht mehr viel übrig. Hier müssen die Krankenhäuser dringend umdenken, sonst laufen ihnen die Ärzte weg“, warnt Henke.

Die Dienstplangestaltung ist alles andere als verlässlich. Die kurzfristigen Inanspruchnahmen von Ärzten, die eigentlich dienstfrei haben, nehmen überhand. Dr. Rudolf Henke

Wunsch und Wirklichkeit driften bei der Arbeitszeit weit auseinander:Etwa die Hälfte (51%) würde gerne 40 bis 48 Stunden pro Woche arbeiten, 30% bevorzugen 30 bis 39 Stunden und 9% sogar nur 29 Stunden und weniger. Der Mittelwert der bevorzugten Wochenarbeitszeit beträgt 39,7 Stunden.

Die Umfragedaten sind hinsichtlich Alters-und Geschlechterverteilung repräsentativ für die Krankenhausärzteschaft. Überrepräsentiert sind Ärzte aus kommunalen Krankenhäusern und Universitätskliniken, unterrepräsentiert sind Befragte aus kirchlichen Krankenhäusern und privaten Kliniken. 36% der Befragten sind Ärzte in der Weiterbildung zum Facharzt, jeweils 26% Fachärzte sowie Oberärzte, 6% Chefarzt-Stellvertreter (leitende Oberärzte) und 3% Chefärzte.



REFERENZEN:

1. Monitor 2017 des Marburger Bundes, 6. Juli 2017

Kommentar

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