Berlin – Richtig glücklich waren die Referenten des Workshops „Neue Geldquellen – neue Möglichkeiten“ mit dem Titel ihrer Veranstaltung auf dem Berliner Hauptstadtkongress nicht [1]. „Neue Möglichkeiten der Finanzierung gibt es eigentlich gar nicht“, sagte Dr. Eibo Krahmer, Geschäftsführer Finanzmanagement, Infrastruktur und Digitalisierung bei der Berliner Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH. Aber die Referenten machten klar: Man kann das vorhandene Geld cleverer einsetzen.
Es fehlen Fördermittel
In der Tat stehen die Klinikbetreiber in Deutschland vor enormen Herausforderungen, ihre Gebäude zu renovieren oder neu zu errichten und schließlich zu erhalten. Laut einer Studie des Branchencenters Gesundheitswirtschaft BDO AG und des Deutschen Krankenhausinstitutes schreiben 30% bis 50% der Deutschen Krankenhäuser seit 10 Jahren Verluste. Die Folge: Investitionsstau.
„Für die nächsten 5 Jahre beträgt der Investitionsbedarf der deutschen Krankenhäuser rund 7 Mrd. Euro pro Jahr“, heißt es in der Studie. „Die öffentliche Förderquote durch die Bundesländer lag in den letzten Jahren nur bei 2,7 Mrd. Euro pro Jahr. Der Investitionsbedarf ist damit um das Zweieinhalbfache höher als aktuell die öffentlichen Fördermittel für Krankenhausinvestitionen.“
In den Jahren 2000 bis 2005 sind die Fördermittel aus den öffentlichen Haushalten von jährlich 3,4 Milliarden Euro im Jahr 2000 auf 2,7 Milliarden im Jahr 2005 gefallen. Seither haben sie sich dort eingependelt. Inflations- und preisbereinigt betrage der Rückgang damit 25%, hieß es. Aber: Die Investitionen lagen in den Jahren 2012 bis 2014 bei 5,3 Milliarden Euro. Das heißt, die Krankenhäuser haben 2,6 Milliarden Euro aus Eigenmitteln aufgebracht und damit etwas weniger als die Hälfte aller Investitionen überhaupt.
Der Löwenanteil dieser Eigeninvestitionen bestand mit 33,9% am ganzen Volumen aus Überschüssen bei den Leistungsentgelten. Das heißt, bei der Patientenversorgung wird gespart, damit das Dach geflickt werden kann. 11% der Eigenmittel wurden von den Häusern auf dem Kapitalmarkt aufgenommen und 4,3% der Gesamtinvestitionen kamen aus anderen Quellen.
Wie jene anderen Quellen ausgebaut werden könnten, war Thema des Workshops auf dem Hauptstadtkongress.
Leasing, Ausgründungen, Lizenzverkauf
Zum Beispiel das Universitätsklinikum Heidelberg: Hier bestehe eine Finanzierungslücke bei den Investitionen von rund 40%, berichtete Irmtraut Gürkan, kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums Heidelberg. Da das Land sein Investitionsvolumen nicht entsprechend aufstockt, ist das Klinikum auf andere Finanzierungsquellen angewiesen.
„Wir haben zum Beispiel für ein neues Gebäude einen Leasingvertrag über 58 Millionen Euro geschlossen“, sagte Gürkan. Der 20.000-Quadratmeter-Komplex, unter anderem für die medizinische Informatik, die Versorgungsforschung und große Teile der medizinischen Fakultät gedacht, sollte ursprünglich vom Investor angemietet werden. „Aber dann haben wir errechnet, dass die Kredit- und Zinssituation es nahelegen, zu leasen“, so Gürkan. So werden die 3 Türme des Gebäudes über 20 Jahre geleast, um es am Schluss für einen Restbuchwert von 10 Millionen Euro zu kaufen.
Ein Weg, der wohl vor allem Universitätskliniken mit ihren Forschungsabteilungen offen steht, ist die Auslizensierung eigener Entwicklungen, wie ein Ansatz zur Entwicklung von Gentherapeutika bei Herzinsuffizienz in Heidelberg deutlich macht. „Wir gründen keine eigene Firma, sondern geben die Entwicklung an andere Unternehmen und erhalten dafür Lizenzgebühren“, sagt Gürkan. „Bei Markteinführung werden wir auch an den Umsätzen beteiligt.“
Für das Dietmar-Hopp-Kindertumorzentrum am NCT (KiTZ) ist sogar eine halbe Stelle für das Fundraising eingerichtet worden. Ein Großspender unterstützte die Kinderonkologie der Kinderklinik mit 12 Millionen Euro. Beim neu geplanten Kindertumorzentrum wird der Spender sogar 20 Millionen Euro geben und damit die Hälfte der Investitionen für das Zentrum tragen.
Dass nicht immer alles glatt läuft, zeigte sich, als das Uniklinikum das Kreiskrankenhaus Bergstraße in Heppenheim für 1 symbolischen Euro kaufte. „Und zwar mit der Zusage, dass wir 50 Millionen Euro investieren“, sagte Gürkan. Zuvor hatte der Kreis Bergstraße das Haus entschuldet. „Wir hatten 40% der Investitionen vom Land erwartet“, berichtet die Kaufmännische Direktorin. „Tatsächlich haben wir nur 8,5 Millionen Euro bekommen.“ Bei solchen Summen helfen weder Ausgründungen noch Fundraising. Das Uniklinikum muss an den Kapitalmarkt. „Als Haus in öffentlicher Trägerschaft haben wir Zugang zu günstigen Darlehen“, sagt Gürkan. „Auch haben wir Glück mit der Zinssituation und wollen versuchen, das Darlehen über die gesamte Laufzeit abzuschließen, damit wir keine bösen Überraschungen erleben.“
Das Wichtigste zuerst
Krahmer von der Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH in Berlin sieht, wie gesagt, keine wirklich neuen Möglichkeiten, selber Geld für Neubauten, Renovierungen und die Instandhaltung zu generieren. „Natürlich gibt es zum Beispiel das Auslandsgeschäft mit Privatpatienten oder Wahlleistungen bei Unterbringung oder Verpflegung“, sagte er. „Aber da kommen gemessen an diesem Bedarf nur kleine Summen herein.“
„Die Frage, die wir uns aber gestellt haben, ist: Wie kann man das Geld, das man hat, vernünftig verwenden?“, so Krahmer. Die Antwort von Vivantes lautet: Priorisierung. „Wir schauen, wo bei welchen Häusern des Konzerns der dringendste Bedarf besteht und wo noch etwas gewartet werden muss und kann. Dann schnüren wir für die einzelnen Standorte je ein Maßnahmen- und Finanzierungspaket und diskutieren am Standort, wann und wie wir vorgehen, ohne den Betrieb zu sehr zu stören.“
Dazu wird das so genannte epiqr®-Verfahren angewendet, das mit vergleichsweise geringem Aufwand und einer großen Datenbank im Hintergrund hilft, rasch die Renovierungs-, Erhaltungs- und Neubaubedarfe zu ermitteln. Und zwar mit Hilfe des so genannten Pareto-Prinzips. Es besagt, dass sich bei vielen Aufgaben 80% der Probleme mit 20% des Aufwands lösen lassen. Aufgrund von Verhältniszahlen lässt sich so etwa der Bedarf bei maroden Wänden oder löchrigen Dächern errechnen.
„Man kann anhand des Baujahres und nach einer geringen Begehungszeit schon Aussagen treffen“, erklärte Krahmer. Aktuelle Preise und Kostenschätzungen inklusive. Der Vorteil für die Planung liegt auf der Hand: „Ich kann den Standortverantwortlichen der einzelnen Häuser erklären und zeigen, warum sie etwa mit einer Renovierung wann an der Reihe sind, wann sie welches Geld für ihr Haus bekommen – und ich brauche weniger Gerechtigkeitsdiskussionen zu führen.“
Auf diese Weise ist das marode Klinikum Neukölln auf Krahmers To-do-Liste ganz oben gelandet. Dort erfordern die ersten beiden Bauabschnitte 195 Millionen Euro. „Den ersten Bauabschnitt finanzieren wir aus dem Verkauf von Grundstücken, aus Fördergeldern und aus weiteren Eigenmitteln“, zählte Krahmer auf. Der Eigenanteil soll etwa 70 Millionen Euro betragen. Nach diesem ersten Bauabschnitt geht es 2022 mit der Sanierung aber erst richtig los.
REFERENZEN:
1. Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit, 20. bis 22. Juni 2017, Berlin
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Smart Geld ausgeben: Neue Wege der Krankenhausfinanzierung gibt es nicht, aber vorhandene lassen sich clever nutzen - Medscape - 12. Jul 2017.
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